In dieser Serie gehen wir auf einzelne Weltklassetalente ein, die auf dem Sprung standen – und ihn nicht schafften. Zumeist waren es persönliche Tragödien, Verletzungen oder einfach die Umstände ihrer Karriere. In einigen Fällen tragen die Spieler für ihr Scheitern selbst die Verantwortung, in anderen kamen sie unschuldig zum Handkuss, da nicht zu beeinflussende Faktoren von außen das Ende der Karriere herbeiführten.
Wir lassen die Karrieren dieser Akteure Revue passieren, spekulieren über die mögliche Auswirkung ihres fehlenden Durchbruchs in der Geschichte des Fußballs und ein kleines „was wäre, wenn…?“ darf natürlich auch nicht fehlen. Immerhin besitzt für solche Spieler nahezu jeder Fußballfan noch eine schöne Erinnerung und jene fragende Wehmut, welche Erinnerungen man nicht alles verpasst hat.
In diesem Teil widmen wir uns …
Ivan Gudelj
Die jugoslawische Nationalmannschaft hatte bereits einige riesige Talente. Dragan Stojkovic, Dejan Savicevic oder Robert Prosinecki gehörten zu jener Generation, die nach der Teilung für ihre jeweiligen Nationalmannschaften glänzten. In den Jahren davor gab es mit Dragoslav Sekularac, Bernard Vukas, Dragan Dzajic, Branko Zebec oder auch dem Torhüter Franjo Glaser einige Spieler, die auf ihrer Position zu den Weltbesten gehörten.
Ihre Karrieren wurden zwar durch die damaligen Gesetze (bspw. durften im kommunistischen Jugoslawien die Spieler nur nach Erfüllung eines gewissen Alters und besonderer Auflagen ins Ausland wechseln) ebenfalls eingedämmt, dennoch sind sie zumindest für Fußball-Nerds klingende Namen.
Aber selbst in der Aufzählung der tiefschürfenden Fußballhistoriker fehlt ein Name, ein herausragender Spieler wird immer wieder vergessen: Ivan Gudelj.
Der Aufstieg des Talents
Dabei war Gudelj womöglich der modernste von allen. In seiner kroatischen Heimat galt der Jüngling in den frühen 80ern als der talentierteste Spieler, den das Land seit Vukas hervorgebracht hatte. Für Hajduk Split zeigte er hervorragende Leistungen und bildete mit Baka Sliskovic ein Duo, welches wohl auch so manche Mannschaft in den europäischen Top-Ligen unsicher gemacht hätte – und es auf internationaler Bühne auch tat.
Beim UEFA-Juniorenturnier 1979 ging sein Stern auf. Damals wurden die Jugoslawen Erster und Ivan Gudelj zum besten Spieler des Turniers gewählt, wo er sich z.B. gegenüber Konkurrenz wie Lothar Matthäus durchsetzte. In der folgenden Saison wurde er mit 19 Jahren Stammspieler, sein Debüt hatte er allerdings bereits drei Jahre zuvor gegeben.
Seine Debütsaison verlief relativ erfolgreich, man kam bis ins Viertelfinale des Meisterpokals, dem Äquivalent der heutigen Champions League. Während seiner Ära kam man auch noch in das Halbfinale des UEFA-Pokals, was bis heute der größte internationale Erfolg der Vereinsgeschichte ist.
National gab es ebenfalls ein paar Erfolge. Einmal konnte man den jugoslawischen Pokal für sich entscheiden, dreimal wurden sie Vizemeister in der Liga. In der Nationalmannschaft wurde er mit 19 Jahren Stammspieler und zwei Jahre später sogar der jüngste Kapitän des Landes. Er nahm an Olympia 1980, der WM 1982 und der EM 1984 teil.
Kroatiens totaler Fußballer
In der Anfangszeit seiner Karriere wurde er von der Presse als „Franz Beckenbauer aus Zmijavci“ bezeichnet. Der Vergleich sollte die Ähnlichkeit in den Fähigkeiten in puncto Eleganz, Dynamik und Ballsicherheit betonen. Zugegeben, Gudelj hatte wohl etwas von Beckenbauers Anfangsjahren im defensiven Mittelfeld – war aber wesentlich kämpferischer.
Sein Spiel bestand nicht nur aus Eleganz und Technik, sondern auch aus Kampf und Bissigkeit. Der polyvalente Gudelj spielte zwar vorrangig als defensiver Mittelfeldspieler, konnte allerdings auch auf beiden Flügeln spielen, sowohl als Außenverteidiger, als auch als Flügelstürmer. Außerdem wurde er situativ in die Position des nominellen Zehners geschoben, denn er konnte frühzeitig Bälle erobern und sofort gefährliche Pässe ins Loch spielen.
Diese Mischung aus Kreativität und Athletik sorgte im Schnitt für ein Tor in jedem vierten Spiel (362 Spiele, 93 Tore) – eine beeindruckende Quote für einen defensiven Mittelfeldspieler. 1984 wurde er sogar von der prestigeträchtigen L’Equipe in die Top-Elf Europas gewählt.
Als er 1986 die Auflagen erfüllte und ins Ausland gehen durfte, standen Europas Top-Teams Schlange. Girondins Bordeaux hatte bereits einen unterschriftsreifen Vertrag vorgelegt. Real Madrid hatte es vor. Diese wurden von 1985/86 bis 1990 jedes Mal Meister – Gudelj hätte beispielsweise mit Uli Stielike, Michel und Bernd Schuster ein herausragendes Mittelfeld hinter dem Sturmduo Butragueno und Hugo Sanchez bilden können.
Die Tragödie
Doch der Wechsel zerschlug sich. Etwas über eine Woche vor seinem 26. Geburtstag wurde Gudelj im Spiel gegen Roter Stern Belgrad ausgewechselt. Er klagte über Kraftlosigkeit und Erschöpfung; zwei Gefühle, die ihm bis dahin fremd waren. Es erschien sogar so unpassend, dass die gegnerischen Fans ihn beim Herausgehen wegen vermeintlicher Simulation auspfiffen.
Sein letztes Spiel machte er am nächsten Spieltag: zwei Tage nach seinem 26. Geburtstag. Bevor die Diagnose bekannt wurde, spekulierten Medien über AIDS oder Leukämie, während der Arzt zwischen Gelbsucht und einer Anämie schwankte. Es sollte die Gelbsucht sein, welche Gudelj für 45 Tage ins Krankenhaus zwang. Seine Karriere war beendet, er sollte sich von der Krankheit nicht mehr erholen können. Im Anschluss an seine Fußballerkarriere widmete sich das einstige Riesentalent dem Trainerjob und der Religion.
In den folgenden drei Saisonen nach der gescheiterten Verpflichtung Gudeljs schied Real Madrid übrigens je drei Mal im Halbfinale des Meisterpokals aus – ob Gudelj den Unterschied hätte ausmachen können?
René Maric, www.abseits.at
Rene Maric
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