Analyse: Khatlon kontert Khujand aus!
Weitere Länder 13.April.2020 Daniel Mandl
In Tadschikistan stand am Osterwochenende, das im zentralasiatischen Land religionsbedingt nicht feierlich begangen wird, der zweite Spieltag der neuen Saison an und wir waren bei einem Duell zweier Sieger des Ligaauftakts „vor Ort“ – leider nur via Stream. Der klar favorisierte Vizemeister FK Khujand empfing den Vorletzten vom Vorjahr, den FK Khatlon Bokhtar.
Fünf Autostunden von der Hauptstadt Duschanbe, fernab des Pamir-Gebirges, kam es zu einem ungleichen Duell, das einen unerwarteten Sieger fand. Der FK Khatlon konnte sich auswärts bei Khujand in einer heißen (und schlechten) Partie mit 3:2 durchsetzen und schob sich damit mit dem Punktemaximum auf Rang zwei hinter Titelfavorit Istiqlol.
Gäste mit blutjungem Team
Die Gäste gingen in einem 4-1-4-1-System mit einem Durchschnittsalter von 20,9 Jahren in die Partie. Das Team, das sich in der vergangenen Saison nur via Relegation vor dem Abstieg rettete, war also auswärts beim hohen Favoriten eine blutjunge Mannschaft, in der der 28-jährige Ekshon Boboev der einzige Routinier war. Allerdings wählte man mit der 4-1-4-1-Ausrichtung ein gutes Mittel gegen das 3-5-2-System der Gastgeber.
Solides Konterspiel durch den Außenseiter
Dies war vor allem deswegen der Fall, weil die beiden äußeren Mittelfeldspieler, allen voran der erst 19-jährige Teamkapitän Umardzhon Sharipov, sich in Rückwärtsbewegung gut in die Mitte fallen ließen und die Zentrale damit eng machten. Nach Ballgewinnen folgten schnelle Gegenstöße (bis zum 2:0 – danach zog man sich nach und nach zurück), indem man das Spiel wieder breitmachte und recht schnörkellos über die Flügel angreifen konnte. Da man in Rückwärtsbewegung tief stand, konnte Khatlon recht gut in Gruppen angreifen, während Khujand viel zu hoch stand. Auch dass die Solospitze Parviz Baki-Akhunov sehr ausweichend agierte und sich immer wieder in die Zwischenräume der Dreierkette fallen ließ, erleichterte das Konterspiel für den Außenseiter. Nicht nur wegen seines vorentscheidenden Treffers zum 3:1 war er am gestrigen Nachmittag jeden Somoni wert.
Für das Heimteam wurde es immer enger
Als es bereits 0:2 stand, schoben die Gastgeber ihren Spielaufbau um einige Meter nach vorne und die Dreierkette agierte praktisch auf Höhe der Mittellinie, was sie anfällig für Konter machte. Durch den Rückstand war es praktisch unmöglich für Khujand den Gegner kommen zu lassen, da sich dieser ausschließlich auf Konter spezialisierte. Die Räume waren dadurch sehr eng und die Heimmannschaft wurde in viele statische Mann-gegen-Mann-Duelle verwickelt, wo man es nicht mal ausnutzen konnte, dass beispielsweise Khatlons Linksverteidiger Khuseyn Nurmatov ganz offensichtlich ein paar Tschebureki zu viel auf den Hüften hat.
Rasen nicht auf englischem Niveau
Allgemein war das Spiel aber ohnehin vom außerordentlich schlechten Rasen geprägt, was auch spielerische Lösungen erschwerte. Hätte es sich um ein Europacup-Finale gehandelt, wäre der „Fleckerlteppich von Khujand“ in die Geschichte eingegangen. So war es aber ein ganz normaler Arbeitstag mit vielen Schlaglöchern und einigen Staubwolken, die durch die beiden Khujand-Stürmer Sidorov und Fatkhulloev im gegnerischen Strafraum aufwirbelten, wenn es zu Duellen knapp vor dem Tor kam. Die Staubwolken vor dem Tor passten aber insgesamt auch gut zum Stadion, wo sich ein unverkennbarer Ost-Flair breitmachte.
Ghanaischer Gäste-Keeper blieb sicher
Hier biss man sich zumeist am recht sicheren Keeper der Gäste die Zähne aus: Der ghanaische Torhüter Quaye Godson präsentierte sich vor allem bei Flanken und im Abschneiden der Wege gegnerischer Stürmer stark. Laufkoordinativ sah er dabei zwar etwas seltsam aus, was aber vermutlich dem etwas speziellen Geläuf geschuldet war. Mit Schüssen aus der Etappe hätte Khujand für mehr Gefahr sorgen können, allerdings kam man nur selten in Schusspositionen und konnte daher auch die vielen Schlaglöcher im Strafraum kaum ausnutzen.
Ausputzerpartie in Führung liegend
Mit der Führung im Rücken besann sich die Mannschaft aus Khatlon aus dem Bezirk Bokhtar aufs Zerstören und drosch zahlreiche Bälle weit nach vorne. In etwa der Hälfte der Fälle blieb es beim Versuch, weil die Ausputzer ein Luftloch nach dem anderen schlugen, was beispielsweise auch zum 1:2 führte, in der anderen Hälfte der Fälle agierte man zumindest im Nachrückverhalten gut und gewann so viele zweite Bälle. Eine routiniertere Mannschaft hätte der Heimmannschaft in derartigen Aktionen wohl noch weitere Tore eingeschenkt, aber die Entscheidungsfindung von Khatlon in allerletzter Instanz war mangelhaft.
Khujand zu eindimensional
Dennoch wurde das Spiel für die jungen Gäste nicht mehr brenzlig und das 2:3 fiel erst in der fünften Minute der Nachspielzeit. Bis dahin hatte man das Spiel durch die Engen in der Zentrale und die konsequente Ausputzertaktik mit anschließendem Laufen um den zweiten Ball weitgehend im Griff. Khujand enttäuschte allerdings auf der ganzen Linie, brachte wohl auch den routinierten Spielmacher Dilshod Bozorov etwas zu spät und setzte zu lange auf die beiden eher statischen Angreifer, die vor allem koordinativ große Probleme hatten.
Was wir sonst noch über Tadschikistan lernten
Unterm Strich bleibt ein durchaus spannendes Live-Spiel (endlich mal wieder), mit überschaubarer technischer Qualität und einem Spielfeld, das in Wimbledon für Herzinfarkte gesorgt hätte. Weiters fiel auf, dass tadschikische Kommentatoren so etwas wie die Südamerikaner Zentralasiens sein dürften, zumal sie schon bei Ballaktionen in Eckfahnennähe einen höheren Blutdruck bekommen. Zudem scheint die im Hintergrund immer wieder sichtbare Masjidi Jami Moschee ein interessantes Touristenziel für all jene zu sein, die einen Ausflug von Duschanbe zum nahegelegenen Kairakkum-Stausee mit einem Fußballspiel auf dem vermeintlich schlechtesten Rasen der tadschikischen Liga und ein bisschen Kulturprogramm verbinden wollen. In der Halbzeit gab es leider keine traditionelle Halbzeitshow, dafür aber wurden wir Zeuge tadschikischer Fernsehwerbung, die für die Schönheit des Landes warb. Ein Kult, der übrigens spätestens seit 1994 landesüblich ist.
In der Zusammenfassung des Spiels auf YouTube könnt ihr immerhin drei der fünf Tore – und vor allem den Rasen – sehen:
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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