Celtic und Rangers: Eine seit drei Jahren andauernde Unserie dokumentiert den Verfall des schottischen Clubfußballs
Weitere Länder 13.Oktober.2011 Daniel Mandl 0
2008 standen die Rangers aus Glasgow noch im Endspiel um den UEFA Cup, 2003 gelang dies auch Lokalrivalen Celtic. Mittlerweile können die einstigen europäischen Schwergewichte aber nicht einmal mehr annährend an diese Erfolge anschließen, weshalb sich Schottland in der UEFA Fünfjahreswertung vor dem Sturz ins nahezu Bodenlose befindet. Seit der Saison 2008/09 fällt die Bilanz der beiden einzigen international konkurrenzfähigen schottischen Mannschaften verheerend aus: Von insgesamt 46 Spielen konnten Rangers und Celtic nur 6 gewinnen, 22 gingen hingegen verloren (Torverhältnis 33:65). Den Rangers gelang in den letzten 22 Europacupspielen überhaupt nur ein einziger Sieg – eine Ausbeute, die vor wenigen Jahren nicht einmal die kühnsten Pessimisten für wahrscheinlich angenommen hätten. Angesichts dieser Zahlen wundert es kaum, dass Schottland ohne einen Sieg Celtics am grünen Tisch heuer erstmals ohne einen einzigen Vertreter in einem UEFA Hauptbewerb dagestanden wäre – das erste Mal in der Europacupgeschichte überhaupt!
Die Saison 2008/09 wurde in diesem Artikel aus dem Grunde gewählt, da diese eine Art Zäsur darstellt. Waren zuvor Rangers und Celtic regelmäßig durchwegs erfolgreich auf der europäischen Bühne unterwegs – sprich Europacupfinals oder Achtelfinalteilnahmen in der Champions League – folgte in den darauf folgenden Spielzeiten ein nahezu beispielloser Absturz. Dieser kam jedoch nicht gänzlich überraschend, auch wenn die Fallhöhe, wie das Beispiel der Rangers zeigt, eine enorme war: Vom UEFA Cup Finale direkt zum europäischen Aus im Juli. Doch betrachtet man das Erreichen dieses Finales etwas näher, kommt man zum Schluss, dass auf dem Weg dorthin die jeweiligen Gegner (Werder Bremen, Sporting, Fiorentina) zwar ausgeschaltet worden waren, diese dabei jedoch beinahe immer deutlich überlegen gewesen sind und es neben der antiquierten Defensivspielweise jeder Menge Glück bedurfte, um die Aufstiege zu sichern. Im Finale war dieses den Rangers dann nicht mehr hold gewesen und man unterlag Zenit St. Petersburg völlig verdient mit 0:2.
2008/09: Der Schock von Kaunas
Noch euphorisiert vom zurückliegenden UEFA Cup Finale starteten die Rangers als Vizemeister in die Champions League Qualifikation und bekamen dort als ersten Gegner den litauischen Meister aus Kaunas zugelost. Auf dem Papier eine glasklare Angelegenheit, doch kamen die Schotten im Ibrox Park nicht über ein 0:0 hinaus, reisten jedoch zuversichtlich zum Auswärtsspiel ins Baltikum. Dort gelang auch planmäßig durch Novo die Führung, jedoch konnten die Litauer die Partie noch drehen und gewannen schlussendlich mit 2:1, was gleichbedeutend mit dem Ausscheiden der Rangers auf europäischer Bühne war.
Celtic war in dieser Saison als Meister bereits für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert (im Vorjahr scheiterte man dort im Achtelfinale am FC Barcelona) und erhielt Manchester United, Villarreal sowie Aalborg als Gegner. Am Ende standen vier Punkte zu Buche, was aufgrund einer 1:2 Niederlage in Dänemark nur zum letzten Tabellenplatz reichte, während Aalborg in den UEFA Cup übersiedelte.
2009/10: Die Heimstärke ist nicht mehr vorhanden
Jahrzehntelang galten die schottischen Mannschaften als enorm heimstark – ein Umstand, der sich auf bis ins 21. Jahrhundert gehalten hat, denn so erzielte etwa Celtic das absolute Gros seiner Champions League Siege im heimischen Parkhead. In der Saison 2009/10 kam es jedoch zu einem Bruch dieser „Tradition“ und die beiden schottischen Spitzenteams mussten vor allem zuhause bittere Niederlagen verkraften.
In der Qualifikation zur Champions League verlor Celtic zunächst auf eigenem Platz gegen Dinamo Moskau mit 0:1, konnte in Russland allerdings noch den Aufstieg fixieren. In der nächsten Runde war Arsenal dann jedoch zumindest eine Nummer zu groß und gewann beide Spiele, so dass Celtic in die Gruppenphase der Europa League einzog, wo man auf den Hamburger SV, Hapoel Tel-Aviv und Rapid Wien traf. Einer Niederlage in Israel folgten jeweils in Glasgow ein 1:1 gegen Rapid sowie ein 0:1 gegen den HSV. Abgeschlossen wurde die Gruppe dann mit einem torlosen Remis in Hamburg, einem 2:1 Sieg über Hapoel sowie einem 3:3 im Duell der bereits Ausgeschiedenen im verschneiten Wien.
Lokalrivale Rangers kam in die Champions League gehörig unter die Räder, denn es setzte in allen drei Heimspielen Niederlagen, die mit 1:4 gegen Sevilla und Unirea Urcizeni auch nicht zu gering ausfielen, dazu kam noch ein 0:2 gegen Stuttgart. Zwei Unentschieden in Deutschland und Rumänien blieben die einzigen Punktgewinne, was schlussendlich den letzten Gruppenplatz bedeutete.
2010/11: Erfolgreich als Remiskönig und van Wolfswinkel zerlegt Celtic
In dieser Saison waren die Rangers letztmalig als Meister direkt für die Champions League qualifiziert und trafen dort auf Manchester United, Bursaspor und Valencia. Aufgrund der äußerst defensiven Spielweise des Teams von Walter Smith mit zumeist fünf Verteidigern verkamen die meisten Spiele zu torarmen Rückzugsgefechten, die jedoch immerhin zum dritten Gruppenplatz und dem damit verbundenen Einzug in das Sechzehntelfinale der Europa League reichten. Dort konnte Sporting dank eines Treffers in der Nachspielzeit in Lissabon mit 1:1 und 2:2 ausgeschaltet werden, ehe im Achtelfinale die PSV Eindhoven mit 0:0 und 1:0 die Überhand behielt. Insgesamt gewannen die Rangers in dieser Europacupsaison nur eines von zehn Spielen – mit einer solchen Bilanz haben vermutlich noch nicht viele Mannschaften ein Achtelfinale erreicht.
Celtics europäischer Auftritt dauerte hingegen wesentlich kürzer und fand bereits im August sein Ende. Dem Aus gegen Braga in der Champions League Qualifikation folgte ein Duell mit Utrecht um den Einzug in die Europa League. Der 2:0 Sieg vom Hinspiel in Glasgow reichte jedoch nicht zum Aufstieg, denn in den Niederlanden setzte es eine 4:0 Packung, wobei der junge Ricky van Wolfswinkel (mittlerweile bei Sporting) für drei Tore verantwortlich zeichnete.
2011/12: Malmö, Maribor und Sion als zu hohe Hürden
Aufgrund der sehr mäßigen Ergebnisse der letzten Jahre gibt es für den schottischen Meister in der laufenden Saison keinen Fixplatz mehr in der Champions League und der Vizemeister muss sich mit Europa League begnügen.
Meister Rangers bekam es in der dritten Qualifikationsrunde zur Champions League mit Malmö zu tun und schied nach einer 0:1 Niederlage im Ibrox Park und einem 1:1 in Südschweden aus. Im Playoff zur Europa League traf man auf das von Ex-Sturmspieler Darko Milanic betreute Maribor und musste im Hinspiel eine späte 2:1 Niederlage in Slowenien einstecken. Zuhause konnte man einen Rückstand zwar noch ausgleichen, Maribor brachte das 1:1 jedoch mit nicht wenig Glück über die Zeit und qualifizierte sich als erste slowenische Mannschaft für die Europa League Gruppenphase.
Celtic stieg direkt ins Europa League Playoff ein, wo der schweizer Cupsieger Sion wartete. Dieser erwies sich zunächst als zu starker Gegner und stieg mit 0:0 und 3:1 auf. Allerdings setzten die Walliser dabei einige Spieler ein, die aufgrund einer Transfersperre der FIFA nicht spielberechtigt gewesen wären, so dass Celtic am grünen Tisch in die Europa League vorstieß. Dort ging das erste Gruppenspiel bei Atlético Madrid mit 0:2 verloren, gegen Udinese reichte es zuhause immerhin zu einem 1:1.
Es ist jedoch möglich, dass Celtic den Platz wieder an Sion abtreten muss, da ein schweizer Gericht den Ausschluss für ungerechtfertigt befand; in dieser Causa wird man die Entwicklungen der nächsten Wochen abwarten müssen.
Gründe für die Krise
Zunächst gilt es festzuhalten, dass Schottland lediglich fünf Millionen Einwohner zählt, so dass die Erfolge der Vergangenheit mehr als respektabel sind und viele größere Länder nicht auf solche verweisen können. Vorteilhaft sind hier gewiss die Nähe zu England und die von dort stammenden Einflüsse zu nennen.
Auf der anderen Seite ist das Land jedoch zu klein für eine Spitzenliga, in der Vereine wie Celtic und die Rangers Woche für Woche gefordert werden. Seit über zwanzig Jahren verkommt das Titelrennen zu einem Duett, in das sich kein anderer Club einmischen kann. Die weiteren schottischen Vereine sind international mittlerweile nämlich zumeist gänzlich überfordert, wie die Ergebnisse der letzten Jahre dokumentieren (z.B.: Hearts – Tottenham 0:5, Maribor – Hibernian 3:0, Vaduz – Falkirk 2:0, Aberdeen – Olmütz 1:5) und geben daher für das Old Firm Duo nur mehr bessere Sparringspartner ab. Aufgrund dessen ist es verständlich, dass die beiden Vereine seit Jahren einen nicht sonderlich realistischen Wechsel in die englische Premier League anstreben, wo auch völlig andere finanzielle Möglichkeiten gegeben wären.
Ein weiteres Problem ist, dass zahlreiche schottische Spieler der heimischen die diversen englischen Ligen vorziehen, verdient man doch auch in den Klassen unter der Premier League zumeist besser als im eigenen Land und die sportliche Herausforderung ist oftmals ebenfalls größer. Aktuell verdienen in den vier englischen Profiligen (Premier League, Championship, League One, League Two) nicht weniger als 126 Schotten ihr Geld. Einen derartigen Abwanderungsstrom kann ein kleines Land praktisch nicht kompensieren.
Dazu kommen die teilweise eklatanten finanziellen Probleme, die derzeit etwa die Rangers plagen, was dazu führt, dass die hochwertigen Legionäre früherer Tage wie Brian Laudrup oder Giovanni van Bronckhorst längst durch Durchschnittsspieler ersetzt werden mussten. Auch die Insolvenz des Pay-TV-Kanals Setanta hatte zur Folge, dass die Einnahmen aus dem Fernsehbereich zurückgingen.
Es wird wieder auch aufwärts gehen
Schottland lag im Jahr 2003 auf den 9. Rang der UEFA Fünfjahreswertung, zu Beginn der nächsten Saison wird man sich auf 27. wiederfinden. Dennoch muss konstatiert werden, dass es sich bei Rangers und Celtic um zwei Vereine mit weiterhin sehr großem Potenzial handelt, wie etwa die 40 – 50.000 Zuschauer zeigen, die Woche für in den Ibrox und Celtic Park zu Ligaspielen gegen chancenlose Kontrahenten pilgern. Zudem erfreuen sich die Vereine auch jenseits der schottischen Grenzen großer Beliebtheit, was sich positiv auf das Merchandising auswirkt.
Daher werden auch wieder bessere Tage ins Land ziehen und man im UEFA-Ranking in höhere Gefilde zurückklettern (Schottland befand sich auch im Jahr 1998 kurzfristig auf dem 26. Platz) , zumal künftig wieder mehr Qualifikationsspiele gegen leichtere Gegner auf dem Programm stehen werden, jedoch sollte man sich von der Vorstellung verabschieden, dass die schottischen Clubs wieder mit der europäischen Spitze mithalten werden können. Dies bedeutet, dass die Vereine nicht mehr fix für die Champions League qualifiziert sind und daher mit diesen Geldern nicht planen können. Zudem startet der Europacup nun bereits Anfang bis Mitte Juli, worauf die schottische Liga heuer bereits reagiert hat und den Saisonstart, der bisher im August stattfand, vorzog.
Auch den Vereinen muss klar werden, welche Bedeutung die vielleicht lästigen europäischen Spiele in dieser frühen Phase des Wettbewerbs haben und dass sie wichtiger sind, als Teilnahmen an Vorbereitungsturnieren wie dem Emirates Cup, der bereits während der laufenden Saison stattfindet, auch wenn diese zweifelsfrei Geld in die Kassen spülen.
OoK_PS, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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