Multitalente gab es im Sport schon des Öfteren. Man denke etwa an Ester Ledecka, die es sogar schaffte, bei ein und denselben Olympischen Winterspielen... Der Champions-League-Torschütze auf der Schanze – Björn Wirkola

Multitalente gab es im Sport schon des Öfteren. Man denke etwa an Ester Ledecka, die es sogar schaffte, bei ein und denselben Olympischen Winterspielen auf zwei Latten und auf einem Brett – sprich im Alpinen Super-G und im Snowboard-Parallel-Riesenslalom – eine Goldmedaille zu gewinnen. Oder Anna Gasser, die die Turngeräte dieser Welt gegen die luftigen Höhen der Big-Air-Bewerbe tauschte, ebenso überaus erfolgreich. Es sind allerdings nur selten Synergien zwischen Sommer- und Wintersport bekannt, bei denen tatsächlich beide Sportarten auf professioneller Ebene und vor allem erfolgreich betrieben wurden.

Björn Wirkola bildet hier eine der wenigen leuchtenden Ausnahmen. Der Norweger wird von vielen Sportfans wohl zu allererst mit den skispringerischen Weitenjagden in Verbindung gebracht. Und das zu Recht: Wirkola holte im Jahr 1966 die WM-Titel auf Normal- und Großschanze. Zudem siegte er bei der prestigeträchtigen Vierschanzentournee von 1967 bis 1969 gleich drei Mal in Serie. Die Fußballinteressierten unter Ihnen werden sich nun berechtigterweise fragen, was diese Informationen auf einem Fußballportal verloren haben? Die Antwort ist genauso einfach wie beeindruckend: Björn Wirkola war nicht nur Skispringer und Nordischer Kombinierer, sondern auch Fußballer.

Die Karriere nach der Karriere

Geboren in Finnmark, der nördlichsten aller norwegischen Provinzen, ging die Wintersportkarriere Wirkolas in den frühen 1970er-Jahren zu Ende. Während andere sich ins Trainerbusiness stürzen, als Funktionäre oder Medienexperten arbeiten, schlug der damals 28-Jährige Skandinavier einen völlig anderen Weg ein. Seine Laufbahn hatte er wie gesagt als Nordischer Kombinierer gestartet, sich dann auf die Schanze konzentriert, verschob er das Ende seiner sportlichen Ambitionen und tauschte das Skiwachs gegen die Stollen der Fußballschuhe. Wer nun glaubt, ein Wintersportler könne doch niemals im Profifußball reüssieren, der irrt: Wirkola gewann 1971 mit dem norwegischen Traditionsclub Rosenborg Trondheim den nationalen Pokal. Auch international hat er sich in die Statistiken der schönsten Nebensache der Welt verewigt.

So geschehen am 13. September des Jahres 1972. Rosenborg Trondheim verlor das Auswärtsspiel gegen den schottischen Vertreter Celtic Glasgow mit 1:2. Den Treffer für die Nordländer im damals noch „Pokal der Landesmeister“ genannten Vorgängerbewerb der heutigen Champions League erzielte ein Stürmer namens Björn Wirkola. In derselben Saison brachte es der Angreifer auch noch auf vier Einsätze im UEFA-Cup, blieb dabei allerdings ohne Torerfolg. Dennoch blieben seine Leistungen auf dem grünen Rasen nicht unbelohnt.

Norwegen – ein Land der Tausendsassa

Möglich war dies, da Norwegen in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts schon einen gewissen Erfahrungsschatz in Sachen Multitalente angehäuft hatten. Bereits im Jahr 1918 wurde daher erstmals ein Preis mit dem klingenden Namen Egesberg Erespris vergeben. Erster Preisträger: Ein gewisser Gunnar Andersen, in mehrfacher Hinsicht Wirkolas Vorgänger. Denn Auch Andersen war als Fußballer und Skispringer aktiv, absolvierte nicht weniger als 46 Länderspiele für Norwegen, lief dabei sogar 37 Mal als Kapitän auf. Im Skispringen war Andersen im Übrigen einst Weltrekordhalter – mit einer Weite von sage und schreibe 47 Metern. Mit Harald Strom brachte Norwegen zudem einen eisschnelllaufenden Fußball-Nationalspieler hervor. Egil Lærum und Henry Johansen reüssierten mit dem runden Leder ebenso wie auf Alpinskiern.

Warum trotz berühmter Vorgänger in diesem Beitrag dennoch Björn Wirkola die Hauptrolle spielt? Weil Wirkola einerseits sogar drei Sportarten professionell betrieb, die Professionalisierung des Sports in all seinen Sparten in den 1970er-Jahren zudem schon etwas weiter fortgeschritten war, während in früherer Zeit solche Multitalente häufiger anzutreffen bzw. professionelle Sportler generell eher die Ausnahme waren. Grund genug, Wirkola auch auf Fußballplattformen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Julian Berger, abseits.at

Julian Berger