In dieser Serie gehen wir auf einzelne Weltklassetalente ein, die auf dem Sprung standen – und ihn nicht schafften. Zumeist waren es persönliche Tragödien,... Der verlorene Weltklassefußballer (15) – Petar Radenkovic

TSV 1860 München LogoIn dieser Serie gehen wir auf einzelne Weltklassetalente ein, die auf dem Sprung standen – und ihn nicht schafften. Zumeist waren es persönliche Tragödien, Verletzungen oder einfach die Umstände ihrer Karriere: zur falschen Zeit am falschen Ort kann manchmal schmerzhaft wahr sein.

Wir lassen die Karrieren dieser Akteure Revue passieren, spekulieren über die mögliche Auswirkung ihres fehlenden Durchbruchs in der Geschichte des Fußballs und ein kleines „was wäre, wenn…?“ darf natürlich auch nicht fehlen. Immerhin besitzt für solche Spieler nahezu jeder Fußballfan noch eine schöne Erinnerung und jene fragende Wehmut, welche Erinnerungen man nicht alles verpasst hat.

In diesem Teil widmen wir uns …

Petar Radenkovic

Der Antizipationstorhüter ist ein Torwart, der sich in seinem Torwartspiel sehr stark auf seine Antizipation verlässt. Klingt logisch, nicht wahr? Auf dem Platz zeigen sich aber trotz des kleinen Unterschieds große Abweichungen zum klassischen Reaktionstorhüter. Dieser verharrt in gefährlichen Situationen meist auf seiner Linie und versucht eher mit schnellen Reflexen die Situation nachträglich noch zu entschärfen. Der Antizipationstorhüter hingegen hat an sich selbst den Anspruch, dass er Torchancen so früh wie möglich unterbindet.

Neben dem Abfangen von Flanken und der taktischen Mitarbeit durch richtiges Stellungsspiel oder auch dem Koordinieren der Abwehrreihe gehört dazu die Strafraumbeherrschung, was bis ins Herauslaufen aus dem Strafraum heraus mündet, um Angriffe abzufangen. Kaum ein Torhüter trieb dies so weit wie Petar Radenkovic in den 50ern und 60ern.

Er galt als einer der ersten modernen Torhüter, war eine Kultfigur bei 1860 München und auch – wie viele der modernen Antizipationstorhüter wie Manuel Neuer oder David de Gea – ein hervorragender Fußballer, der seine Rolle als Torwart schon frühzeitig deutlich weitreichender interpretierte. Gleichzeitig verhinderten sein Wechsel zu 1860 München und auch seine Spielweise größere Erfolge; Letztere wurde kaum verstanden, Ersteres nahm ihm die Chance in der Nationalmannschaft.

Vom Feldspieler zum Weltklassetorwart

Mit 15 Jahren begann Radenkovic bei einem wirklichen Verein Fußball zu spielen, nämlich seinem Lokalverein Sumadija. Dort agierte er noch als Feldspieler, bevor er ins Tor wechselte. Als Torhüter machte er sich bald einen Namen und kam über die Kurzstation Roter Stern Belgrad zu OFK Belgrad, wo er sich schnell einen Stammplatz erobern konnte. Früher waren so junge Torhüter noch selten, insbesondere auf höchstem Niveau, denn Radenkovic eroberte sich pünktlich zu Olympia den Stammplatz in der Nationalmannschaft.

1956 holte sich die jugoslawische Nationalmannschaft mit einem bis heute legendären Kader die Silbermedaille, im Finale traf Radenkovic auf die spätere Torhüterlegende Lev Yashin. Dieser soll ihm nach dem Turnier sein Paar Torwarthandschuhe geschenkt und sich die Spielweise Radenkovics abgeschaut haben. Radenkovic kam auf keine weiteren Einsätze in der Nationalmannschaft; später wurde er zum Militär eingezogen und verpasste die WM 1958. Nachdem er einen Wechsel zu Roter Stern forcieren wollte, verlor er auch seinen Stammplatz im Verein.

1960 wechselte er deswegen nach Deutschland, was zu jener Zeit verpönt und eigentlich verboten war; Radenkovic hatte das Mindestalter von 28 Jahren noch nicht erreicht, doch er nahm eine einjährige Sperre in Kauf. Ohnehin hatte er in den vergangenen zwei Jahren kaum ein Spiel bestritten.

Zuerst wechselte er zu Wormatia Worms in die Fußball-Oberliga Südwest. Die Mannschaft hatte zuvor 18 von 34 möglichen Punkten erreicht, nach Ablauf der Sperre konnte Radenkovic in der Rückrunde in die Mannschaft rücken und Wormatia holte in den 13 Spielen mit Radenkovic 19 von 26 möglichen Punkten (nach zwei-Punkte-Regel). Radenkovic erzielte dabei sogar ein Tor aus einem Elfmeter.

In der Folgesaison wechselte er dann zu 1860 München, wo er sich endgültig in der Bundesliga als Kultfigur und Weltklassetorwart etablierte. Zwar spielte er oft an der Grenze und erhielt einige Male Kritik, unter anderem als man wegen ihm im Meisterpokal gegen Real Madrid ausschied, aber seiner Popularität tat dies keinen Abbruch.

Nebenbei startete er noch eine Musikkarriere – so wie sein Vater (Künstlername:„Rasha Rodell“) und Bruder (Künstlername:„Milan the Leather Boy“) in den USA, die ebenfalls Erfolge feierten. „Bin i Radi, bin i König“ verkaufte sich 400.000-mal und seine eigene Firma brachte ihm letztlich 4mal so viel Verdienst ein, wie sein Gehalt als Profi bei 1860. Er galt nicht nur als bestbezahlter, sondern auch als beliebtester Gastarbeiter Deutschlands und schrieb schon 1965 seine Memoiren – die sich ebenfalls gut verkauften. International konnte er sich aber wegen seinem Dasein als Legionär und dem Verzicht der Nationalmannschaft auf ihn nie einen großen Namen machen, dazu war 1860 letztlich auch nicht präsent genug auf höchster europäischer Bühne.

Der moderne Torhüter

Bis heute gilt Radenkovic als einer der ersten Vertreter des modernen Torwarttypus. Er verband die klassische jugoslawische Fußballmentalität – eine hohe Polyvalenz, intelligenter und technisch versierter Fußball – mit seiner Torhüterposition. Zwar spielte in Europa schon vor ihm Gyula Grosics in den frühen 50ern als antizipativer Torhüter, doch er war mit Ball am Fuß nicht ansatzweise so stark wie der Jugoslawe.

Radenkovic selbst äußerte sich passend dazu:

„Da ist ein völlig falsches Bild entstanden. Das hatte nichts mit irgendeiner Gaudi zu tun. Ich habe damals einfach ein modernes Torwartspiel kreiert. Ich war schließlich in der Jugend Feldspieler und habe gelernt, dass man den Ball nicht einfach wegdrischt.“

Auch Sir Bobby Moore, der legendäre Kapitän von West Ham United und der englischen Weltmeisterelf von 1966, lobte Radenkovic:

„Als Fußballer und Techniker war er sicherlich besser als der Großteil meiner Mitspieler.“

Seine Spielweise sollte sich aber nicht wirklich durchsetzen, zumindest nicht in Deutschland. Doch in Europa gab es zahlreiche Nachahmer. Vom legendären Lev Yashin bis zu den Torhütern der großen niederländischen Mannschaften in den 70ern und 90ern. Die Ajax-Fußballschule konzentrierte sich auf derartige Torwarttypen, auch Barcelonas Fußballschule und die generelle Richtlinie des DFB präferieren nun solche Torwarttypen. Was Radenkovic bereits vor fünfzig Jahren verkörperte, wird erst heute langsam zum Standard. Damals wurde ihm noch der Weg zur Weltklasse beziehungsweise die Anerkennung derselben versperrt; durch Medien, merkwürdige sportpolitische Entscheidungen und ungünstige schicksalhafte Umstände.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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