In dieser Serie gehen wir auf einzelne Weltklassetalente ein, die auf dem Sprung standen – und ihn nicht schafften. Zumeist waren es persönliche Tragödien, Verletzungen oder einfach die Umstände ihrer Karriere: zur falschen Zeit am falschen Ort kann manchmal schmerzhaft wahr sein.
Wir lassen die Karrieren dieser Akteure Revue passieren, spekulieren über die mögliche Auswirkung ihres fehlenden Durchbruchs in der Geschichte des Fußballs und ein kleines „was wäre, wenn…?“ darf natürlich auch nicht fehlen. Immerhin besitzt für solche Spieler nahezu jeder Fußballfan noch eine schöne Erinnerung und jene fragende Wehmut, welche Erinnerungen man nicht alles verpasst hat.
In diesem Teil widmen wir uns …
Marinho Chagas
Als Nilton Santos in den 1950er und 1960er Jahren für die brasilianische Nationalmannschaft aktiv war, galt seine offensive Interpretation der Position des Linksverteidigers als taktische Revolution. Was bei ihm noch als extrem ungewöhnlich galt, wurde bei den Weltmeisterschaften bis heute ein gewisses Markenzeichen der „Selecao“: seine Nachfolger Junior, Branco oder selbstverständlich auch Roberto Carlos waren alle mit einem enormen Offensivdrang ausgestattet, der jedoch stets das Risiko von defensiven Stellungsfehlern mit sich brachte. Auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 sorgte Brasiliens Linksverteidiger Marinho Chagas für Aufsehen: zum einen wegen seiner Spielweise, zum anderen avancierte er aufgrund seines Aussehens zum Favoriten vieler weiblicher Fußballfans…
Ähnlich wie später bei Branco und Roberto Carlos lagen Marinhos Stärken eher im offensiven Bereich: neben seinen physischen Qualitäten (er war sowohl konditionsstark als auch antrittsschnell) schlug er genaue Flanken und besaß noch dazu einen wuchtigen Schuss (nicht umsonst lautete einer seiner Spitznamen „O Canhão do Nordeste“ – „die Kanone des Nordostens“) weshalb er auch mit Freistößen für Gefahr sorgen konnte. Er war allerdings nicht besonders zweikampfstark (weder in der Luft, noch am Boden) und auch sein Stellungsspiel war nicht immer souverän.
In einem Punkt ähnelte er allerdings besonders seinem Vorgänger Nilton Santos: beide spielten zwar als linker Verteidiger, waren jedoch Rechtsfüßer, sodass sie sich bei ihren offensiven Vorstößen zunächst den Ball auf ihren starken Fuß legen mussten, um dann zu flanken oder selbst abzuschließen.
Kometenhafter Aufstieg und tiefer Fall
Marinho Chagas, der am 8. Februar 1952 unter dem bürgerlichen Namen Francisco das Chagas Marinho in Natal geboren wurde, startete seine Karriere bei Riachuelo FC. Nach Stationen bei ABC Natal und Náutico wechselte Marinho 1972 zu Botafogo. In seiner Zeit bei Botafogo, die bis 1976 dauerte und somit die längste Karrierestation seiner Karriere war, erreichte Marinho seinen Leistungszenit und wurde auch zum Nationalspieler.
1975 wäre er allerdings fast zum FC Schalke 04 gewechselt (dessen Präsident Günter Siebert galt als großer Fan des Brasilianers und hatte Marinho bereits den Fans präsentiert), jedoch scheiterte der Transfer letztlich am Veto des Schalker Verwaltungsrates.
Ab 1977 wurde Marinho, ähnlich wie sein Nationalmannschaftskollege Dirceu zum Wandervogel, den es bei keinem Verein besonders lange hielt: von 1977 bis 1978 spielte er eine Saison bei Fluminense, eher er von 1979 bis 1980 ein Gastspiel in der NASL gab (unter anderem spielte er dort bei Cosmos New York mit Franz Beckenbauer zusammen). Eine letzte Hochphase erlebte Marinho von 1981 bis 1983 beim FC São Paulo, mit dem er die Staatsmeisterschaft von São Paulo gewann und außerdem 1981 zum zweitbesten Linksverteidiger der Liga gewählt wurde. Die letzten Jahre verbrachte er bei verschiedenen brasilianischen Vereinen, ehe er seine Karriere 1988 beim deutschen Kreisligisten BC Harlekin Augsburg ausklingen ließ.
Marinho Chagas in der „Seleção“
In der Nationalmannschaft sollte Marinhos Offensivdrang sowohl Segen als auch Fluch sein. Nachdem er am 25. Juni 1973 gegen Schweden erstmals für die „Seleção“ gespielt hatte, stand er auch 1974 im Kader seines Landes für die Weltmeisterschaft und absolvierte alle sieben Partien für sein Land.
In dem Spiel glänzte er zum einen durch seine Vorstöße nach vorne, bei denen er sich in die Angriffe mit einschaltete (ähnlich wie Paul Breitner im deutschen Team und Ruud Krol bei den Niederländern), aber deshalb jedoch manchmal seine Deckungsarbeit vernachlässigte.
Diese Leichtsinnigkeit führte im Spiel um Platz drei gegen Polen zum entscheidenden 0:1 durch Grzegorz Lato:
Marinho, der wie so oft mit nach vorne gestürmt war, spielte einen Fehlpass zu Zygmunt Maszczyk, woraufhin dieser den Ball zu Lato spielte. Dieser setzte zu einem Sprint über 40 Meter an, ließ dabei Brasiliens Innenverteidiger Alfredo stehen und schloss am Ende überlegt ab. Nach dem Spiel kam es noch im Stadion zu einer Auseinandersetzung zwischen Marinho und Brasiliens Torwart Emerson Leao, nachdem dieser Marinho vorgeworfen hatte, seine Abwehraufgaben zu vernachlässigen (dieser Streit hatte sich jedoch bereits in den vorherigen Wochen angebahnt).
Die Anschuldigung Leaos muss man jedoch unter zwei Gesichtspunkten betrachten: einerseits stimmt es, dass Marinho seine Gegenspieler nicht immer mit der nötigen Sorgfalt deckte (wie z.B. in jener bereits erwähnten Szene gegen Lato), andererseits kassierte die brasilianische Abwehr im gesamten Turnier nur vier Gegentore, woran auch Marinho seinen Anteil hatte. Dennoch sollte der Zwischenfall dazu führen, dass die WM 1974 der einzige Höhepunkt in Marinhos kurzer Länderspielkarriere bleiben sollte.
Leao, nach der WM neuer Kapitän der Brasilianer, sorgte mit seinem Einfluss dafür, dass Marinho aus dem Nationalteam heraus gedrängt wurde. Am 26. Juni 1977 sollte Marinho Chagas, zu diesem Zeitpunkt erst 25 Jahre alt, zum 36. und letzten Mal für Brasilien auflaufen.
Absturz nach der Karriere und Tod
Ähnlich wie andere brasilianische Fußballspieler, wie beispielsweise Garrincha oder Socrátes sollten Marinho sein Hang zum Alkohol und Feiern schließlich zum Verhängnis werden. Bereits während seiner letzten Karrierejahre hatte er Probleme mit Drogen und Alkohol, die er auch nach der Karriere nicht in den Griff bekam. Nachdem seine Versuche, als Trainer und Musiker Fuß zu fassen, scheiterten, arbeitete er unter anderem als Kommentator. Marinho, der in Folge seines extravaganten Lebensstils stark verarmt war, starb am 1. Juni 2014 im Alter von 62 Jahren an den Folgen seines langjährigen Alkoholkonsums. Die Weltmeisterschaft im eigenen Land, bei der er zum Botschafter seiner Heimatstadt Natal ernannt worden war, konnte er leider nicht mehr miterleben. Bis heute ist Marinho der einzige WM-Teilnehmer, den die Stadt Natal jemals hervorbrachte und wird in Brasilien, gerade wegen seiner außergewöhnlichen Spielweise, wohl nie vergessen werden…
Marcel Grün, abseits.at
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