Kilometerlange Sandstrände an der Atlantikküste, unzählige Flüsse im Hinterland, die atemberaubende Schönheit des Amazonas, der grünen Lunge der Erde – Ja, es gibt schon so einige Gründe, warum Brasilien ein schönes Land ist. Seit 1985 die Militärregierung vertrieben wurde mausert sich das an Bevölkerung fünftgrößte Land der Welt immer mehr zu einer wirtschaftlichen Großmacht.
Die präsidiale Republik (in etwa mit Frankreich vergleichbar) ist eine junge Demokratie und findet sich mehr und mehr als entscheidender Faktor in der Welt zu Recht. Entgegen dem internationalen Trend boomt die brasilianische Wirtschaft. Spätestens seit das Exekutivkomitée des Fußballweltverbandes FIFA die Weltmeisterschaft 2014 an das Land des fünffachen Weltmeisters vergab, boomt auch die dortige Liga fröhlich mit.
Die Geschichte des brasilianischen Ligensystems
Erst seit 1971 wird in Brasilien eine landesweite Liga ausgespielt. Die Meisterschaften der Bundesstaaten hatten davor und haben noch immer einen hohen Stellenwert. Seit 1917 fanden allerdings regelmäßig Turniere zwischen Bundesstaaten statt. Zwischen 1920 und 1936 traten die verschiedenen Staatsmeister in einem Turnier an und durften sich nach Gewinn dessen quasi als Landesmeister fühlen. Seit ab 1960 die Copa Libertadores (urspr. bis 1965 Copa Campeones de América) waren aber auch die Brasilianer gezwungen, einen Meister zu nominieren. Vor ’71 wurden verschiedene Pokalbewerbe Landesweit ausgetragen, der Taça Brasil von 1959 bis 1968 und das Torneio Roberto Gomes Pedrosa von 1967 bis 1970. Die Findung des Meisters war kompliziert, verschiedene Gruppen und ständig wechselnde Play-off-Systeme prägten die Frühzeit des brasilianischen Ligensystems. Auch die Teilnehmeranzahl variierte stark. Nahmen 1971 noch 20 Mannschaften teil, waren es 1979 derer 94! Auch der Name änderte sich bis 2001, als die Reform Richtung europäisches Ligensystem durchgeführt wurde, des Öfteren:
- Copa Brasil: 1975–1980
- Taça de Ouro: 1981–1983
- Copa Brasil: 1984–1986
- Copa União: 1987–1988
- Campeonato Brasileiro da Série A: 1989–1999
- Copa João Havelange: 2000
Seit 2001: Umbau Richtung Série A, B, C, D
Da es erst seit 1975 überhaupt eine Autoverbindung zwischen Rio de Janeiro und Santos (etwa 500 Kilometer) gab und das Land generell sehr groß ist, die zivile Luftfahrt auch ihre Zeit brauchte, um erschwinglich zu werden, dauerte es auch aufgrund des politischen Erwachsenwerdens, bis in Brasilien etwas „europäisches“ entstand. Mit 2003 war das Teilnehmerfeld auf 24 Mannschaften in der höchsten Spielklasse reduziert, es gibt Hin- und Rückrunden nach europäischem Vorbild. Unterhalb der Série A wurden im Laufe der Nullerjahre die Sérien B, C und D als landesweite Meisterschaften auf- und ausgebaut. Die erste Liga im Jahr 2011 hatte 20 Teilnehmer und lief von Ende Mai bis Dezember. Die ersten vier Mannschaften sind für die Copa Libertadores qualifiziert, die nächsten acht für die Copa Sudamérica und die letzten vier steigen ab. In den Wintermonaten werden die Bundesstaatsmeisterschaften ausgespielt.
Ersten zwei Spielklassen wie Europa
Während die zwei höchsten Spielklassen mit je 20 Mannschaften ähnlich wie in Europa ausgespielt werden, sind die Série C und D anders organisiert. In der vierthöchsten Spielklasse treten in einem Grunddurchgang je fünf Teams in acht lokalen Gruppen gegeneinander an, bevor in einer Finalrunde die Aufsteiger ausgespielt werden. In der Série C treten in vier Gruppen wieder je fünf Teams an in einem Grunddurchgang an, dann bilden sich nochmals zwei Gruppen. Die Sieger dieser spielen in einer Finalrunde die die Aufsteiger in die landesweite Série C aus. Alles in allem ist das System dem österreichischem nicht unähnlich. Wichtig ist: Erst die knapp zehn Jahre andauernde Ligareform ermöglicht eine Konzentration von Finanzkraft an der landesweiten, 40 Vereine umfassenden Spitze.
Rivaldo, Ronaldinho, Neymar, Naldo
Die sportliche und finanzielle Perspektive in Brasilien wird also aufgrund der Infrastruktur immer besser. Wurden 2006 noch um 30 Millionen Euro von den Vereinen der Série A für Transfers ausgegeben, so waren es 2011 weit über 100. Auch anhand einiger Transfers lässt sich belegen, wie attraktiv die heimische Meisterschaft für die Kicker vom Zuckerhut geworden ist. Rivaldo, Jahrgang 1972, kehrte erst 2010, im überreifen Alter von 38 Jahren in die Heimat zurück. Ronaldinho, Jahrgang 1980, kehrte Europa 2011 den Rücken, mit 31 Jahren. Jungstar Neymar will trotz guter Angebote, unter anderem von Real Madrid, gar nicht aus Brasilien weg. Und Bremens Naldo ließ unlängst mit der Aussage aufhorchen, dass er mit 29 in Brasilien bessere sportliche Perspektiven als in Europa sehen würde.
Sehnsucht nach der Heimat
Während in Europa das Financial Fairplay des europäischen Verbandes UEFA versucht, die Spielergehälter realistischer zu gestalten, gibt es in Brasilien, dem Land des leichtfüßigen Zauberfußballs, immer mehr zu verdienen. Klarerweise entscheiden sich derzeit also viele Spieler, entweder ganz in der Heimat zu bleiben oder noch im besten Fußballeralter um die 30 den besten Vertrag zu daheim zu ergattern. Die Vorteile sind vielschichtig. In Europa ist es für Europäer annähernd egal, in welcher Metropole sie spielen, die Flüge in die Heimatstadt dauern nur ein paar Stunden. Doch in Rio de Janeiro beispielsweise hat es über das Jahr gesehen über 20 Grad Celsius, kein Schnee, kein Herbst, kein Matsch, die Meeresluft. Schon einige Ballartisten aus Brasilien waren in Europa, entwurzelt, in einer anderen Welt, mehr als nur unglücklich.
Heimische Spieler als Mainstream?
Der große finanzielle Aufschwung im Profifußball Brasiliens kam natürlich mit der Vergabe der Weltmeisterschaft. Was danach kommt, bleibt dahingestellt. So manches Unternehmen will sich damit brüsten, viel zu einem möglichen Titel im eigenen Land beigetragen zu haben. Ob diese Investitionen über 2014 hinaus auf einem hohen Niveau bleiben, kann heute nicht gesagt werden. Ein Trend ist aber global zu beobachten: Die Vereine versuchen, vermehrt auf „local heroes“ zu setzen. Klar ist beispielsweise ein Franck Ribery „sexy“, aber ein Bastian Schweinsteiger ist eben besser. Dem Beispiel von Barcelona und La Masia folgend, versuchen mehr und mehr europäische Vereine, ihre Talente aus den eigenen Reihen zu holen. Dass das nur bedingt etwas mit Lokalpatriotismus, sondern auch mit finanziellen Ermäßigungen zu tun hat, ist klar. Der Torschützenkönig der WM 2002 Ronaldo kostete Real Madrid noch gut 45 Millionen Euro, der Schützenkönig der WM 2010, Thomas Müller, kostete Bayern München keinen Cent Ablöse!
Aussichten am Zuckerhut
Es bleibt also abzuwarten, was nach 2014 in Brasilien passiert. Zudem lassen sich immer wieder Trends beobachten. Lange Zeit „musste“ ein Team einen Brasilianer haben (wie derzeit in der Ukraine oder Russland), dann kamen die Balkankicker, dann die Ostkicker aus Tschechien, Polen oder Russland, derzeit sind es die Japaner. Dass die Künstler aus Brasilien vor 2014 ihre Vormachtstellung zurück erobern, ist ausgeschlossen. Ob es nach der Weltmeisterschaft wieder zu einer Invasion an Spielern aus der Série A kommt, ist wiederum nicht unwahrscheinlich. Es ist eben davon auszugehen, dass finanzielle Mittel wieder abgezogen werden.
Die Meisterschaft beim Rekordweltmeister ist mehr als nur auf Schiene. Bis 2014 wird sich daran nichts ändern. Darüber hinaus sind Expertisen zu gewagt, denn das junge Land muss den ballesterischen Turbokapitalismus auch erst einmal vertragen. Finanzielle Troubles wirken vorprogrammiert. Und ob dann die Leistungsträger um die 30 so schnell zurückgehen oder die Youngsters nicht doch nach Europa gehen, steht gar nicht so unklar in den Sternen. Denn die kalten und nassen europäischen Winter sind fernab der Heimat mit einem fetten monatlichen Scheck dann doch wieder erträglich.
Georg Sander, abseits.at
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Georg Sander
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