Die Achterbahnprofis – Die wechselhaftesten Karrieren der Fußballwelt (7) – Arjen Robben
Weitere Länder 31.Mai.2014 Marie Samstag 2
In dieser Serie wollen wir euch Porträts von Spielern liefern die außerordentliche Karrieren hingelegt haben. Natürlich gibt es in keinem Leben nur Höhen oder Tiefen, nachfolgende Herren mussten aber besonders harte Schicksalsschläge parieren oder erlebten seltene Glücksmomente. Wir gehen auf einmalige Lebensgeschichten ein, die exemplarisch für viele Sportler stehen sollen. Folgenden Profis durfte beim Achterbahnfahren nicht übel werden: Sie mussten mit Problemen kämpfen, hatten einmaliges Talent, konnten sich ihre Laufbahn hart erarbeiten oder wurden von Glücksgöttin Fortuna reich beschenkt. Wer warf seine überragende Begabung gar über Bord oder erlebte trotz Topform ein Unglück nach dem anderen? Wer hatte Startschwierigkeiten oder konnte den Versuchungen eines privilegierten Lebens nicht widerstehen? Der siebente Teil unserer Serie behandelt…
Arjen Robben – Nicht einfach, aber einfach gut
Manchmal könnte ich aus der Haut fahren, wenn ich ihn sehe. Es scheint so, als ob ich immer genau dann den Fernseher aufdrehe, wenn Arjen Robben nicht seinen besten Tag erwischt. Der schnelle Niederländer beackert zwar immer tüchtig die rechte Seite von Bayern München, läuft aber manchmal wie in einer Endlosschleife gegen die Wand. Entweder bleibt der Flügelspieler wiederholt an einem Gegenspieler hängen oder er verschießt grandios ruhende Bälle. Wenn aber die Sonne scheint, ist Robben einer der besten Spieler der Welt. Davon weiß besonders Borussia Dortmund ein Lied zu singen. Ein guter Robben macht in einem Spiel den Unterschied aus und die Vergangenheit hat gezeigt, dass auch ein schlechter Robben dies tut: Zweimal vergibt er in einem „Finale“ (Einmal im CL-Endspiel gegen Chelsea, einmal im entscheidenden Match um die Meisterschaft) einen Elfmeter und schießt im Gegenzug dann wieder „Golden Goals“, wie das 1:0 im deutschen Pokalfinale 2014. Ein Jahr zuvor sorgt der 30-jährige für den CL-Sieg der Münchner, als er in der Nachspielzeit noch das entscheidende Tor schießt und zum wiederauferstandenen Helden nach dem Tragikfinale „Dahoam“ wird. Fügung des Schicksals. Robben, der kontroverse Kicker an der Isar: Ein genialer Dribbler und schneller Flügelspieler und doch durchleidet er in wichtigen Phasen Torsperren (Welche Tiere schießen keine Tore? Robben), ist verletzungsanfällig oder macht sich durch Schwalben unbeliebt (Auch diese Vögel erzielen keine Treffer).
Sei doch so wie damals
„Ich habe immer gedribbelt, gedribbelt, gedribbelt. Mit vier habe ich bei einem Klub angefangen.“, erinnert sich der dreifache Familienvater an seine Jugend im Norden der Niederlande. Die Gemeinde Bedum mit knapp 10.000 Einwohnern ist „Bilderbuch-Holland“, findet zumindest die TZ München: Nordsee-Luft, alte Fahrräder, schmucke Backsteinhäuser und grüne mit Windmühlen gespickt Wiesen. Auch Arjen, der hier mit seiner Schwester aufwächst, ist ein Niederländer, wie er im Buche steht: Bescheiden, höflich und gut erzogen. Noch heute erinnern sich alle gerne an den berühmtesten Sohn der Stadt, der jetzt prominenter als der schiefe Kirchturm von Bedum ist.
Im Garten des elterlichen Hauses kickt Arjen seine ersten Bälle. Er begeistert sich außerdem für Schach und Tennis, doch im Fußball zeigt sich sein größtes Talent: „Er nahm sich den Ball, lief an allen vorbei, schoss ein Tor. Die anderen machten Anstoß, er holte sich den Ball – Tor. Und das Gleiche wieder von vorne. Er war genial. Das Schönste war aber: Er bildete sich nichts darauf ein.“, berichtet Robbens Volksschullehrer. Dieselbe Spielweise wird dem schnellen Flügelspieler Jahre später große Erfolge, aber auch große Kritik einbringen. Selbst in der eigenen Mannschaft ist sein egoistischer Stil nicht unumstritten. Bei Kabinenzwisten mit Thomas Müller oder Franck Ribéry bekommt er sein Fett weg. Damals in Bedum trägt diese offensiv-orientierte Spielweise mangels gleichstarker Gegenspieler noch reichlich Früchte, so wird der örtliche Verein für den Kicker bald zu klein und er wechselt als Zwölfjähriger ins 15 km entfernte Groningen. Beim FC Groningen debütiert er vier Jahre später in der Eredivisie. In seinem Heimatort kann man ihn gar nicht vergessen: Noch heute schneidet der seit 2013 existierende Nachfolgeverein SV Bedum bei jedem Wechsel 0,25% der Ablösesumme als Ausbildungsentschädigung für den 1,80 Meter großen Offensivspieler mit. Ein ganz schönes Sümmchen.
Eins und Eins
2002 jagt ganz Holland das neue Supertalent. Nach 47 Einsätzen in der obersten holländischen Spielklasse ist es für Robben Zeit den nächsten Schritt zu tun. Sein linker Fuß ist fantastisch, der rechte noch kaum in Gebrauch. Der damals 18-jährige muss sich dringend weiterentwickeln und wird –damals wie heute- von seinem Vater in Sachen Klubwechsel beraten. Hans Robben zählt eins und eins zusammen, als Arjens Name auf dem Vertragsformular von Ajax Amsterdam falsch geschrieben ist. Der Sportlehrer erkennt, dass dieser Klub wohl nicht der richtige für seinen Sprössling sei. Schon während Robbens Jugendzeit rittern Ajax und Feyenoord um seine Dienste, doch die Eltern wollen zunächst, dass er seine Schulausbildung abschließt. Guus Hiddink macht ihm als Trainer den Wechsel zum PSV Eindhoven schmackhaft. 4,30 Millionen Euro überweisen die Rot-Weißen für den Offensivspieler an den FC Groningen, nur zwei Jahre später wird er um mehr als das Vierfache der Summe zu den „Blues“ in die Premier League wechseln. Schon beim PSV zeigt Robben beeindruckende Dauerläufe und holt in seiner ersten Saison die Meisterschale. Im zweiten Jahr muss er aber wegen muskulärer Probleme lange Zeit passen. London calling – heißt es dann für den Niederländer. Chelsea buhlt um den Offensivspieler und dieser schlägt auch dort wie eine Bombe ein.
In seiner ersten Spielzeit harmoniert er gut mit Damien Duff. Die Karten des Iren, der vor Robbens Verpflichtung bevorzugt links eingesetzt wurde, scheinen nicht allzu gut zu sein, als mit dem Ex-PSV-Kicker ein neuer Spieler auf dieser Position verpflichtet wird. Doch „The Special One“ lässt beide als Flügelzangen auflaufen und sie dabei häufig die Seite wechseln. Trotz einer Mittelfußverletzung hat der Holländer seinen Anteil am Gewinn der Meisterschaft (die Erste für Chelsea seit 1955), in der Saison 2005/2006 kann dieser Erfolg wiederholt werden. „In Eins-gegen-eins-Situationen ist Arjen einer der besten Spieler der Welt. Er hat ein ungeheures Tempo, behält dennoch den Überblick, und auch sein finaler Pass stimmt.“, lobt Mourinho seinen Flügelstürmer. Vater Robben, der dem Transfer einst skeptisch gegenüberstand, ist beruhigt: Zweimal die Meisterschaft, 2007 dann der FA-Cup – Robben im Glück. Jetzt wird ein richtig dicker Fisch auf den Holländer aufmerksam: Real Madrid will den Nationalspieler nach Spanien locken.
Im Sommer 2007 unterschreibt der Kicker bei den „Königlichen“. Gerüchten zufolge, ist er die „billigste“ Lösung neben den Wunschspielern Cristiano Ronaldo und Cesc Fabregas und wird daher von den Fans nur skeptisch willkommen geheißen. Trotzdem spielt er bald regelmäßig auf der linken Seite und verschafft sich aufgrund seiner Tempodribblings Respekt in „La Liga“. Kleine Verletzungen an Oberschenkel, Wade und Sprunggelenk machen ihm aber auch auf der iberischen Halbinsel zu schaffen. Die Madrilenen werden Meister und Robben hat am Ende der Saison 21 Einsätze zu Buche stehen. Unter Juande Ramos wird der holländische Flügelspieler ein Fixstarter bei den Weißen, doch Real scheitert 2009 in der Endphase der Meisterschaft beim Versuch Barcelona noch einzuholen. Florentino Pérez kandiert erneut erfolgreich für das Präsidentenamt bei Real und spürt die Unzufriedenheit in der Anhängerschaft. Der Unternehmer aus Madrid will jetzt wie einst um die Jahrtausendwende eine zweite „Galaktische Ära“ einläuten. Damals brachte Pérez Stars wie Beckham oder Zidane zu den „Königlichen“, 2009 holt er Cristiano Ronaldo, Kaká, Karim Benzema, Raúl Albiol und Xabi Alonso nach Madrid. Für Robben und seinen Landsmann Sneijder ist so kein Platz mehr im „weißen Ballet“. Sneijder zieht es nach Italien, Robben hört vom Interesse der Bayern. Kurioserweise gewinnt Sneijder ein Jahr später mit Inter Mailand die Champions League, sein Freund Robben steht ihm dabei im Finale gegenüber.
Von nun an ging‘s bergab … oder so
Bei Madrid hat man ihn für die nicht erfolgreiche Saison zum Teil verantwortlich gemacht, bei Bayern beginnt Robbens Auf-und-Ab richtig Fahrt aufzunehmen. Die Real-Fans hätten ihn gerne behalten, über 90% geben bei einer Umfrage von „Marca“ an, dass sie sowohl Robben als auch Sneijder gerne länger bei den „Königlichen“ gesehen hätten. „Bayern ist ein Familienverein.“, sagt der Niederländer ein Jahr später über seinen neuen Arbeitgeber. Die „Roten“ haben Vertrauen in ihn und statten ihn im August 2009 mit einem Vierjahresvertrag und der Nummer 10 aus. Im September macht er sein erstes Pflichtspiel für die Bayern und erledigt Wolfsburg mit zwei Treffern quasi im Alleingang. Kurz danach muss er pausieren: Das Knie schmerzt. Robbens Krankenakte beginnt sich ab diesem Zeitpunkt merklich zu füllen. Kapseleinriss, muskuläre Probleme,die linke Wade tut weh, dann die rechte, übers Schambein wandert der Schmerz zur Leiste, sogar Fleisch- und Rissquetschwunden zieht sich der Nationalspieler bis zum heutigen Tag zu. Wenn er spielt, sorgt er für geniale Momente und ist oft das Zünglein an der Waage. Aber manchmal klappt es einfach nicht. Der Bub aus Bedum spielt mittlerweile gegen Weltklasse-Verteidiger und seine Sololäufe gehen daher manchmal ins Leere. Davon ist in seiner ersten Saison aber zunächst nicht viel zu sehen. Der gebürtige Holländer fühlt sich sehr wohl und wird 2010 als erster Niederländer in Deutschland zum Fußballer des Jahres gewählt.
2010 scheitert er bei der WM in Südafrika mit den Oranje erst im Finale an Spanien. Der übermotivierte Flügelspieler kickt die ganze WM trotz Muskelfaserriss durch, als der Alltag an der Säbener Straße losgeht, verordnet ihm der Bayern-Teamarzt daher sofort Trainingsverbot. Die FCB-Bosse sind verärgert, Robben muss die ganze Wintersaison pausieren. Die Bayern kämpfen in der Rückrunde noch um Platz 3 und können diesen auch Dank der Leistungen des Mittelfeldspielers erreichen. International heimst der Familienvater wieder jede Menge Lob ein, doch schon im Juli folgt mit der nächsten Verletzung der nächste Rückschlag.
Der Holländer schlittert in eine Spirale, die sich auch darin äußerte, dass ihm nicht immer alles gelingt. Thomas Müller wird es zu viel. Während einem Ligaspiel gegen Bremen gestikuliert er wild und macht seinem Offensivkollegen klar, was er von seinen scheiternden Soloversuchen hält. Robben greift dem Oberbayern nach dem Schlusspfiff an den Hals, es entwickelt sich ein kleiner Tumult. Intern ist die Sache rasch erledigt, doch Robbens Eigensinn, der für geniale Momente sorgt, aber nicht immer das probate Mittel ist, beginnt zu stören. Da spielt es den Kritikern in die Karten, wenn der kahlköpfige Flügelspieler im „Psychoduell Strafstoß“ patzt: Mit einem verwandelten Elfer hievt er die Bayern beispielsweise gegen Real ins CL-Finale 2012, dort vergibt er aber einen Penalty gegen Chelsea. Erboste Bayern-Anhänger pfeifen ihn daraufhin aus. „Im Fußball geht es zumindest sehr opportunistisch zu. Du bist ganz oben und am nächsten Tag ganz unten. Ich kenne das jetzt seit Jahren, aber es ist oft immer noch komisch und unschön.“, erkennt der Angreifer seine Situation.
Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass Robben und sein Ex-Trainer Van Gaal nicht die beste Freunde waren. Auch mit dessen Nachfolger Jupp Heynckes hat Robben später Probleme, doch diese sind eher sportlicher Natur. Unter Heynckes spielt Müller rechts, Kroos gibt den 9 ½, Robben sitzt verletzt draußen. Als der „Mann aus Glas“ im Frühjahr 2012 wiederzurückkommt, ist er frustriert. Wenn seine Aktionen ins Leere gehen, beteiligt er sich nicht an der Defensivarbeit, sondern bleibt wie ein bockiges Kind stehen. Kritik hallt durch die Bundesliga. Mangelnde Innovation wird dem Superstar des FCB vorgeworfen, für andere ist die Kritik am Holländer vorschnell. „Arjen und Franck, das sind Individualisten, keine Führungsspieler. Man darf solche Leute nicht überfrachten. Sie haben ihre Rolle. Sie genießen aber einen sehr hohen Stellenwert.“,urteilt Sammer nach dem erfolgreichen Triple-Sieg 2013. Auch Ribéry musste sich Kritik gefallen lassen, wenn er Formschwankungen durchleidet. Zeitweise hat sich die Flügelzange „Robery“ nicht in Grün – weder am Platz, noch außerhalb davon. Robben selbst denkt im Herbst 2012 offen über Rücktritt nach: „Ich wollte meine Fußballschuhe abgeben und Schluss machen. Ich habe eine ganze Litanei von Verletzungen bis an die Decke. Das macht mich manchmal sehr traurig.“
Für mich soll’s rote Rosen regnen
Doch die Saison 2012/2013 wird für die Münchner die Erfolgreichste der Vereinsgeschichte. Im CL-Finale wird Arjen Robben „from zero to hero“ oder so ungefähr: Gut war er ja immer, doch dieses Mal ist er der entscheidende Mann am Platz. Kurz vor Ende der Nachspielzeit markiert der oft gescholtene Kicker den Siegtreffer zum Gewinn der Champions League gegen den Ligarivalen Dortmund. Aggressiv blickt er nach dem Torjubel ins Publikum, so als wolle er jenen, die ihn schon abgeschrieben haben, sagen: „So sieht‘s aus!“ Die glatzköpfige Nummer 10 krönt sich und die Bayern zum Triple-Sieger. Die Verteidigung dieser Titel gelingt 2014 nur zu zwei Dritteln, doch auch im Pokalfinale wird aus Arjen wieder der „Borussenjäger“. Nach einem nicht gegebenen, regulären Treffer der Dortmunder, mimt Robben den Flankenabnehmer und netzt in der 106. Minute nach Boateng-Zuspiel zum 1:0. Müller besorgt anschließend den Endstand und Robben ist (mit dem FC Bayern) zum dritten Mal deutscher Pokalsieger.
Arjen Robben – wieder einmal das Liebkind der Bayern. Er selbst geht gut mit den „Stimmungsschwankungen“, die ihm entgegen strömen, um: „Ich weiß, Egoismus gehört zu mir dazu. Aber es muss nicht immer die Robben-Show sein. Ich weiß, dass ich manchmal schieße, wenn ich passen sollte.“
Die Erklärung ist einfach und logisch: Robbens Engagement in Eins-zu-Eins-Situation ist sowohl seine Stärke als auch seine Schwäche. Natürlich muss der Holländer trotzdem öfters den besser postierten Mitspieler anspielen und auch defensiv kräftig mithelfen. Seine markanten Dauerläufe darf er aber nie einstellen und so zum braven Passgeber werden, er würde sich sonst seiner wichtigsten Waffe im Angriffspiel berauben. Und da wir alle keine funktionierenden Kristallkugeln besitzen, können wir im Vorhinein nie sagen, wann und wie oft Robben seine Duelle gewinnen wird. Fest steht, immer muss der Niederländer die Verteidiger sowieso nicht überspielen, nur immer wieder einmal. Zum Beispiel in einem CL-Finale.
Marie Samstag, abseits.at
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