Die Weiterentwicklung des FC Porto unter Coach Julen Lopetegui
Weitere Länder 16.Oktober.2014 Rene Maric 0
Seit 2004 startet Porto jedes Jahr als Geheimfavorit in die europäischen Pokalwettbewerbe. Sie gelten als taktisch gut, spielerisch ansehnlich und sind mit ihren herausragenden Einkäufen aus Südamerika sowie der sehr guten Ausbildung der jungen Spieler in ihrem Kader Vorbild für viele andere Mannschaften in Europa. Fast jeden Sommer wechselt einer der besten Spieler für Millionensummen in eine größere Liga. Dieses Jahr fällt einem spontan kein Riesentalent aus dem Kader ins Auge – doch das Kollektiv funktioniert besser denn je.
Formative Flexibilität im Pressing
Nominell formiert sich Porto gegen den Ball in einem 4-1-4-1. Aus diesem 4-1-4-1 entstehen aber variabel unterschiedliche Staffelungen. Sowohl die Flügelstürmer als auch die Achter können aufrücken. Dabei schieben manchmal die ballnahen Spieler nach vorne, häufig versuchen die Achter Rückpässe abzufangen oder zu pressen und gelegentlich stehen beide Flügelstürmer höher, damit sie den Mittelstürmer beim Pressen auf die Innen- und Außenverteidiger unterstützen können.
Dadurch entstehen 4-1-3-2, 4-1-2-3 und 4-4-1-1-Formationen. Diese positionelle Freiheit ermöglicht es ihnen gegnerische Aufbaubewegungen situativ anders zu pressen und die idealen Pressingabläufe zu finden, um maximalen Druck auf den Gegner auszuüben. Allerdings sind sie hierbei trotz unleugbarer Qualitäten nicht immer konstant.
Gute, aber nicht perfekte Kompaktheit und Intensität
Entscheidend beim Pressing sind nämlich nicht nur die Formation und das Abrufen sauberer Abläufe, sondern die Kompaktheit in den Abständen und die Dynamik im Attackieren des Gegners. Porto hat zwar eine gute Kompaktheit in alle Richtungen, ist hier aber gelegentlich anfällig, insbesondere wenn sie ihre Formation im Pressingverlauf verändern. Dadurch passen die Abstände nicht immer, wodurch sie beim Verschieben nicht immer den nötigen Druck aufbauen und einige Räume offen lassen.
Dies ist aber vorrangig gegen technisch sehr gute Mannschaften problematisch. Gegen die meisten Teams sollten ihre flexible Formation, die grundlegend passende Intensität und die vorhandene Kompaktheit in simpleren Situationen zu Erfolg führen. Ähnlich verhält es sich auch in eigenem Ballbesitz.
Freie Bewegungen im Aufbauspiel
Auch beim eigenen Spielaufbau haben die drei zentralen Mittelfeldspieler eine freie Positionsfindung. Meistens beginnen sie – wie im Pressing – in einem 1-2; der zentrale Sechser agiert nahe an den beiden Innenverteidigern, bietet sich vor ihnen oder auch in den Halbräumen an, kippt situativ ab und versucht sie zu unterstützen. Presst der Gegner aber sehr aggressiv oder stellt den Sechserraum zu, dann sind auch andere Rollenverteilungen im zentralen Mittelfeld möglich.
Einer der beiden Achter kann sich dann zurückfallen lassen und besetzt den Halbraum. Er bietet dadurch den beiden Innenverteidigern nicht nur eine zusätzliche tiefe und seitliche Anspielstation, sondern ermöglicht dem Außenverteidiger auf dieser Seite auch eine höhere Position. Meistens geht der zweite Achter in die Nähe dieses Außenverteidigers oder besetzt den Zehnerraum, wodurch Porto nicht nur dank dieser Staffelung besser aufbauen, sondern auch effektiver lange Bälle diagonal auf die Seite spielen kann, wohin zusätzlich der Mittelstürmer ausweicht.
Bei betont ruhigem Aufbauspiel und einem sehr hoch pressenden, aber eher leitenden Gegner kommt sogar der dritte Achter tief. Dann steht Porto also nicht mehr in einer 1-2 oder 2-1-Staffelung im zentralen Mittelfeld, sondern einer 3-0-Formation. Sie haben dann direkt drei Spieler vor den beiden Innenverteidigern, sind sehr präsent und locken den Gegner nach vorne. Neben den nun beidseitig aufrückenden Außenverteidigern können auch die Flügelstürmer einrücken und lange Bälle in den offenen Zwischenraum können gut verarbeitet werden. Dieses Öffnen von Räumen, um dann mit Dribblings weiträumig zu agieren, gibt es aber nicht nur in diesen Situationen.
Provozierte 1-gegen-1-Situationen im zentralen Mittelfeld
Mit Brahimi, Quintero, Quaresma, Oliver, Jackson Martinez und mit Abstrichen Adrian, Hector Herrera und Casemiro haben sie vergleichsweise viele dribbelstarke Akteure auf den Flügeln und im Zentrum. Diese Fähigkeit versuchen sie zu nutzen, um nach einem erfolgreichen Dribbling Überzahl zu erzeugen und Zonen zu überladen. Taktisch bereiten sie diese Dribblings dadurch vor, indem sie das Spiel extrem breit und tief machen. Dadurch soll es möglichst viel offenen Raum zentral geben, der dann für Raumdribblings genutzt wird.
Neben den einrückenden Flügelstürmern – was bekanntlich ein gängiges Mittel darstellt – sind es bei Porto oftmals der Sechser und die Achter, welche sich gegen ihre Gegenspieler mit Dribblings durchsetzen wollen. Diese Spielweise ist überaus unorthodox und riskant, kann aber bei erfolgreicher Umsetzung für schnelle Präsenz mit zahlreichen Akteuren nahe am gegnerischen Strafraum sorgen. Das ist umso gefährlicher, wenn der Raum extrem weit in alle Richtungen enorm geöffnet wird und einer der zentralen Mittelfeldspieler den Ball im Dribbling erfolgreich behaupten kann. Dann ist nicht nur die Zone überladen, sondern der zentrale Spieler kann schnell und einfach nach vorne rücken. Desweiteren hat er zahlreiche Möglichkeiten in der Bewegung und im Passspiel, wodurch die Stürmer besser in den Angriffsabschluss integriert werden können. Dies ist aber oftmals das größte Problem bei Porto.
Geringe Erfolgsstabilität in der Durchschlagskraft
Brahimi, Quintero und Jackson Martinez sorgen über die Flügel häufig für gewonnene Dribblings und direkte Abschlüsse aus den seitlichen Zonen aufs Tor, doch diese Schlenzer sind nur mittelmäßig effektiv. Ziehen sie aber nicht invers in die Mitte, sondern brechen entlang der Seite durch, kommen zu viele Flanken, die wegen mangelnder Präsenz, unpassender Spielertypen und natürlich der generellen Ineffizienz von Flanken nicht verwertet werden können.
Wenn Porto aber mit hoher Präsenz im letzten Drittel, Vertikalläufen von den Achtern und Sechsern, sowie hohen hinter- und vorderlaufenden Außenverteidigern agiert, dann ist dieses Problem nur situativ gegeben. Schaffen sie es diese Spielweise konstant abzurufen und ihre Hereingaben von der Seite flach in den Rückraum zu spielen, dann könnten sie diese Saison womöglich bis ins Viertelfinale vorstoßen – und dort für eine Überraschung sorgen. Doch die Saison ist noch jung und der Kader unerfahren.
Fazit
Porto mag zwar nur eine unscheinbare Mannschaft aus der schwächeren portugiesischen Liga sein, doch einmal mehr haben sie ihre Hausaufgaben gemacht. Julen Lopetegui als Trainer war ein guter Griff: Er hatte zwar bislang erst Erfahrungen unterhalb der ersten Liga (Rayo Vallecano 2003, Real Madrid B 2008/09) und als Jugendtrainer von Spanien, doch er ist eindeutig fachlich kompetent. Das Positionsspiel und Pressing sind spanisch geprägt, desweiteren konnte der ehemalige Torhüter Riesentalent Oliver und weitere gute spanische Spieler wie Adrian, Marcano und Tello zu einem Wechsel zum FC Porto bewegen. Herrera, Quintero, Brahimi und das brasilianische Außenverteidigerduo Danilo und Alex Sandro sind weitere sehr gute Spieler in diesem Kader, der in den nächsten Monaten und Jahren durchaus für den einen oder anderen Achtungserfolg auf internationaler Bühne sorgen könnte.
René Maric, www.abseits.at
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