Nachdem wir uns zuvor dem Verein und den Erfolgen von FH Hafnarfjörður annahmen, werfen wir nun einen detaillierten Blick auf die Mannschaft des isländischen... Ein Außenseiter, der mitspielen will: Das ist die Mannschaft von FH Hafnarfjörður

Taktik, Theorie, TaktikboardNachdem wir uns zuvor dem Verein und den Erfolgen von FH Hafnarfjörður annahmen, werfen wir nun einen detaillierten Blick auf die Mannschaft des isländischen Meisters. Diese zählt insgesamt drei Legionäre – allesamt aus England – und gilt ansonsten eher als routiniert, wenn auch technisch nicht hochkarätig.

Der Torhüter

Die neue Nummer Eins im Tor von FH ist Róbert Örn Óskarsson. Der 26-Jährige war in den letzten Jahren Stammkeeper in der zweiten isländischen Liga, letzte Saison Ersatz bei FH und ist seit neuestem der klare Einser im Team. Óskarsson ist allerdings ein fehleranfälliger Keeper, der Probleme mit seinem Timing hat – sowohl beim Herauslaufen, als auch bei Flanken. Auf der Linie zeigt er immer wieder Top-Leistungen, das Gesamtpaket ist aber eindeutig unterdurchschnittlich.

Der Ersatzmann ist ein FH-Urgestein. Dadi Lárusson spielte zuletzt drei Jahre für Haukar, davor aber seine gesamte Karriere bei FH. Mittlerweile ist der Haudegen aber schon 40 Jahre alt und dürfte heuer seine letzte Saison als Keeper bestreiten. Lárusson hat momentan keine Chance auf Einsätze in der ersten Elf.

Die Innenverteidigung

In der zentralen Abwehr ist der junge Brynjar Ásgeir Gudmundsson gesetzt. Der 21-Jährige ist eigentlich gelernter Mittelfeldspieler, erwies sich aber in der Innenverteidigung als guter Spieleröffner. Schon im Alter von 17 Jahren war er Teil der Kampfmannschaft, aber erst 2012 absolvierte er seine ersten Partien. In der laufenden Saison etablierte sich der kopfballstarke Defensivmann praktisch als Abwehrchef. Gudmundsson spielt eher einfache Pässe und oft in die Breite oder kurz nach vorne zu entgegenkommenden Mittelfeldspielern, dadurch aber häufig fehlerfrei. Er übernimmt den bedächtigen Part in der Innenverteidigung.

Als etwas extrovertierter kann man hingegen Gudmann Thorisson bezeichnen. Der 26-Jährige ist ähnlich wie Gudmundsson ein sehr vielseitiger Kicker, der auch im defensiven Mittelfeld eingesetzt werden kann. In der Defensive ist der ehemalige Norwegen-Legionär (er spielte zwei Jahre für Zweitligist Nybergsund) der unsichere Part, der immer wieder Stellungsfehler macht, häufig das Abseits aufhebt. Dafür ist Thorisson offensiv eine gefährliche Waffe und bei Standardsituationen immer wieder für einen gefährlichen Kopfball gut.

FH verfügt in der Innenverteidigung über zwei weitere Alternativen: Pétur Vidarsson spielte etwa beim Auswärtsspiel gegen Ekranas in der Abwehr, beim Heimspiel dafür als Sechser in einem 4-3-3. Vidarsson gilt als verlässlicher Kämpfer, allerdings ist der Ball nicht gerade sein Freund. Der 25-Jährige ist eher ein Spieler, der als unangenehmer Leibgendarm für einen gegnerischen Starspieler abstellbar ist. Auch er ist bei offensiven Standards gefährlich.

Angesichts dessen, dass auf internationaler Bühne Routine gefragt ist, ist der 36-jährige Freyr Bjarnason mehr als nur eine Alternative. Der 193cm große Abwehrspieler spielt bereits seit 2000 bei Hafnarfjörður und wurde immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen, wodurch seine Entwicklung stockte. Gegen die Austria ist es aber im Rahmen des Möglichen, dass Bjarnason neben Gudmundsson in der Innenverteidigung aufgeboten wird. Dies wäre eine sehr sichere und defensiv orientierte Variante.

Die Außenverteidigung

Während die Innenverteidigung einige Fragen aufwirft, sind die Außenverteidigerpositionen klar und deutlich vergeben. Links spielt der Engländer Sam Tillen, der im Nachwuchs sogar für den FC Chelsea spielte. Nach drei Jahren in Brentford und fünf Jahren bei Fram Reykjavik wechselte der 28-jährige Linksfuß im Frühling zu FH. Tillen ist ein laufstarker und durchaus modern agierender Außenverteidiger, der einerseits zwei- bis dreimal überspielt werden muss, wenn man an ihm vorbei will, andererseits aber seine Schnittstelle zur Innenverteidigung nicht immer gut im Griff hat. Er gilt als einer der besseren Fußballer im Team.

Als Rechtsverteidiger ist seit dieser Saison Jón Ragnar Jónsson gesetzt. Der 27-Jährige ist ein Spätzünder, spielt bereits seit 3 ½ Jahren für Hafnarfjörður, kam aber bis zur laufenden Saison nicht über Kurzeinsätze hinaus. Jónssons Vorteil ist, dass er besser zur Mitte einrückt als Tillen, zumal er ein gelernter Innenverteidiger ist und Tillen eigentlich linker Mittelfeldspieler. Vor Jónssons fußballerischen Fähigkeiten muss man aber keine große Angst haben.

Die Ersatzleute: Gudjon Árni Antoníusson (29) ist momentan verletzt, der Engländer Danny Thomas (32) spielt in der laufenden Saison keine Rolle mehr, nachdem er in der Vorsaison phasenweise Stammspieler als linker Verteidiger war. Der junge Bödvar Bödvarsson kam bisher erst zu einem einzigen Kurzeinsatz…

System und Aufteilung im Mittelfeld

Hafnarfjörður ist auch deshalb schwer zu analysieren, weil die Mannschaft eine Vielzahl an Systemen praktiziert. In der isländischen Liga läuft die Mannschaft von Trainer Heimir Gudjonsson gelegentlich mit einer Dreierkette auf, spielt mal im 4-4-2, mal im 4-3-3, dann sogar in einer Art 3-3-4. Man muss sich jedoch am ehesten auf ein 4-4-2-System einstellen, in dem die zentralen Mittelfeldspieler durchaus offensive Posten einnehmen. FH ist keine typische Außenseitermannschaft die mauert, sondern will Tore schießen.

Spielt das Team in einem 4-3-3-System, dann ist zumeist der biedere Abwehrspieler Vidarsson der zurückschiebende Sechser. Betrachtet man die Flügel nicht als typische Stürmer, sondern als tiefer spielende Mittelfeldspieler, wäre das 4-3-3 Hafnarfjörðurs eher als 5-4-1 zu bezeichnen. In einem 4-4-2-System sind die beiden zentralen Mittelfeldspieler zumeist Achter, die einen großen Aktionsradius aufweisen. Einer der beiden Stürmer antizipiert stark, die Flügel rücken stark ein, um die Zentralachse zu stärken. So steht Hafnarfjörður nicht gezwungenermaßen tief, macht das Mittelfeld aber im Zentrum recht massiv.

Das zentrale Mittelfeld

Der wichtigste Spieler in der Zentrale ist Björn Daniel Sverrisson. Der 23-Jährige ist eigentlich ein Zehner, der jedoch aufgrund des allgemein unausgewogenen, weil insgesamt sehr offensiven Kaders von FH, etwas weiter hinten spielt. Sverrisson ist in seiner Grundanlage als Achter zu bezeichnen, der Auge für seine Mitspieler hat, gute Distanzschüsse abgibt und starke Standards tritt. Der ehemalige Nachwuchsnationalspieler Islands ist praktisch der „Star“ im Team und Taktgeber im Mittelfeld bei Ballbesitz.

Den zweiten Platz im zentralen Mittelfeld könnte der 20-jährige Kristján Gauti Emilsson einnehmen. Der U21-Teamspieler stand 2 ½ Jahre im Kader der Liverpool Reserves und ist eigentlich ein offensiver Mittelfeldspieler, der aber in England zu einem Box-to-Box-Player umfunktioniert wurde. Emilsson verfügt ebenfalls über eine gute Übersicht, ist schnell und technisch gut. Neben Sverrisson würde er die Rolle eines gleichberechtigten Achters spielen, allerdings ist der drei Jahre ältere Sverrisson im Defensivspiel stabiler. Emilsson kann auch im rechten Mittelfeld aufgeboten werden, was gegen die Austria realistisch scheint.

Etwa dieselben Chancen wie Emilsson hat der junge Emil Pálsson. Wie Emilsson ist auch Pálsson 20 Jahre alt und aktueller U21-Teamspieler Islands. Auch er ist eigentlich ein offensiver Mittelfeldspieler, der jedoch in den letzten Jahren immer stärker zurückgezogen wurde. Pálsson hat einen markanten Zug aufs Tor und tritt auch immer wieder als Einfädler auf den Plan. Er kann interessanterweise nicht nur als Achter, sondern auch als Mittelstürmer eingesetzt werden. Im 4-3-3, das Hafnarfjörður im Heimspiel gegen Ekranas praktizierte, spielte Pálsson etatmäßig als Stürmer, die beiden Standard-Angreifer an den Flügeln und Pálsson arbeitete speziell in der Vertikalen stark nach hinten, um praktisch einen dritten offensiven Mittelfeldspieler zu mimen.

Eigentlich ist der zweite zentrale Mittelfeldspieler neben Sverrisson ganz klar der“ frameborder=“0″ allowfullscreen> Engländer Dominic Furness. Der 24-Jährige verletzte sich aber vor zwei Wochen im Spiel gegen Stjarnan und dürfte auch gegen die Austria noch ausfallen. Furness ist ein zweikampfstarker und vor allem spielender Sechser, der eine zentrale Rolle im System der Isländer einnimmt. Er verfügt über Überblick und gutes Timing in seinem zumeist einfachen Passspiel. Dass er voraussichtlich ausfällt, ist kein Nachteil für die Wiener.

Die Außenpositionen im Mittelfeld / Flügelstürmer

Je nach System spielt Hafnarfjörður entweder mit klassischen Mittelfeldspielern an den Seiten, oder aber Flügelstürmern. Interessanterweise werden die etatmäßigen Angreifer in einem 4-3-3 als Flügelstürmer aufgeboten. Da wir aber von einem 4-4-2 ausgehen können, kann man sich auf klassische Mittelfeldspieler einstellen. Je nachdem, ob Emilsson oder Pálsson in der Zentrale neben Sverrisson spielen wird: Der andere wird im rechten Mittelfeld spielen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Pálsson neben Sverrisson in der Mittelfeldzentrale beginnen wird und Emilsson als rechter Mittelfeldspieler gebracht wird.

Wäre Furness fit, wäre auch die Besetzung auf der linken Seite klarer. Dies könnte dann etwa Pálsson übernehmen. So wird es auf der linken Mittelfeldseite aber eine Notlösung geben: Einer der Favoriten auf einen Einsatz heißt Ingimundur Níels Óskarsson. Der 27-Jährige ist eigentlich ein torgefährlicher Linksaußen, der in diesem Fall aber voraussichtlich nach hinten gezogen wird. Die zweite Alternative ist Albert Brynjar Ingason. Auch er ist 27 Jahre alt und eigentlich ein wesentlich offensiver ausgerichteter Spieler. Da die Unausgewogenheit im Mittelfeld aber die Schwachstelle im linken Mittelfeld gleichzeitig zu einer Baustelle macht (im Grunde wegen eines einzigen Ausfalls!), wird wohl einer der beiden Akteure als linker Mittelfeldspieler beginnen.

Eine andere Möglichkeit ist Atli Gudnason, der durch eine kleinere Systemänderung als linker Mittelfeldspieler eingesetzt werden könnte. Zu ihm kommen wir gleich im Detail.

Der Angriff

Der soeben genannte, 28-jährige Atli Gudnason ist eigentlich ein Linksaußen, wird aber im 4-4-2 von Hafnarfjörður eher als Stürmer eingesetzt. Würde Gudnason in einem 4-4-2 als linker Mittelfeldspieler eingesetzt werden, würde das Spiel FHs zu offensiv werden, wodurch diese Variante unwahrscheinlich erscheint. Der torgefährliche Gudnason spielt seit 2006 in Hafnarfjörður und ist gerade in einem 4-3-3 ein sehr wertvoller, weil schneller und durchschlagskräftiger Spieler.

Sein Pendant für die rechte Seite ist der 31-jährige Ólafur Páll Snorrason, der aber im Vergleich zu Gudnason eher eine Schwachstelle ist. Er spielt nicht so zielgerichtet wie Gudnason, verschleppt das Spiel oftmals, spielt als Rechtsaußen stärker in Richtung Grundlinie als invers. In einem 4-4-2 bildet er häufig das Stürmerduo mit Gudnason, was kaum funktioniert. Snorrason ist dabei der antizipative der beiden Angreifer, während Gudnason an vorderster Front umrührt und sich in einem kleineren Radius bewegt.

Der klassische Mittelstürmer von FH Hafnarfjörður heißt Atli Vidar Björnsson, der trotz guter Trefferquote und großer Vergangenheit derzeit keinen Stammplatz innehat. Der 33-Jährige erzielte in knapp elf Jahren etwa 100 Pflichtspieltore für FH, ist aber als Strafraumstürmer alter Schule zu bezeichnen, wodurch er für das Spiel des Teams nicht besonders wertvoll ist. Mit dem eher unbeweglichen Björnsson ist eher in der Schlussphase zu rechnen. Selbst im zu Hause praktizierten 4-3-3 gegen Ekranas war er nicht als Spitze gesetzt. Pálsson spielte statt ihm an vorderster Front um besser antizipieren zu können. Allerdings wurde Björnsson zur Pause eingewechselt und erzielte in der 90.Minute den Siegtreffer.

Aufstellungsvarianten

Mit folgender Aufstellung spielte Hafnarfjörður im Auswärtsspiel gegen Ekranas Panevezys (1:0, Vidarsson) – Klicken zum Vergrößern!

FH_auswärts_bei_Ekranas

Mit folgender Aufstellung gewann Hafnarfjörður das Heimspiel mit 2:1 (Sverrisson, Björnsson).

FH_heim_gegen_Ekranas

Wären alle Spieler fit und man beachtet die antizipativen Idealvorstellungen eines modernen Systems, dann wäre wohl das die beste Aufstellungsvariante, die FH aufs Feld schicken kann.

FH_vermeintliche_Idealaufstellung

Geht man davon aus, dass gegen die Austria Routine gefragt ist und das Spielermaterial vor allem im linken Mittelfeld rar ist, ist dies nach momentaner Einschätzung eine realistische Mannschaftsaufstellung für das erste Spiel gegen die Austria.

FH_mögliche_Aufstellung_gegen_Austria

Fazit

FH Hafnarfjörður darf für die Austria kein Stolperstein sein. Da es sich bei der Mannschaft um ein Team handelt, das Tore machen und mitspielen will, müssen die Partien gegen die Isländer nicht unbedingt Geduldspiele werden. Man wird gegen FH zu Hause und auswärts zu zahlreichen Topchancen kommen, gerade wenn man die Flügel für sich gewinnt. Die Schwachstellen der Isländer sind im linken Mittelfeld, dem Umschaltspiel von Offensive auf Defensive im zentralen Mittelfeld und beim Torhüter zu suchen. Es gibt aber bis auf die Nummer 10, Sverrisson, keinen einzigen Kicker im Team, vor dessen technischen Möglichkeiten man großen Respekt haben müsste. Wenn die Austria es schafft, Standardsituationen gegen sich zu verhindern und ihr gewohntes, dynamisches Spiel aufzieht, wird es gegen Hafnarfjörður zwei ungefährdete Siege geben.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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