Markus Berger wechselte vergangene Woche vom portugiesischen Erstligisten Academica Coimbra nach Odessa in die Ukraine. Über die Gründe für diesen Wechsel gab es ein... Ein Terrier auf Weltreise: Markus Berger wechselt in die Ukraine

Markus Berger wechselte vergangene Woche vom portugiesischen Erstligisten Academica Coimbra nach Odessa in die Ukraine. Über die Gründe für diesen Wechsel gab es ein langes Rätselraten. Sportlicher Natur kann der Entschluss jedenfalls nicht gewesen sein.

Der Globetrotter

Markus Berger hat in seiner Laufbahn schon viel erlebt. Aus der Salzburger Jugend wechselte er 1999 als 14-Jähriger nach Stuttgart, von wo er drei Jahre später in die Nachwuchsabteilung der Frankfurter Eintracht ging. Nach anderthalb Jahren in Frankfurts zweiter Mannschaft zog es den Verteidiger wieder zurück in die Heimat. Die SV Ried sicherte sich die Dienste von Berger für drei Jahre. Danach begann Bergers nächstes Auslandsabenteuer. Er unterschrieb einen Vertrag in Portugal bei Academica Coimbra, einem Mittelständler in der obersten Spielklasse. Dort stieg der Innenverteidiger über die Jahre zum Führungsspieler und Kapitän auf. Jetzt, nach fast fünf Jahren brach der 26-Jährige seine Zelte in Portugal ab, um künftig für Chornomorets Odessa zu verteidigen. Warum, wird wohl sein Geheimnis bleiben.

Coimbra vs. Odessa

Das erste Argument, das oft gebracht wird, wenn ein Wechsel der breiten Öffentlichkeit nicht ganz klar ist, ist die Lebensqualität einer Stadt. In Bergers Fall sind hier also Coimbra und Odessa miteinander zu vergleichen. Der Vergleich zeigt, dass Berger das Argument der Lebensqualität nur bedingt anführen kann. Coimbra liegt im Westen Portugals und verfügt über rund 100.000 Einwohner, wovon in etwa ein Fünftel an der örtlichen Universität studieren. Eine junge, trendige Studentenstadt, die 2003 zur Kulturhaupstadt Europas gewählt wurde. Anhand der vielen Kirchen, Kathedralen und der ältesten Universität Portugals zeigt sich auch der kulturelle Rang, den Coimbra einnimmt. Odessa hingegen ist mit rund einer Million Einwohnern zehn Mal so groß, und gilt als wichtigste Hafenstadt der Ukraine am schwarzen Meer. Eine zweifelhafte Ehre wird der Stadt zuteil: Mit 16% der Bevölkerung weist Odessa den höchsten Anteil an HIV-infizierten Einwohnern in ganz Europa auf. Mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 10,5 Grad Celsius (zum Vergleich: Coimbra 19,1°) scheint Odessa auch klimatisch nicht sonderlich attraktiv. Wirtschaftlich stützt sich Odessa hauptsächlich auf Industrie, die stärksten Zweige sind Chemie, Schiffsbau oder Ölindustrie. Da scheint es ziemlich offensichtlich, welche Stadt die lebenswertere ist.

Academica Coimbra vs. Chornomorets Odessa

Academica Coimbra spielt in Portugals höchster Spielklasse und muss sich dort gegen Kaliber wie den FC Porto, Benfica Lissabon, Sporting Lissabon oder Braga behaupten. Natürlich ist das Gefälle innerhalb der Liga nicht zu unterschätzen, trotzdem zeigen die Europa-League-Erfolge der letzten Jahre, dass die portugiesische Liga zu den besten Europas gehört. Academica kann zwar auf keine sonderlich erfolgreiche Saison 2010/11 zurückblicken (14. Platz), jedoch rangiert man aktuell hinter Benfica, Porto, Sporting, Braga und Maritimo auf Platz sechs der Tabelle. Im Cup steht man sogar bereits im Semifinale und hat gute Chancen auf einen internationalen Startplatz. Markus Berger hat sich über die Jahre zum Stammspieler bei Academica gemausert und durfte zuletzt sogar zeitweilig die Kapitänsschleife tragen. Perfekte Bedingungen also, den nächsten Schritt in der Entwicklung zu machen und mit Academica im 30.000 Zuschauer fassenden Estádio Cidade de Coimbra den Fans internationalen Fußball zu bieten. Stattdessen heuerte Berger bei  Chornomorets Odessa an. Der Klub stieg letztes Jahr erst in die ukrainische erste Liga auf. Die Liste der Erfolge ist denkbar kurz. Den ukrainischen Pokal gewann der Verein 1992 und 1994, ansonsten stehen in den letzten 20 Jahren keinerlei erwähnenswerte Erfolge zu Buche. Das Heimstadion bietet 4.500 Zuschauern Platz – eine überschaubare Kulisse für jemanden, der die vollen Stadien aus Porto oder Lissabon gewöhnt ist. Natürlich verfügt auch die Ukraine mit Shakhtar Donetsk oder Dynamo Kiev über Vereine mit Potential, die internationalen Ergebnisse der letzten Jahre zeigen aber erst, welch großer Unterschied zwischen der ukrainischen und der portugiesischen Liga liegt. Aktuell liegt der neue Klub von Markus Berger in der Tabelle auf Rang elf, hinter Namen wie Kryvbas, Tavriya oder Illichivets.

Portugal vs. Ukraine

Die Chancen, als Legionär vom neuen Teamchef Marcel Koller beachtet und im besten Fall berücksichtigt zu werden, stehen sogar in Ligen, die nicht im internationalen Fokus stehen, sehr gut. Ob Berger in der Ukraine die besseren Chancen hat, sich in den Vordergrund zu spielen, als dies in Portugal der Fall gewesen wäre, bleibt fraglich. Bei Academica Coimbra ließ man Berger jedenfalls seit Monaten nicht mehr spielen, da der Österreicher bereits angekündigt hatte, den Verein zu verlassen. Laut einigen portugiesischen Medien sollen verschiedene Klubs aus Portugal am Innenverteidiger interessiert gewesen sein. Im besten Fußballeralter von 26 wäre es vielleicht klüger gewesen, sich in Portugal weiter zu etablieren, um später vielleicht einen der ganz Großen wie Porto oder Benfica verstärken zu können. Stattdessen wählte Berger den Weg, der ihn in die Ukraine führt. Immerhin passt dieser Schritt zu seiner bisherigen Karriere – es ist Bergers vierte Auslandsstation.

Der wahre Grund

Wie wir also wissen, übersiedelte Berger weder wegen der schönen Stadt, dem sportlich erfolgreichen Klub oder aus Nationalteamgründen nach Odessa, sondern wegen des Geldes. Was ja an sich nichts Verwerfliches wäre. Wenn ein Manager in einem Unternehmen arbeitet und ihm von einer anderen Firma ein besseres Angebot unterbreitet wird, nimmt er es für gewöhnlich auch an. Insofern ist Bergers Schritt verständlich. Aber: Berger ist weder in einem Alter, in dem der Innenverteidiger noch einen letzten guten Vertrag aushandeln muss; noch wird ihm das Kicken in der kalten Ukraine vor 4.500 Zuschauern mehr Spaß machen als im warmen Portugal in vollen Stadien. Das saftigere Gehalt lässt einen Spieler diese Dinge aber schnell vergessen. Schade ist nur, dass (fast) keiner den Mut hat, das zuzugeben.

Archimedes, abseits.at

Archimedes

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