In unregelmäßigen Abständen – eben immer wenn wir eine schöne Geschichte aus der großen Welt des Fußballs entdecken – liefern wir euch Storys aus... Fußballmärchen (3): Der Mann, der vom Himmel fiel und Meister wurde

In unregelmäßigen Abständen – eben immer wenn wir eine schöne Geschichte aus der großen Welt des Fußballs entdecken – liefern wir euch Storys aus der Kategorie „Fußballmärchen“. Eben die Storys, die nur der Fußball schreiben kann. Heute geht es um die unglaubliche Geschichte von Alan Ruschel.

Der 28. November 2016 erschütterte die Fußballwelt: Ein Charterflug der Fluggesellschaft LaMia stürzte wegen Treibstoffmangels über Kolumbien ab. Mit an Bord: Fast die gesamte Mannschaft des brasilianischen Erstligaklubs Chapecoense. Von 77 Passagieren fanden 71 den Tod. Drei der sechs Überlebenden waren Spieler des Klubs, der auf dem Weg zu einem Spiel in der Copa Sudamericana war.

Der Innenverteidiger Helio Neto erlitt schwere Kopfverletzungen, die Ärzte gaben nach mehreren Operationen aber grünes Licht für die Fortsetzung seiner Karriere. Neto bestritt aber keine Profipartie mehr und beendete im Jahr 2019 seine Karriere. Der Schmerz sei größer als die Freude erklärte der heute 35-Jährige, der nun im Management von Chapecoense arbeitet.

Ersatztorhüter Jakson Follman, zum Zeitpunkt des Unfalls 24 Jahre alt, überlebte dank einer Beinamputation unterhalb des Knies. Der Keeper hatte sich schwerste Verletzungen zugezogen und konnte nur so gerettet werden. Genau wie Neto wurde Follman später in einer berührenden Zeremonie vor einem Spiel von Chapecoense auf dem Rasen „willkommen im Leben“ geheißen.

Der Dritte im Bunde ist Linksverteidiger Alan Ruschel, heute 31 Jahre alt. Von den drei überlebenden Fußballern hatte Ruschel das größte Glück im Unglück: Er zog sich beim Flugzeugabsturz eine Rückenverletzung zu und musste deswegen operiert werden. Unglaublicherweise stand Ruschel etwa acht Monate nach dem Absturz aber wieder auf dem Platz: Bei der Joan Gamper Trophy in Barcelona stand er 35 Minuten auf dem Rasen und erntete wie seine beiden überlebenden Teamkollegen stehende Ovationen von den Rängen.

Aber Ruschel hatte noch lange nicht genug und wollte sich nicht auf ein kurzes Comeback beschränken. Am 13. September 2017 startete er in einem Spiel der Copa Sudamericana gegen Flamengo. In den Jahren 2017 bis 2019 stand er insgesamt in 23 Pflichtspielen für Chapecoense auf dem Platz, allerdings selten über 90 Minuten und immer wieder mit Pausen, weil die alten Verletzungen dem Routinier Probleme machten. Im zweiten Halbjahr 2019 folgte eine Leihe zu Goiás, wo er neun Serie-A-Spiele absolvierte und beim 1:0-Sieg über Cruzeiro sein erstes Tor seit sechs Jahren erzielte.

Und plötzlich folgte die Saison 2020. Chapecoense war in die zweite Liga abgestiegen, Alan Ruschel von seiner Leihe mit Goiás zurückbeordert. Der Linksverteidiger, der vom Himmel fiel und wie durch ein Wunder auf den Platz zurückkehrte, avancierte plötzlich zum Marathonmann seines Teams. Ruschel bestritt 27 Saisonspiele, steuerte zwei Assists bei, spielte zumeist über 90 Minuten – und wurde mit Chapecoense brasilianischer Zweitligameister als absoluter Leistungsträger. Der Titel wurde vor drei Wochen fixiert, Ruschel im entscheidenden Spiel gegen Confianca nach 57 Minuten ausgewechselt – und damit verabschiedet.

In die Serie A folgt Alan Ruschel seinem Klub nämlich nicht. Der 31-Jährige bleibt in der zweiten Leistungsklasse und unterschrieb vor einer Woche einen Zweijahresvertrag bei Cruzeiro Belo Horizonte, einem absoluten Traditionsklub Brasiliens. Ruschel will spielen und nicht Gefahr laufen in der höchsten Spielklasse in die Reserve abzurutschen. Und so viel wie im letzten Jahr spielte der Mann aus Taquara noch nirgendwo – und das obwohl er erst vor vier Jahren einen Flugzeugabsturz überlebte.

 

 

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen