Es ist gar noch nicht so lange her, da spielte man in der Gruppenphase der Champions League und holte Unentschieden gegen Manchester United und Valencia – ehe alles ganz schnell ging: Aufgrund finanzieller Engpässe – eine verharmloste Definition – wurden die Glasgow Rangers, schottischer Rekordmeister und Traditionsverein, in die Viertklassigkeit verbannt. East Sterlingshire statt Valencia, Forthbank Stadium statt Old Trafford.
Die Fans halten die Treue
Doch die Rangers wären nicht die Rangers, hätte man sich seinem Schicksal ergeben und damit abgefunden in den Niederungen des schottischen Fußballs zu versauern. Ein neues Team aus Routiniers, die ihrem Verein auch in seiner schwärzesten Stunde treu blieben und zahlreichen jungen Talenten wurde aufgebaut und weiter konzentriert gearbeitet. Auch die Fans wandten sich nicht ab, sondern unterstützten ihre Blau-Weißen umso mehr. Zum ersten Heimspiel gegen East Sterlingshire kamen unglaubliche 49.118 Zuseher ins Ibrox Stadium, was Weltrekord für ein Spiel einer vierten Fußballliga bedeutete. Lange hielt die Bestmarke aber nicht, da nur wenig später zum Glasgower Stadtderby gegen Queen’s Park FC gar 49.463 Zuseher kamen, um ihre Mannen lautstark zu unterstützen – sensationell.
Ein Titel für die Geschichtsbücher
Der Lohn für dieses Maß an Hingabe und Treue kam exakt ein Jahr, einen Monat und 17 Tage nach dem Insolvenzantrag des Traditionsvereins: Sechs Spieltage vor Saisonende sicherten sich die Hauptstädter den Titel in der Third Division. Nach der 0:1-Heimniederlage des Verfolgers und Stadtrivalen Queen’s Park am vergangenen Samstag beträgt der Vorsprung der Rangers nun bereits 21 Punkte, womit die Truppe von Ally McCoist nicht mehr einzuholen ist. Es ist dies der 55. Meistertitel der Vereinsgeschichte, der erste in der vierten Spielklasse – kein anderes Team weltweit war national so erfolgreich wie die Glasgow Rangers.
Als man auf der Heimfahrt vom Auswärtsspiel beim FC Montrose im Bus von der überraschenden Pleite des Konkurrenten erfuhr, hielt man kurzerhand an der nächsten Ecke und feierte den Titelgewinn spontan in einem Pub – wie dies Amateurkicker eben für gewöhnlich tun.
Verdient hatte man sich dieses „gemütliche Zusammensitzen“ allemal, weiß man allgemein doch, wie schwer ein solcher Neubeginn sein kann. Doch die Rangers gaben sich von Beginn weg keine Blöße, entsprachen ihrer Favoritenrolle voll und ganz und feierten bis hierhin 21 Siege bei zwei Niederlagen und acht Remis.
Nicht alles ist rosarot
Alles andere als der frühzeitige Titelgewinn der Rangers wäre aber auch eine herbe Enttäuschung für Verein und Fans gewesen, will man doch so schnell wie möglich wieder in Schottlands Elite aufsteigen. Dementsprechend skeptisch und enttäuscht zeigten sich die Massen bei etwaigen Rückschlägen oder Punkteteilungen. Knapp 50.000 Menschen können doch ein ziemlich lautes Pfeifkonzert veranstalten. Außerdem wusste so mancher Neuzugang, der zu den Bestverdienern des Vereins zählt, selbst in der vierten Liga nicht wirklich zu überzeugen, was den Fans natürlich so gar nicht passte. Zu groß ist die Angst vor neuerlichen Finanzschwierigkeiten und einem weiteren Rückschlag des geliebten Vereins.
Aufstieg noch nicht in trockenen Tüchern
Alles in allem darf man in Glasgow mit der ersten Saison seit dem Neustart aber wohl zufrieden sein, konnte das Ziel Titel doch souverän erreicht werden. Im Pub noch nicht gefeiert wurde allerdings der Aufstieg in die Second Division, da für die kommende Saison im schottischen Unterhaus eine Neuformierung der Ligen diskutiert wird, was den sportlich eigentlich verdienten Aufstieg der Rangers noch verhindern könnte. Es bleibt abzuwarten, ob im Ibrox Stadium im nächsten Jahr Drittligafußball zu bestaunen sein wird, denn da heißen die Gegner dann schon immerhin Stanraer FC oder Alloa Athletic.
Michael Pinter, abseits.at
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