Goldene Generation: Ist Belgien wieder auf dem Weg zur europäischen Fußballmacht?
Weitere Länder 13.September.2012 Rene Maric 2
Traditionell sind die Belgier eigentlich eine der besten Mannschaften Europas. Lange Zeit, besser gesagt bis zum Einfluss durch Jack Reynolds und später Rinus Michels, waren sie dem Nachbarn aus der Niederlande überlegen und boten durchgehend eine solide Nationalmannschaft auf. In den Sechzigern erwarben sie sich dank des Anderlecht-Blockes einen guten Ruf, utilisierten besonders die in diesem Verein vom Franzosen Pierre Sinibaldi eingeführte Abseitsfalle als eines der ersten Teams auf hohem Niveau und galten als schwer zu spielende Mannschaft.
Später hatten sie ab Anfang der 80er mit großen Spielern wie Erik Gerets als offensiver Rechtsverteidiger, dem spielmachenden Box-to-Box-Akteur Wilfried Van Moer, dem technisch hervorragenden Enzo Scifo als klassischer Zehner oder moderner Achter sowie Alleskönner Jan Ceulemans einige Weltklasseakteure, die sehr modern agierten und sogar defensiv überaus gut ausgebildet waren, ob physisch oder taktisch. Auch die Torhüter Michel Preud’homme und Jean-Marie Pfaff galten in dieser Dekade als die Besten ihres Fachs. Heutzutage scheint zumindest der Talentpool daran anknüpfen zu können, vor einigen Wochen ging Eden Hazard für über 40 Millionen über den Ladentisch. Doch er ist nicht der einzige in dieser aufblühenden Nationalmannschaft.
Der Kader in der Defensive
Im Tor besitzen die Belgier zumindest wieder eine richtige Perle. Aktuell ist Thibaut Courtois nicht nur der jüngste Torwart im Kader, sondern auch die klare Nummer Eins. Zwanzig Jahre alt, knapp zwei Meter groß und mit herausragenden Fähigkeiten auf der Linie gesegnet, gilt er als kommender Weltklassetorhüter. Bei Chelsea soll er Nachfolger von Petr Cech werden, aktuell spielt er für Atlético Madrid in der spanischen Primera Division.
Auf der Position des Rechtsverteidigers haben sie noch den größten Kummer. Es gibt keinen Spieler, der diese Position gelernt hat und sie durchgehend auf höchstem Niveau bekleidet. Am ehesten entsprechen diesem Anforderungsprofil Guillaume Gillet und Toby Alderweireld. Gillet verkörpert diese Position sehr offensiv, da er normalerweise eher im offensiven Mittelfeld aufzufinden ist. Alderweireld hingegen ist ein defensiver Akteur, der vornehmlich in der Innenverteidigung aufläuft und seine Position als Rechtsverteidiger eher konservativ ausübt. So können die Belgier sich perfekt auf den Gegner einstellen, was diese Position betrifft, wenngleich ein gelernter Rechtsverteidiger wünschenswert wäre.
In der Innenverteidigung haben die Belgier gar ein Überangebot. Bereits erwähnt wurde Alderweireld, der allerdings kaum eine Chance besitzt. Auch der langjährige Stammspieler und Abwehrchef Daniel Van Buyten dürfte sich langsam Sorgen machen, denn die Konkurrenz ist hochklassig. Mit Linksfuß Lombaers von Zenit St. Petersburg gibt es bereits eine starke Alternative für die Bank, die Innenverteidigung wird im Normalfall von den beiden England-Legionären Vincent Kompany und Thomas Vermaelen gebildet. Beide gehören zur internationalen Klasse, Kompany nach seiner letztjährigen Galasaison wohl sogar zu der Creme de la Creme auf dieser Position. Sie sind enorm zweikampfstark, verlieren kaum Kopfballduelle und gelten sogar als moderne Verteidiger, welche flexibel auf anderen Positionen auflaufen sowie das Spiel gestalten können.
Darum weicht auch der vierte hochtalentierte Innenverteidiger auf die defensive Außenbahn aus: Jan Vertonghen, welcher diesen Sommer für eine hohe Summe von Ajax zu Tottenham wechselte. Als Linksverteidiger dürfte er vor Pocognoli stehen, der zwar etwas offensiver ist, allerdings weniger Qualität besitzt. Kompany und Vertonghen wären ebenso eine Alternative für das defensive Zentrum, doch dort sind die roten Teufel ebenfalls stark besetzt.
Auf der Doppelsechs gibt es mit Fellaini, Witsel, Defour und Dembele unterschiedliche Spielertypen für diese beiden Positionen. Everton-Profi Fellaini ist körperlich stark, sehr ausdauernd und kann im Zentrum nahezu alle Positionen bekleiden. Er ist etwas ungelenk und könnte technisch besser sein, weil er einige Stockfehler in seinem Spiel hat, allerdings ist er als Box-to-Box-Spieler hochklassig und übt viel Torgefahr aus. Auch Defour und Witsel sind Box-to-Box-Spieler, allerdings unterschiedliche Ausführungen davon. Ersterer ist eine klassische Acht mit einer guten Balance zwischen Offensive und Defensive, letzterer ist eher offensiv orientiert und beide spielen gute Pässe im Umschaltspiel. Dembele ist der offensivste dieses Quartetts, er ist kräftig und enorm dribbelstark, kann die Bälle gut behaupten und ist als gelernter Stürmer auch enorm torgefährlich.
Darum bietet sich ein 4-3-3 mit drei Achtern an. Keiner dieser Spieler kann eine alleinige Sechs spielen, doch gemeinsam (und mit Hazard als offensivstem Achter) lässt sich eine hervorragende Balance finden. Alternativ gäbe es mit Timmy Simons einen erfahrenen Spieler für die alleinige Sechs, jedoch dürfte dieser zu alt sein und im Vergleich zur Konkurrenz etwas zu schwach. Eher bietet sich Fellaini als tiefster Sechser an, der durch seine körperliche Stärke diese Position bekleiden kann.
Der Kader in der Offensive
Spielen die Belgier im 4-2-3-1, dann dürfte Hazard die Position als zentraloffensiver Mittelfeldspieler bekleiden. Dadurch kann er seine Fähigkeiten im Dribbling sowie seine Kreativität im Passspiel einsetzen. Alternativ ist er gar eine Option für die Position des Mittelstürmers als falsche Neun und für beide Flügelpositionen, falls ein 4-3-3 ohne Hazard als offensivster Achter aufgestellt wird, beispielsweise gegen eine überlegene Mannschaft.
Links können Mertens und Mirallas auflaufen. Mertens ist ein inverser Winger vom PSV Eindhoven, der über seine Schnelligkeit und Dribblingstärke kommt, während Mirallas die gleichen Stärken besitzt, allerdings etwas abschlussstärker und robuster ist. Auch De Bruyne oder Lukaku könnten auf dieser Position auflaufen. Mirallas könnte auch als Mittelstürmer oder auf der rechten Außenbahn auflaufen, hier hat er am ehesten Konkurrenz vom Bremen-Akteur De Bruyne und Twentes Nacer Chadli, ebenfalls ein inverser Winger mit Stärken im Dribbling.
Zentral haben Lukaku und Benteke die besten Karten. Lukaku ist erst 19 Jahre alt und erhält aktuell Spielpraxis bei West Bromwich Albion. Für sein Alter ist er bereits enorm athletisch und gilt als potenzieller Weltklassestürmer. Benteke ist 20, körperlich robust und spielt als Mittelstürmer bei Aston Villa. Vom Talent her ist er Akteuren wie Lukaku unterlegen, allerdings besitzt er einen großen Torriecher. Auch der bereits erwähnte Mirallas könnte im Sturm auflaufen – oder sogar Gladbach-Legionär Igor de Camargo. Eine weitere Alternative stellt Jelle Vossen dar, ein Stürmer ohne größere Schwächen und Stärken vom RC Genk, der oftmals als Halbstürmer agiert.
Weiters gibt es noch einige Namen, welche in den nächsten Jahren in Frage kommen könnten. Ob Boyata für die Viererkette als Innen- oder Rechtsverteidiger, Odjija-Ofoe als laufstarker defensiver Achter oder der pfeilschnelle Flügelflitzer El Ghanassy auf den Flügelpositionen, Trainer Wilmots steht ein quantitativ und qualitativ hochwertiger Kader zur Verfügung.
Rene Maric, abseits.at
Rene Maric
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