Großherzogtum im Vormarsch: Luxemburgs historischer Aufschwung
Weitere Länder 13.September.2018 Martin Wallentich 0
Eine sportliche Reise ins rund 2.500 Quadratkilometer große Luxemburg kam in der Vergangenheit oftmals einer Pflichtaufgabe gleich. Der Erfolgslauf der Nationalmannschaft und die Europa-League-Teilnahme von Düdelingen bringen das Großherzogtum endgültig auf die Fußballlandkarte der ernstzunehmenden Konkurrenten.
52. Spielminute im Stadio Olimpico in San Marino. Im Zweitrunden-Duell der Nations League Division D führt Luxemburg bereits mit 2:0. Der 18-jährigen Vincent Thill behauptet den Ball im Mittelfeld und legt auf seinen Mitspieler Danel Sinani ab. Der Offensivakteur trifft nur Sekunden später aus rund 20 Metern im san-marinesischen Tor – 3:0 für die Gäste aus dem Großherzogtum.
Sinanis Treffer markiert beim 3:0-Auswärtssieg das zumindest vorläufige Ende höchst erfolgreicher Wochen für den luxemburgischen Fußball. Bereits in der ersten Runde des neuen UEFA-Bewerbs traf der 21-Jährige beim 4:0-Sieg gegen Moldawien und bereitete zwei Treffer vor. Nur eine Woche davor fixierte er mit zwei Toren für F91 Düdelingen den erstmaligen Einzug einer luxemburgischen Mannschaft in die Gruppenphase der Europa League.
Vom Fußballzwerg zum Gruppenersten
Lange Zeit galt Luxemburgs Nationalteam als Auswahl eines europäischen Kleinstaates als klassischer Vertreter des letzten Auslosungstopfes. Bis auf gelegentliche Achtungserfolge (2:1 gegen die Schweiz 2008, 1:1 gegen Italien 2014) waren Erfolgserlebnisse eine seltene Ausnahme. Duelle gegen das Großherzogtum kamen oftmals Pflichtsiegen gleich. Von 2003 bis 2006 verlor die Mannschaft 25 Spiele in Folge.
Vieles änderte sich mit der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Russland 2018. Ein Sieg über Weißrussland sowie drei Remis (unter anderem gegen den späteren Weltmeister Frankreich) sorgten für eine achtbare Bilanz. Diese Aufwärtstendenz bestätigte die Elf von Teamchef Luc Holtz in den folgenden Freundschaftsspielen sowie den ersten Partien der Nations League. In den letzten acht Begegnungen setzte es nur eine Niederlage, das 0:4 bei Österreichs Gastspiel im vergangenen März. Dem gegenüber stehen ein 2:1 gegen Ungarn, ein 0:0 gegen WM-Starter Senegal sowie zuletzt ein 4:0 gegen Moldawien und ein 3:0 in San Marino in der Gruppenphase. Dritter Gruppengegner ist hierbei mit Weißrussland übrigens ein alter Bekannter.
Junge Legionäre beflügeln Traum von EM-Teilnahme
Jene beiden Siege bedeuten den aktuell ersten Platz in der Liga D der Nations League sowie eine neue Höchstposition in der FIFA-Weltrangliste. Innerhalb von zwei Jahren gelang eine Verbesserung von mehr als 60 Plätzen, in der kommenden Wertung dürfte Luxemburg aller Voraussicht nach einen neuen Bestwert erreichen.
Neben Spielern aus der eigenen Liga bilden Legionäre von New York bis Tiraspol das Rückgrat der Mannschaft. Auffallend sind dabei auch die namhaften Stammvereine der jungen Spieler, darunter sind Arbeitgeber wie Olympique Lyon, Grasshoppers Zürich oder Mainz. Viele der Talente werden bei Leihvereinen aufgebaut, so auch Vincent Thill, der unter anderem bereits mit Bayern München und dem FC Barcelona in Verbindung gebracht wurde. Nach den jüngsten Erfolgen träumen jedenfalls schon so manche Luxemburger Fußballfans von der Teilnahme an der Europameisterschaft 2020, an der bekanntlich auch ein Team der schwächsten Division antreten wird.
Düdelingens historische Europacup-Saison
„Wovon träumt ihr?“ – titelte die luxemburgische Zeitung „Le Quotidien“ bereits zwei Wochen zuvor in Hinblick auf die anstehende Auslosung der Europa-League-Gruppenphase. Mit einem 3:2-Auswärtserfolg gegen Rumäniens Meister Cluj zog F91 Düdelingen am Abend davor als erste luxemburgische Mannschaft in eine europäische Gruppenphase ein. Nachdem schon in Runde drei Polens Champion Legia Warschau bezwungen wurde, sorgte der ehemalige Salzburg-Schreck für die wohl bislang größte Sensation dieser Europacup-Spielzeit. Als Lohn darf sich der 14-fache Meister, der neben vier luxemburgischen Teamspielern auch auf den ehemaligen Lyon-Verteidiger Milan Bisevac und Ex-Dortmunder Marc-André Kruska setzt, mit klingenden Namen des europäischen Fußballs messen: AC Mailand, Olympiacos Piräus und Betis Sevilla werden im kommenden Herbst ein Gastspiel im Josy-Barthel-Stadion bestreiten.
Im Schatten von Düdelingens Erfolgslauf ging die achtbare Bilanz der anderen Vertreter beinahe unter: Progrès Niederkorn, im Vorjahr Bezwinger der Glasgow Rangers, eliminierte den zweifachen EL-Teilnehmer Gabala sowie Honved Budapest, ehe das Last-Minute-Aus gegen den FK Ufa folgte. Zudem zog Fola Esch immerhin in die zweite Runde der Europa-League-Qualifikation ein.
Stadionbau mit Nebengeräuschen
Noch nicht ganz im Gleichschritt mit dem sportlichen Aufschwung geht einer der infrastrukturellen Meilensteine des Landes. Nach jahrelangen Diskussionen über Standort, Finanzierung und Notwendigkeit erfolgte bereits im Vorjahr der Spatenstich zum neuen Nationalstadion im Süden der Stadt Luxemburg. Der Neubau soll ab Oktober 2019 das in die Jahre gekommene Josy-Barthel-Stadion als neue Heimat des Nationalteams ablösen. Darüber hinaus sollen auch die Heimspiele der Rugby-Union-Nationalmannschaft sowie diverse Konzerte im 9.300 Zuseher fassenden Stadion stattfinden.
Doch der Neubau bleibt nicht ohne Kritik. Für Kontroversen sorgt die nur gering höhere Kapazität gegenüber dem bisherigen Stadion sowie die voraussichtlichen Kosten von rund 60 Millionen Euro. Da bislang erst der Rohbau fertig gestellt wurde, darf das Josy-Barthel-Stadion mit drei Europa League-Spielen sowie der EM-Qualifikation im kommenden Jahr nochmals eine würdige Abschiedsvorstellung geben – mit zwei der wohl bislang stärksten Teams der luxemburgischen Fußballgeschichte.
Martin Wallentich, abseits.at.
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