Im Jahr 1 nach Zlatan: Ein Blick auf die Ligue 1
Weitere Länder 11.Oktober.2016 Ral 0
Wie ist die derzeitige sportliche Lage in Frankreichs höchster Fußball-Liga? Welche Mannschaften spielen um den Meistertitel, wer muss um den Abstieg fürchten? Welche Teams überraschten bisher positiv, wer blieb unter den Erwartungen zurück?
Wie schlagen sich die Top-Teams?
Kaum zu glauben, aber wahr: Serienmeister Paris St. Germain ist aktuell nicht Tabellenführer der Ligue 1! Wie konnte das nur passieren? Verfügen die Hauptstädter etwa nicht mehr über den besten Kader in Frankreich? Oh, doch. An dieser Tatsache besteht kein Zweifel. Nach dem Trainerwechsel von Laurent Blanc zu Unai Emery scheint das Team aber noch Zeit zu brauchen, um sich an den Coach und das neue System zu gewöhnen. Derzeit liegt man daher nur auf Platz 3 der Tabelle und kassierte bereits zwei Niederlagen. Zusätzlich ist der als Mittelfeld-Herz geholte Pole Grzegorz Krychowiak noch nicht wirklich bei seinem neuen Verein angekommen. Bisher bestritt der defensive Mittelfeldspieler erst zwei Partien über 90 Minuten. Mit Marco Verratti fand auch ein weiterer sehr wichtiger Spieler noch nicht zur Form der letzten Jahre. Beim Italiener liegt dies wohl vor allem an einer Leistenverletzung aufgrund derer er auch die EM verpasste und von der er sich noch nicht vollständig erholt zu haben scheint.
Dafür befindet sich Edinson Cavani derzeit in Topform. Nach dem „König“ Zlatan Ibrahimovic den Verein im Sommer verlies, spielt der Uruguayer im Angriff von Paris die alleinige Hauptrolle, die er mit acht Treffern in sieben Spielen bislang bravourös ausfüllt. Auch der Brasilianer Lucas Moura erwischte einen starken Start in die Saison und ist derzeit einer der Besten bei Paris. Im Moment kämpft das Team vornehmlich noch mit den individuellen Aussetzern einzelner Spieler und lässt zu viele Chancen gegen sich zu.
Der AS Monaco ist dagegen gut in die Saison gestartet und liegt derzeit auf Platz 2 in der Ligue 1. Überzeugen konnte die Mannschaft von Trainer Leonardo Jardim bisher vorwiegend in der Offensive. Mit 22 Toren stellt man den bis dato erfolgreichsten Angriff in Frankreichs Beletage. Auffällig ist die große Variabilität innerhalb des Teams, wenn es ums Tore schießen geht: die 22 Treffer wurden von 11 verschiedenen Torschützen erzielt. Bester Torschütze und gleichzeitig auch herausragender Spieler zu Saisonbeginn ist Fabinho, der als defensiver Mittelfeldspieler bereits 4 Tore erzielte. Neben dem Brasilianer konnten bisher auch die offensiven Mittelfeldspieler Thomas Lemar und Bernardo Silva, sowie die Verteidiger Kamil Glik und Djibril Sidibe überzeugen. Rückkehrer Falcao kann ebenfalls schon ein Saisontor verbuchen. Die Mannschaft aus dem Fürstentum liegt mit insgesamt 72 herausgespielten Chancen zwar nur auf Platz 6 in diesem Ranking, nutzte die Gelegenheiten dafür höchst effizient. Trotz der schon neun Gegentore funktioniert die Defensivarbeit bislang mehr als ordentlich. Diese relativ hohe Anzahl wird zudem durch den bisher einzigen wirklichen Ausrutscher, dem 0:4 gegen Nizza, etwas relativiert.
Bereits drei Niederlagen in den ersten acht Spielen musste der ehemalige Serienmeister Olympique Lyon hinnehmen. Trotzdem steht die Mannschaft von Coach Bruno Genesio auf Platz 5, was aber wohl zu wenig für die Ansprüche in der drittgrößten Stadt Frankreichs ist. Diese sind nämlich in den letzten Jahren wieder gestiegen. Der Bau des neuen Stadion verschlang in der Vergangenheit einen Haufen Geld. So mussten zwangsläufig auch sportlich Abstriche gemacht werden, da man beispielsweise auf den Erlös von Spielerverkäufen angewiesen war. Aktuell verfügt Olympique wieder über eine junge, hochtalentiert Mannschaft, die sich vorwiegend aus Absolventen der eigenen Nachwuchsakademie zusammensetzt. Lyon konnte sich es sogar leisten, Stürmerstar Alexandre Lacazette trotz lukrativer Angebote zu halten. Dieser traf zum Start in nur vier Spielen gleich sechs Mal. Der 25-Jährige liegt damit auf Platz 2 der aktuellen Torjägerliste. Neben Lacazette kamen auch die anderen Hochtalentierten, wie Corentin Tolisso, Nabil Fekir und Manuel Mammana gut in die neue Saison. Generell setzt Genesio vornehmlich auf Ballbesitzfußball (mit 57 Prozent auf Platz 2 hinter Paris). Sie schießen pro Spiel 6,4 Mal auf das gegnerische Tor und erspielten sich schon 101 Chancen. Beide Werte jeweils Ligaspitze. Probleme offenbaren sich jedoch noch in der Defensive: bislang hat man bereits neun Tore kassiert, wobei die Abwehr in den aufeinanderfolgenden Niederlagen gegen Dijon und zu Hause gegen Bordeaux insgesamt gleich sieben Treffer hinnehmen musste.
Die Überraschungsmannschaft
Als Lucien Favre im Sommer den Job bei OGC Nizza antrat, fragten sich sicherlich viele, ob der Schweizer nach seiner erfolgreichen Arbeit bei Borussia Mönchengladbach keinen besseren Verein hätte finden können. Doch siehe da, trotz aller Vorbehalte führt Favre mit seinem Team aktuell die Tabelle der Ligue 1 an. Noch überraschender kam wohl die Verpflichtung von enfant terrible Mario Balotelli. Der Italiener bedankte sich für den Vertrauensvorschuss bis dato mit fünf Toren in drei Spielen. Es stellt sich dabei die Frage, was denn einem größeren Wunder gleichkommt? Dass Favre mit Nizza vor Paris rangiert oder dass er es geschafft hat, Leistung aus Balotelli heraus zu kitzeln.
Wie bei seinem Engagement in Gladbach setzt Favre auf ein schnelles Umschaltspiel aus einer stabilen Defensive heraus. Bis lang kassierte Nizza nur fünf Gegentreffer, obwohl die Abwehr im Schnitt fast 16 Schüsse gegen sich zulässt und die Mannschaft pro Spiel 18 Mal den Ball verliert. Dafür sind sie in der anschließenden Rückeroberung des Spielgerätes sehr stark. Favre hat seine Spielidee zudem um die Variante Ballbesitzfußball erweitert. So weist man hier immerhin eine Quote von 53 Prozent auf. Auch das Kurzpassspiel funktioniert mit einer Passgenauigkeit von 86 Prozent sehr gut. Zudem ist die durchschnittliche Passlänge von 16 Meter sogar noch kürzer als die vom FC Barcelona. Nizza verfügt obendrein über eine extrem junge Mannschaft. Der Altersschnitt liegt gerade einmal bei 23 Jahren. Besonders herausragend im Moment: der Portugiese Ricardo Pereira, Wylan Cyprien, Vincent Koziello oder der erste 17–jährige Malang Sarr.
Neben Nizza überrascht bisher auch die Leistung von Aufsteiger FC Metz. Trotz bereits 15 Gegentore stehen die Nordfranzosen punktgleich mit Girondins Bordeaux, Stade Rennes und Lyon auf Platz 8 der Ligue 1. In der Partie gegen Monaco fing sich die Abwehr aber gleich 7 Tore ein, was auch diese Anzahl an Gegentreffern ein wenig relativiert. Toptorjäger mit sechs Treffern ist der bei Hannover aussortierte Mevlüt Erdinc. Beim Herausspielen von Chancen gehört Metz zwar zu den schwächsten Teams in Frankreich. Bei den wenigen Gelegenheiten agiert man bis dato jedoch äußerst effizient.
Der Abstiegskampf
Wirklich abgeschlagen ist nach den ersten Spielen noch keine Mannschaft. Den Tabellenletzten Aufsteiger AS Nancy und SC Bastia auf Platz 11 trennen nur fünf Punkte. Etwas überraschend steht Olympique Marseille nur auf dem 14. Rang. So ganz unerwartet dürfte der aktuelle Aufenthalt in den niederen Regionen der Tabelle für die Südfranzosen aber nicht kommen. Mal wieder steckt Marseille in einer finanziellen Krise und erlebt erneut erhebliche Unruhen in der Führungsetage. Zudem musste die Mannschaft zum wiederholten Male einen heftigen personellen Aderlass verkraften. Ein wenig Hoffnung macht Neuzugang Bafetimbi Gomis. Der Stürmer, derzeit ausgeliehen von Swansea City, erzielte bereits fünf Tore. Sorgen bereitet aber das bisherige Abwehrverhalten. Die Statistik weist momentan sieben gravierende individuelle Fehler aus, wovon zwei direkt zu Gegentoren führten. Unrühmlicher Spitzenwert in der Ligue 1.
Ral, abseits.at
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