Kleines Land, großes Team: Bosnien und der Traum von „Frankreich 2016“
Weitere Länder 8.September.2014 Sandi Kecanovic 1
Für wie viel Freude die Qualifikation an einer WM-Endrunde für ein Land sorgen kann, konnte man am 15. Oktober in Sarajevo, der Hauptstadt Bosniens sehen. 50.000 Bosnier strömten auf die Straßen und warteten stundenlang auf ihre Helden, die das entscheidende Spiel in Litauen mit 1:0 gewinnen konnten. Ein Tag, der die Geschichte dieser Nationalmannschaft für immer prägen wird. Nachdem das Land mehrmals knapp gescheitert war, klappte der Schritt zum größten Turnier überhaupt.
Die erste Teilnahme an einer WM
Schon nach der Auslosung der Qualifikationsgruppen herrschte in Bosnien große Euphorie. Eine Euphorie, welche die Teilnahme an einem großen Turnier oft zu verhindern wusste, weil enormer Druck auf die Nationalmannschaft ausgeübt wurde. Mit Trainer Safet Susic traf der Verband ins Schwarze: Ein Mensch mit großem Ansehen und viel Ruhe, welche er der Mannschaft weitergab. Eine Ruhe, die diese kleine Nation die gesamte Qualifikation lang auszeichnete. Mit klaren Siegen gegen Liechtenstein, Lettland und Litauen konnten die Bosnier schon früh den ersten Platz in der Gruppe mit Griechenland und der Slowakei festigen. Aus Griechenland kam Bosnien mit einem 0:0 und dem ersten Platz zurück – einer der wichtigsten Momente der Quali.
Noch wichtiger war der Sieg im Heimspiel gegen die Griechen: Edin Dzeko traf beim 3:1-Sieg über Griechenland doppelt. Ab diesem Moment war der Traum „Brasilien 2014“ das erste Mal in greifbarer Nähe. In den entscheidenden Spielen gegen die Slowakei sorgte die Mannschaft noch einmal für Spannung. Im Heimspiel gegen die Slowaken setzte es eine 0:1-Pleite, welche den Griechen mit einem Sieg die Möglichkeit gab, Punktegleichheit herzustellen. Das klappte auch – die Nummer 1 blieb aber dank des Torverhältnisses die Truppe von PSG-Legende Susic.
Wenige Tage später kam es dann zum erneuten Aufeinandertreffen dieser Nationalmannschaften in Zilina. In einem Stadion, in dem 11.181 Zuseher platznehmen können, waren die Gäste in Überzahl. Ungefähr 9.000 Bosnier hatten sich für das wegweisende Spiel Karten gesichert. Und nachdem Hamsik die Führung für die Slowakei erzielen konnte, drehten die Bosnier in Durchgang zwei die Partie zu ihren. Das entscheidende Siegtor durch Izet Hajrovic, der mittlerweile für Werder Bremen spielt, ist in folgendem Video zu sehen. Die Szene ist in diesem Video ungeschnitten, der Bremer traf unmittelbar nach seiner Einwechslung und seinem zweiten Spiel überhaupt für Bosnien:
4:1 gegen Liechtenstein in Zenica (ein kleiner Ort in der Nähe von Sarajevo) und 1:0 gegen Litauen in Kaunas – die WM-Teilnahme war nach diesen beiden (Pflicht-)Siegen gesichert. Unglaubliche Momente, welche dass gesamte Land nach dem Sieg über Litauen durchlebte. Die Highlights zum alles entscheidenden Spiel gibt es hier:
Nach drei Gruppenspielen in Brasilien ist Schluss
Ein unvergessliches Debüt die für die Nationalelf von Bosnien: Im Maracana feierte die Elf vor 78.838 Zusehern gegen Argentinien ihr WM-Debüt. Noch schwieriger zu vergessen macht dieses Spiel ein Moment, der sich in Minute 3 der Partie ereignete. Nach einem Messi-Freistoß lenkte der Schalker Sead Kolasinac den Ball ins eigene Tor. Ein Tor, dem die Bosnier vergeblich nachliefen, bis Messi die Führung mit einem Solo auf 2:0 ausbauen konnte. Der erste Treffer bei einer WM-Endrunde durch Vedad Ibisevic war nur noch Ergebniskosmetik. Doch trotz der Niederlagen konnten die Bosnier auf ihre Elf stolz sein.
Das zweite Gruppenspiel gegen Nigeria würden die Bosnier wohl auch heute noch gerne ungeschehen machen. 1:0 für Nigeria, nachdem zuvor ein Dzeko-Treffer ungerechterweise wegen angeblicher Abseitsposition zurückgepfiffen wurde. Bitter – kurz danach konnten die Nigerianer die Führung und den entscheidenden Siegtreffer erzielen. Dzeko traf in Minute 93 noch Aluminium, bevor unmittelbar danach der Schlusspfiff ertönte. Somit war das Turnier für die Bosnier vorzeitig beendet, auch wenn noch ein Spiel gegen den Iran zu absolvieren war. Dieses letzte Gruppenspiel gewann man mit 3:1 – erster WM-Endrundensieg im ersten Anlauf.
Neue Quali, neues Glück
Wer denkt, dass Bosnien nur noch die WM-Teilnahme gefehlt hat, täuscht sich. Die junge Nation konnte sich bis dato noch nie für eine Endrunde einer Europameisterschaft qualifizieren und träumt nun einen neuen Traum von „Frankreich 2016.“ In einer Gruppe mit Belgien, Israel, Wales, Andorra und Zypern kämpfen die bosnischen Stars um einen Platz bei der EM-Endrunde in Frankreich. Es ist eine Gruppenkonstellation, die den bosnischen Anhängern Hoffnung macht. Denn auf den ersten Blick kommen eigentlich nur zwei Teams für den ersten Platz in Frage: Belgien und Bosnien & Herzegowina. Und bekanntlich reicht diesmal auch der zweite bzw. womöglich sogar der dritte Platz für eine EM-Teilnahme. Mit Edin Dzeko und vielen anderen Stars, die wir in weiterer Folge näher beschreiben werden, erwartet das Land ein harter Kampf um die erste Qualifikation für die Endrunde.
Edin Dzeko – neuer Kapitän der Nationalmannschaft
Mit dem Ende der Weltmeisterschaft in Brasilien hängten zwei wichtige Bestandteile der Nationalmannschaft ihre Fußballschuhe – zumindest in der Nationalelf – an den Nagel: Zvjezdan Misimovic und der langjährige Kapitän Emir Spahic. Misimovic beendet seine Nationalmannschaftskarriere nach zehn, Spahic nach 14 Jahren.
Den neuen Kapitän hat Trainer Susic in Edin Dzeko gefunden, der die Mannschaft bereits am 9. September im Heimspiel gegen Zypern als Kapitän auf das Feld führen wird. Mit Susic überreichte einer der besten bosnischen Fußballspieler aller Zeiten einem Kollegen der Neuzeit und würdigen Nachfolger die Binde!
Die Stars und das Spielsystem
Safet Susic lässt normalerweise in einem 4-4-2 System spielen. Durch die „Abgänge“ von Misimovic und Spahic verlassen zwei Eckpfeiler der letzten Jahre die Nationalmannschaft. Ermin Bicakcic und Sead Kolasinac hätten, den Worten des Trainers nach, ein mögliches Duo für die Innenverteidigung darstellen können, wenn sich der Schalker im Bundesliga-Spiel gegen Hannover nicht das Kreuzband gerissen hätte und somit für Monate ausfallen würde. Zwei weitere Möglichkeiten hat Susic mit Ognjen Vranjes und Toni Sunjic. Für welches Duo sich der Bosnier letztlich entscheidet, wird spätestens beim Quali-Debüt gegen Zypern zu sehen sein.
Im Mittelfeld sind auch nach dem Abgang von „Zwetschke“ Misimovic einige Varianten möglich. Miralem Pjanic (AS Roma), Izet Hajrovic (Werder Bremen), Haris Medunjanin (Deportivo La Coruna), Tino-Sven Susic (Hajduk Split), Sanjin Prcic (FC Stade Rennes), Sejad Salihovic (Hoffenheim) und Senad Lulic (Lazio Rom) sorgen für zahlreiche Optionen im Mittelfeld und an den Flügeln der Bosnier. Spieler, die auf der Außenbahn kleben haben die Bosnier am Platz jedoch nicht, zumal der Angriff vor allem aufgrund von Variabilität im Angriff lebt.
Der Grund für das 4-4-2 System liegt vor allem am Sturm: Trainer Susic möchte weder auf Kapitän Edin Dzeko (Manchester City), noch auf Vedad Ibisevic (VfB Stuttgart) verzichten und setzt deswegen vor allem auf zündende Ideen von Sejad Salihovic und Miralem Pjanic, die immer wieder aus dem Halbfeld in Richtung des gegnerischen Tores vorstoßen. Eine Spielidee bzw. eine Aufgabenverteilung, an welchem Safet Susic wohl auch in dieser Qualifikation festhalten wird.
Sandi Kecanovic, abseits.at
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Sandi Kecanovic
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