Kommentar: Neymar ist jetzt dort, wo er hingehört…
KommentarWeitere Länder 16.August.2023 Daniel Mandl
Irgendwie war es von Anfang zu erwarten, dennoch dauerte es relativ lange, bis der Deal in trockenen Tüchern war. Neymar verlässt Paris Saint-Germain und wechselt zu Al-Hilal nach Saudi-Arabien. PSG verabschiedete den Brasilianer als „Klublegende“, die Fans sind nicht unglücklich über den Abgang.
Bis heute ist der 31-jährige Neymar der teuerste Spieler der Fußballgeschichte. Im Sommer 2017 bezahlte Paris Saint-Germain 222 Millionen Euro Ablöse an den FC Barcelona um den genialen, aber häufig umstrittenen Brasilianer nach Frankreich zu holen. 118 Tore und 77 Assists gelangen Neymar in 173 Spielen für die Pariser. Häufig ließ er die Fans mit der Zunge schnalzen, unterm Strich stehen aber auch nur durchschnittlich 29 Einsätze pro Saison – und kein internationaler Titel, den man sich in Paris so sehnlich wünschte.
Spätestens seit letzter Saison hing der PSG-Haussegen deshalb schief. Die Fans stiegen auf die Barrikaden, machten „Söldner“ wie Neymar oder Messi als das Problem aus, forderten den Abgang der sündteuren Stars. Auch mannschaftsintern kam es nach und nach zu Problemen, etwa mit Starstürmer Kylian Mbappé. Neymar tat sich besonders hervor, über die sozialen Medien noch ein wenig Öl ins Feuer zu gießen – oder seinen Standpunkt zu bekräftigen. Je nachdem, wie man’s sieht.
Weltmeister Messi zog in Paris bereits etwas früher die Reißleine und verabschiedete sich in die USA. Auch dem Argentinier war klar, dass der harte Kern der PSG-Fans ihn wohl nie wieder voll akzeptieren würde. Neymar wusste das ebenso, betonte dennoch weiterhin, PSG-Spieler zu sein. Im Hintergrund wurde aber natürlich schon an einem Deal gebastelt – und um horrende Summen gefeilscht.
Wo es für den 124-fachen brasilianischen Teamspieler hingehen würde, war auch klar. Zwar gab es einige lose Berichte, dass sein Ex-Klub Barcelona Lust auf ein Comeback hätte und auch Premier-League-Topklubs wie Arsenal oder Manchester United Interesse am Linksaußen hätten, aber alleine aufgrund des finanziellen Umfangs des Deals war klar, dass es nur in die neuerdings spendable Saudi Pro League gehen kann. Die Behörden und die FIFA/UEFA hätten Barca wohl eher den Vogel gezeigt, wenn man beim verlorenen Sohn ernstgemacht hätte.
Der Al-Hilal Saudi FC ist nun also für die nächsten zwei Jahre (mit Option auf ein weiteres Jahr) der Arbeitgeber des brasilianischen Superstars, der auch Gegenstand zahlreicher Memes ist, die ihn schmerzübermannt durch die Gegend kugeln lassen, als stünde er kurz vor dem Exodus. Das nicht ganz so schlanke Packerl: 80 Millionen Euro Ablöse für PSG, mögliche Boni in Höhe von 20 Millionen, 80 Millionen pro Saison für Neymar, Möglichkeit von bis zu 150 Millionen pro Jahr inklusive Prämien und Werbedeals.
Al-Hilal, das zuvor bereits 180 Millionen an Ablösen für Malcom, Ruben Neves, Sergej Milinkovic-Savic und Kalidou Koulibaly ausgab und vom Portugiesen Jorge Jesus betreut wird, könnte der Neymar-Deal also im teuersten Fall – also bei einer gezogenen Vertragsoption im Sommer 2025 – über eine halbe Milliarde Euro kosten. Dass der Brasilianer das in der Wüste wohl nicht mit Trikotverkäufen einspielen wird, ist eh klar. Die Saudi-Klubs, die sich gerade eine Star-Armada für die heimische Liga aufbauen, als würden sie sich untereinander absprechen, wollen aber natürlich keine Gewinne schreiben.
Was in Saudi-Arabien höchste Priorität hat, ist das Reinwaschen von Menschenrechtsverletzungen und die Verbesserung des Images durch den Sport. „Seht her, wir bekommen die allergrößten Stars“ – das ist die Devise, die Saudi-Arabien über kurz oder lang wohl auch die Austragung einer WM ermöglichen soll, nachdem’s Katar 2022 bereits im kleineren Stil vormachte. Das „Schmerzensgeld“, das die Saudis den Kickern dafür zahlen, ist höher, als man es bisher jemals für möglich hielt.
Und das passt doch ganz gut zu Neymar. Schon der PSG-Deal 2017 war international umstritten, ließ viele Beobachter kopfschüttelnd zurück. 120 wegen Verletzungen verpasste Spiele und zugleich ein gewisses Maß an Undankbarkeit gegenüber den „Verbrauchern“, also den Fans der Pariser, verschönerten das Bild nicht unbedingt. In Saudi-Arabien kann Neymar, wohnhaft in einem luxoriösen Compound ohne Religionspolizei, Missachtung der Menschenrechte und mit ein bisschen mehr „gleicher als gleich“ im Vergleich zur saudischen Zivilbevölkerung, seinen Karriereabend genießen und noch einmal ordentlich absahnen. Und diese Kritik richtet sich hier auch nur sinnbildlich an den teuersten der vielen fragwürdigen Saudi-Deals – und trifft im Grunde auf alle zu, die sich zuletzt für Unsummen von ihren neuen Arbeitgebern instrumentalisieren ließen.
Klar, jeder muss schauen, wo er bleibt. Um den Fußball geht es aber schon lange nicht mehr. Auch wenn man das den Fans gerne so vermittelt, als würde man glauben sie sind ohnehin alle dumm. Neymar kommentierte seinen Megatransfer wie folgt: „Ich habe in Europa viel erreicht und besondere Zeiten erlebt, aber ich wollte schon immer ein Global Player sein und mich neuen Herausforderungen und Möglichkeiten an neuen Orten stellen.“ – mhm.
Auch Lionel Messi wird in den USA nicht am Hungertuch nagen und auch beim 36-jährigen Argentinier passen die Relationen schon lange nicht mehr. Der Neymar-Deal ist aber nochmal eine andere Größenordnung – nämlich in etwa die doppelte, wenn man die Aston-Martin- und Lamborghini-Sammlung mal einfach als kleine Incentives einstuft. Dass ausgerechnet der fußballverrückte Junge aus Mogi das Cruzes, der beim FC Santos groß wurde und den Fußball zumindest anfänglich so „feierte“, wie einst sein großes Idol Ronaldinho, der Jugend (nicht nur in seinem Heimatland) derartige Wertigkeiten vorlebt, ist enttäuschend. Aber wenn man die letzten Jahre des „Showman“ Neymar genauer beobachtete, muss man leider auch sagen: Der Brasilianer ist jetzt genau dort, wo er hingehört…
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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