Meister in der allerersten Saison: Franchise-Klub aus Sydney holt australischen Titel
Weitere Länder 30.März.2013 Daniel Mandl 0
Die australische Fußball-Ligasaison ist entschieden: Die Western Sydney Wanderers sind nach einem 3:0-Auswärtssieg in der letzten Runde auswärts bei den Newcastle Jets neuer Meister. Es ist der erste Titel für die Wanderers. Logisch, denn der Verein wurde erst am 25.Juni 2012, also vor gerademal neun Monaten gegründet.
Aktuell zählt die australische A-League zehn Vereine, nachdem bei ihrer Gründung im Jahr 2004 acht Vereine um den Titel spielten. Allerdings sind die Verantwortlichen bestrebt die Liga zu erweitern, auch um neue Regionen des sechstgrößten Staats der Erde für Fußball zu begeistern und womöglich ortsansässige Mäzene auf das Potential der australischen Liga aufmerksam zu machen. In Zukunft sollen etwa die Bereiche Queensland, Neuseeland und auch Tasmanien stärker forciert werden.
Franchising in der A-League
Das Besondere an der A-League ist, dass sie auf Franchising vertraut, wie man es aus den nordamerikanischen Profiligen diverser Sportarten kennt. Es gibt keine Auf- und Absteiger, eine „feste“ oberste Spielklasse und die Vereine können sich im Rahmen der fortdauernden Erweiterung der A-League mit Hilfe von „Angeboten“ an die Liga anschließen. Wenn die Liga beschließt, dass sämtliche Rahmenbedingungen eine Aufnahme in die Liga sinnvoll machen, wird das vorgeschlagene Team in die Liga aufgenommen. Aber hier fängt die Arbeit erst an!
„Fans“ wurden im Vorfeld befragt
Am Anfang der Western Sydney Wanderers stand Lyall Gorman, der ehemalige Präsident der australischen A-League. Er trieb die Bewerbung des West Sydney Klubs voran und schlug als Erster vor, dass die Fans – bzw. die möglichen Anhänger des Vereins – im Internet über den Charakter des zu diesem Zeitpunkt unbenannten Klubs bestimmen dürfen. Konkret ging es um Entscheidungen im Bezug auf die Heimstätte, Farben und Werte. Auch der Name stand zur Debatte, wobei sich die Fans zwischen Athletic, Wanderers, Wolves, Strikers und Rangers entscheiden konnten. Selbst nach der gewünschten Spielweise wurden die Anhänger gefragt.
Popovic als Cheftrainer, Milicic Assistent
Der zweite Mann, der an Bord kam, als all diese Fragen noch offen waren, war der 58-fache australische Teamspieler Tony Popovic (39), der zuvor als Co-Trainer für Crystal Palace in England arbeitete und nun die Western Sydney Wanderers noch vor dem ersten Spiel der Vereinsgeschichte als Cheftrainer übernahm. Co-Trainer Ante Milicic (38), ebenfalls ein ehemaliger australischer Teamspieler, folgte nur wenige Tage danach. Erst am Tag der Auslosung für die A-League-Saison 2012/13 wurden Name, Vereinsfarben, Stadion und auch die ersten Kaderspieler bekanntgegeben. Den Namen „Wanderers“ wählten die Fans als Hommage an den ersten registrierten Fußballklub Australiens, der aus derselben Region um Sydney kam und ebendiesen Namen trug.
Untermiete in Parramatta
Das Parramatta Stadium wurde mit dem Einverständnis der Fans als erste und vor allem einzige Spielstätte für den neu „erfundenen“ Klub bestimmt. Im Vorfeld der Vereinsgründung gab es zahlreiche Meetings mit den ersten sich bildenden Fangruppen, bei denen der Bau eines eigenen Stadions als eines der mittelfristigen Ziele angesprochen wurde. Bis dahin ist man in Parramatta Untermieter.
6,48 Millionen Euro als Finanzspritze
Das Projekt Western Sydney Wanderers wurde mit einer Finanzspritze des Bundesstaates New South Wales in Höhe von 8 Millionen australischen Dollar (6,48 Millionen Euro) begonnen, von denen etwa 52% direkt in den Spielbetrieb der Herrenmannschaft flossen, während der Rest der Revitalisierung eines Trainingszentrums und der Frauenmannschaft zu Gute kamen. Knapp drei Monate nach der Gründung des Klubs, konnte man sich bereits über 2.000 verkaufte Mitgliedschaften freuen, was weitere Einnahmen brachte und dafür sorgte, dass der Klub im Laufe der Saison seinen Kader nachrüsten konnte.
Ono und Hersi Schlüsselspieler, Ballack für den Verband „zu teuer“
Der Kader sah anfänglich nämlich eher rudimentär aus. Ordentlich Geld nahm man nur für Schlüsselspieler Shinji Ono (33) in die Hand, der einst um 12,5 Millionen Euro von den Urawa Red Diamonds zu Feyenoord Rotterdam transferiert wurde und später auch für den VfL Bochum spielte. Ein zweiter Schlüsselspieler fürs Mittelfeld ist der äthiopisch-stämmige Niederländer Youssouf Hersi (30), der aus Zypern von Alki kam und im offensiven Mittelfeld eine starke Saison spielte. Kurze Zeit war auch ein Transfer von Michael Ballack (36) nach Sydney im Gespräch, aber der australische Verband legte aufgrund zu hohen Gehalts sein Veto ein.
Rivalität mit dem Sydney FC als „gallischer Katalysator“
Der Rest des Teams setzte sich seit Saisonbeginn größtenteils aus „Free Agents“ zusammen. Der Klub graste die Kicker ab, die von anderen Vereinen nicht mehr benötigt wurden, verpflichtete sie günstig und vertraute darauf, dass Trainer Tony Popovic aus ihnen eine Mannschaft formen würde. Ein wichtiger Katalysator auf dem Weg zu einem guten Ruf unter Fans und Spielern ist die Rivalität zwischen den Western Sydney Wanderers und der bisherigen Macht in Sydney, dem Sydney FC. Die Chance sich gegen den großen, blau-schwarzen Bruder auflehnen zu können, ermöglichte von Beginn an ein „Gallisches-Dorf-Image“, das man gerne annahm. Die Rivalität ging bereits in den Kinderschuhen der Wanderers so weit, dass es bei Freundschaftsspielen zu Ausschreitungen zwischen den Fangruppen der beiden Sydney-Teams kam.
Drei Überläufer, unter anderem der Kapitän
Pikant: Der Kapitän der Western Sydney Wanderers heißt Michael Beauchamp (32), spielte unter anderem bereits beim 1.FC Nürnberg, 22-mal im australischen Nationalteam – und wechselte vor der Saison vom Sydney FC zu den Wanderers. Letzteres gilt auch für Linksverteidiger Shannon Cole (27) und Stürmer Mark Bridge (27), der beim FC stets Ergänzungsspieler war, nun aber mit elf Saisontoren nicht nur der beste Torschütze seines Teams in der ersten Saison, sondern auch ein bemerkenswerter Garant für Erfolge war: Immer wenn Bridge traf, gewannen die Wanderers.
Weitere Legionäre um schneller Fuß zu fassen
Um schneller in der A-League Fuß fassen zu können, holte man weiters routinierte Legionäre. Keine typischen Schlüsselspieler wie Ono oder Hersi, sondern eher Akteure, die für die rustikale Arbeit zuständig sein sollten: Der italienische Innenverteidiger Iacopo La Rocca (29) kam von den Grasshoppers Zürich, der deutsche Rechtsverteidiger Jérôme Polenz (26) vom 1.FC Union Berlin, der Kroate Mateo Poljak (23), ein Mann fürs linke Mittelfeld, wurde von Lokomotiva Zagreb geholt und sein Landsmann Dino Kresinger (31), der von Cibalia Vinkovci nach Sydney wechselte, diente als Prellbock an vorderster Front.
Beeindruckende Serie ermöglicht Meistertitel
Nach anfänglichen Problemen und dem Rückfall auf den achten Tabellenplatz Anfang Dezember 2012, wurde der 13.Jänner 2013 zum Startschuss für die großen 2 ½ Monate des jungen Klubs. Von den letzten 12 Ligaspielen der laufenden Saison (am Sonntag ist das letzte Spiel, die Wanderers wickelten ihr Programm bereits vollständig ab) gewannen die Wanderers 11 – nur im Derby gegen den Sydney FC gab es ein 1:1-Unentschieden. Mit 57 Punkten aus 27 Spielen holten sich die Rot-Weiß-Schwarzen somit bereits in ihrer allerersten Saison den Meistertitel und lassen die Konkurrenten um den Titelkampf, die Central Coast Mariners, hinter sich.
Wie geht’s in Australien weiter?
Nach nur neun Monaten Bestehen sind die Western Sydney Wanderers also australischer Meister – doch eine Garantie für eine Vormachtstellung in den kommenden Jahren ist dies noch lange nicht. Einerseits wird die Liga voraussichtlich weiterhin ausgebaut werden und das Beispiel der Wanderers zeigt, dass auch Neueinsteiger für Sensationen gut sein können. Zudem wird der Beispieltransfer des italienischen Superstars Alessandro del Piero, der vor der Saison zum Sydney FC wechselte, weitere Sensationstransfers möglich machen, was einzelne Klubs immer wieder kurzfristig stärken wird. Und dann gibt’s da noch das Thema Franchising, das in seiner geordneten Variante zum Segen für die Wanderers wurde, aber ebenso schnell auch zum Verhängnis werden könnte. Schließlich ist jedes Franchise auswechselbar und so ist nicht nur ein Besitzerwechsel keine große Sache, sondern auch ein Wechsel des Standortes…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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