Jeden Sonntag wollen wir in dieser Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im... Men to (re)watch (49) – Fábio Paim (KW 49)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im Konjunktiv stecken blieb, die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt radikal verändert haben oder sonst außergewöhnlich waren und sind: Sei es, dass sie sich nach dem Fußball für ein völlig anderes Leben entschieden haben, schon während ihre Profizeit nicht dem gängigen Kickerklischee entsprachen oder aus unterschiedlichen Gründen ihr Potenzial nicht ausschöpften. Auf jeden Fall wollen wir über (Ex)-Fußballer reden, die es sich lohnt auf dem Radar zu haben oder diese (wieder) in den Fokus rücken. Wir analysieren die Umstände, stellen Fragen und regen zum Nachdenken an: Der diesen Sonntag präsentierte Kicker galt zwar einst als portugiesisches Supertalent, konnte aber letztendlich bei keinem Verein längerfristig andocken…

„Wenn Sie denken, dass ich gut bin, dann warten Sie einmal bis sie Fábio Paim sehen.“, sagte niemand Geringerer als Cristiano Ronaldo vor beinahe zwanzig Jahren. Damals verdiente der spindeldürre, pickelige Jungspund bei Manchester United erste Sporen auf der ganz großen Fußballbühne. Paim und Ronaldo kannten sich aus der Akademie von Sporting Lissabon, wo Ronaldo zwar als großes Talent galt, jedoch nicht jenen Status genoss, der dem jüngeren Fábio zuteil wurde. Während Ronaldo von seinen Kameraden wegen seines Dialektes – er stammt bekanntlich von der Insel Madeira – gehänselt wurde und sich durchkämpfen musste, wurde Paim von Klub und Mitspielern hofiert. Er war das Versprechen des portugiesischen Fußballs, doch letztendlich erwies sich der Kreativspieler als mit dem Profisport nicht kompatibel.

„Er hat sich den Arsch aufgerissen; ich nicht.“

Fábio Paim wurde am 15. Februar 1988 als Sohn einer Arbeiterfamilie mit angolanischen Wurzeln in Lissabon geboren. Er wuchs in einem vornehmen, meerseitigen Viertel der portugiesischen Hauptstadt auf, obwohl die Paims nur mit Mühe über die Runden kamen. Sein Fußballtalent war so hervorstechend, dass er bereits als Sechsjähriger in die Akademie von Sporting aufgenommen wurde. Bis heute hält sich die Legende, dass er bereits mit 11 Jahren eine Art eigenen Fanclub hatte, der ihm zu Turnieren nachreiste. Drei Jahre später jagte halb Europa den ballverliebten Flügelspieler: Barcelona, Man. United und Real Madrid wurden bei den Eltern Paims vorstellig. Frankreichs Fußballverband schlug sogar eine großzügige Apanage vor, um den Jungspund zu naturalisieren, damit er künftig für Les Bleus die Schuhe schnüren könne. Doch Fábio blieb Sporting treu. Der Klub schaute auf ihn: So soll er schon als Jugendspieler – an der Steuer vorbei – mehr verdient haben als so mancher Profi im Kader der ersten Mannschaft. Noch bevor Fabio einen Führerschein machen durfte, besaß er bereits einen Sportwagen. Weitere hochpreisige Karossen sollten folgen: „Ferrari, Lamborghini, Porsche, Maserati und sogar einen Fiat Punto. Ich kaufte mir jedes Auto, dass man sich vorstellen kann.“, erzählt er.

Seine Leidenschaft für Luxus und falsche Freunde machte Fábio später als Hauptschuldige dafür aus, dass seine Profikarriere nie richtig Fahrt aufnahm. Doch als Teenager glänzte er noch in sämtlichen Jugendnationalmannschaften und in der U 21 von Sporting neben Nani, Joao Moutinho, Ricardo Quaresma und (natürlich) Cristiano Ronaldo. Der junge Mann mit den langen Dreadlocks hatte eine Ballbehandlung wie ein Brasilianer, umspielte Gegner, als wären sie nicht da, und zündete regelmäßig ein Feuerwerk auf dem Rasen. Paim galt als heiße Transferaktie und selbst heute fragt man sich angesichts diverser Videos, die im Internet kursieren, wie es jemand mit einem derartigen Talent schafft, nicht in der Weltspitze mitzumischen. Paim gelang es. Zunächst wurde ihm das Debüt für die Kampfmannschaft seines Stammvereines verweigert. Stattdessen lief er 2007 in der höchsten portugiesischen Spielklasse im Trikot von Olivais Moscavide auf. Der Spieler erinnert sich: „Paulo Bento, der damalige Sporting-Trainer, hat nie an mich geglaubt. Er mochte mich als Person nicht und dachte, ich sei ein Rebell.“ Ein Vorwurf, der wohl nicht aus der Luft gegriffen ist. Sporting verlieh sein Supertalent in der Folge innerhalb Portugals. In einer Spielpause flog der Jungspund nach Mexico; nur mit Reisepass und Kreditkarte in der Hosentasche seiner Jogginghose. 14 Tage später kam er mit drei Koffern, vollgestopft mit Designerkleidung, zurück nach Europa. Seine Kollegen machten große Augen. Für Fábio – ein völlig normales Verhalten.

Nach weiteren Leihgeschäften brachte ihn Agent Jorge Mendes 2008 bei Chelsea unter, wo mit Luiz Felipe Scolari der ehemalige portugiesische Teamchef die Zügel in der Hand hatte. Fábio Paim bezog zwar wieder ein fürstliches Gehalt, saß aber nur auf der Ersatzbank und wurde schließlich in die zweite Liga seines Heimatlandes verliehen. Rückblickend gibt der nunmehrige Ex-Profi zu, dass er zu dieser Zeit die Lust am Profigeschäft verloren hatte. In London habe er aufgehört ernsthaft zu trainieren und sei lieber auf Partys gegangen. Als 2010 sein Vertrag bei Sporting nicht verlängert wurde und keine Angebote, die seinem Talent entsprachen, da waren, schloss Fábio endgültig mit der möglichen Weltkarriere, die ihm alle stets prophezeit hatten, ab.

Die Schuld dafür sucht er vor allem in seinem Umfeld: „Mich habe viele Leute umgeben, die nur Geld von mir wollten und nicht an mir als Person interessiert waren. Ich habe damals nicht auf die Leute gehört, die mir helfen wollten – wie meine Mutter, meinen Onkel und Jorge Mendes.“ Angesprochen auf jenen Ronaldo, der ihn als Jugendspieler bewundert hatte, muss der Offensivspieler zugeben, dass er einfach nicht so hart an sich gearbeitet hat, wie es der fünffache Ballon d’Or-Sieger getan hatte: „Ronaldo hat jeden Tag Gas gegeben und sich den Hintern aufgerissen. Ich dagegen habe nichts getan, um Großes zu erreichen.“

Fábios unglückliche Weltreise

Bis er im Jahr 2018 seine Profikarriere beendete, beehrte der gebürtige Lissaboner achtzehn weitere Fußballvereine: Er kickte stets nur wenige Wochen bis Monate bei portugiesischen Vereinen, aber auch bei Klubs in Angola, Luxemburg, Malta, Brasilien oder Litauen. Überflüssig zu erwähnen, dass Paim nirgendwo durchschlagenden Erfolg hatte und die hässliche Seite des Fußballlebens kennenlernte: Entlassung, fehlende Gehaltszahlungen, Fitnessprobleme. Der Tiefpunkt folgte jedoch im Sommer 2019 als Portugals einstiges Fußballwunder in Handschellen abgeführt wurde: Paim wurde vorgeworfen Teil eines Drogennetzwerkes, das Heroin von den Azoren nach Europa schmuggelt, zu sein. Im September 2019 wurde die Anklage fallengelassen, da als Beweis nur abgehörte Telefonate gedient hatten und dies unzureichend sei. Der ehemalige Profispieler hatte zu den Vorwürfen geschwiegen.

Fábio Paim verdient sein Geld heute u.a. mit der Teilnahme in Reality-Shows. Aus einer solchen Sendung wurde er in Angola hinausgeschmissen, weil er in einem Big-Brother-ähnlichen Format eine Frau attackiert hatte. Sein Vermögen ist längst weg und mit der Polizei hat Fábio mehr Kontakt als es ihm lieb ist: Mehrfach – bereits als Jugendspieler – wurde er wegen sexueller Belästigung, z.B. Masturbieren in der Öffentlichkeit, angezeigt.

Ganz einsichtig ist das ehemalige Wunderkind, das ein „ewiges Versprechen“ bleiben sollte, bis heute jedoch nicht: Er sei zwar für den Profisport zu undiszipliniert gewesen, habe aber auch bei seinen Wechseln Pech gehabt. Viele Trainer hätten ihn unterschätzt und nicht gefördert. So weiß Fábio über sein Engagement 2010 bei Torreense in der zweiten Liga zu berichten: „Ich war der beste Spieler dort und habe maßgeblich beim Aufstieg mitgeholfen. Aber dann hat mich der Trainer ohne Erklärung einfach fallen gelassen.“

Der Name Fábio Paim dient heute – insbesondere in Portugal – als warnendes Beispiel für alle Jungspunde, die sich nur auf ihr Talent verlassen wollen. Der Ex-Profi formuliert die Moral seiner tragischen Geschichte so: „Ich bin mir sicher, alle Menschen haben einen Traum. Wenn man eines Tages die Gelegenheit hat sich diesen zu erfüllen, sollte man nicht denken, dass es schon geschafft ist: Kämpft dafür und arbeitet hart!“ Paim hat es verabsäumt in der Nationalmannschaft zu kicken oder bei einem Weltklub zu unterschreiben. Statt das Trikot des FC Barcelonas zu tragen und im Camp Nou einzulaufen, hatte er 2019 als ihn die portugiesische Polizei wegen des Verdachtes des Drogenverkaufs in Handschellen abführte eine Kappe mit dem Logo des FCB auf dem Kopf. Eine schmerzhafte Erinnerung an einen großen Traum.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag