Mitfavorit auf den EM-Titel im eigenen Land? Eine Kaderanalyse der Équipe Tricolore (1)
Weitere Länder 15.Oktober.2014 Martin Roithner 0
Während die europäischen Nationalteams in diesen Tagen in den Gruppenspielen zur EM-Qualifikation 2016 um wichtige Punkte spielen, kann eine Mannschaft ihre Partien ziemlich gelassen absolvieren. Der zweifache Europameister Frankreich ist in zwei Jahren Gastgeber und somit automatisch für die Titelkämpfe im eigenen Land qualifiziert. Zur Vorbereitung bestreiten die Franzosen an den Qualifikationsterminen gegen den spielfreien Gegner in Gruppe I jeweils ein Freundschaftsspiel. Wir werfen im folgenden Artikel einen genaueren Blick auf den Kader der Équipe Tricolore.
Klare Rollenverteilung im Tor
Im Tor als Nummer eins gesetzt ist der 27-jährige Hugo Lloris vom englischen Europa-League-Vertreter Tottenham. 2012 wurde er zum Kapitän der Nationalmannschaft beordert, mittlerweile steht der Schlussmann bei 64 Länderspieleinsätzen. Auf der Linie zeigt Lloris oft sehenswerte Paraden, auch im Abfangen von Flanken offenbart er seine Klasse. Generell gilt er als eher ruhiger Charakter, was er auch auf sein Torwartspiel überträgt.
Sein erster Ersatzmann ist Stéve Mandanda. Bei Olympique Marseille ist er im Kasten gesetzt, im Nationalteam kommt er trotz seiner 29 Jahre auf lediglich 18 Einsätze. Diese eher magere Statistik ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass der gebürtige Kongolese stets die zweite Wahl war. In den letzten vier Jahren brachte er es gerade einmal auf fünf Länderspiele, gegen Portugal zeigte er vergangenen Samstag dennoch eine überzeugende Leistung.
Stéphane Ruffier ist aktuell der dritte Torwart im Kader der Franzosen, der Keeper von St. Etienne hat bisher erst zwei Länderspieleinsätze zu Buche stehen. Viel mehr dürften es angesichts der Klasse von Lloris und Mandanda nicht werden, Ruffier muss wohl wie der vierte Torhüter – Benoît Costil, der mit Philipp Hosiner in Rennes spielt – auf Formschwächen seiner Konkurrenten hoffen.
Harter Konkurrenzkampf in der Innenverteidigung
Frankreichs Trainer Didier Deschamps verfügt im Abwehrzentrum über körperlich robuste und technisch beschlagene Spieler. Einen Stammplatz kann sich ob des enormen Konkurrenzkampfes auf dieser Position vermutlich niemand erwarten, am ehesten jedoch noch Arsenal-Legionär Laurent Koscielny. Mit seinen 29 Jahren darf er sich schon zu den routinierten Akteuren im Kader zählen, an seiner Grundschnelligkeit hat er dennoch kaum etwas eingebüßt. Stärken beweist er auch im Antizipieren von Pässen und im Spielaufbau, in dieser Saison weist er in der Liga eine Passgenauigkeit von 93% auf.
Gute Chancen auf ein Leiberl bei der Europameisterschaft kann sich auch Raphael Varane ausrechnen. Der Youngster steht bei Champions-League-Sieger Real Madrid unter Vertrag und zählt zu den talentiertesten Verteidigern in Europa. Mit 15 Länderspielen hat der erst 21-jährige Rechtsfuß im Nationalteam auf sich aufmerksam gemacht, ob seiner Abgeklärtheit in den Zweikämpfen und seinem sicheren Passspiel werden wohl noch viele weiter folgen.
Nicht wesentlich älter, dafür aber mindestens genauso begabt ist Eliaquim Mangala von Manchester City. Der 23-Jährige wechselte in der vergangen Transferperiode für die Ablösesumme von 40 Millionen Euro vom FC Porto auf die Insel und ist damit der fünftteuerste Verteidiger aller Zeiten. Mangala ist taktisch vielseitig, kann aufgrund seiner Beidfüßigkeit auf beiden Positionen in der Innenverteidigung oder im defensiven Mittelfeld spielen. Oft geht er jedoch zu ungestüm in die Zweikämpfe und weiß sich nur mit Fouls zu helfen, was ihn zu einem gewissen Risikofaktor für die Startelf macht.
Eine weitere Alternative im Zentrum der Abwehr könnte Mamadou Sakho darstellen. Aktuell ist der physisch starke, passgenaue Verteidiger beim FC Liverpool zwar nicht in der ersten Elf, weiß jedoch bei seinen Einsätzen im Team trotzdem zu überzeugen. Seine beiden Treffer im Play-off-Rückspiel gegen die Ukraine brachten Frankreich zur Weltmeisterschaft nach Brasilien.
Seinen guten Leistungen beim FC Barcelona verdankt Jérémy Mathieu die Einberufung in den Teamkader. Der 30-Jährige kann als linker Innen- oder Außenverteidiger eingesetzt werden, kam aber bislang erst viermal zu Länderspielehren. In der Regel bringt Mathieu beachtliche 90% seiner Zuspiele pro Spiel an den Mann, zudem kassierte er im Verein in sieben Ligaspielen noch kein Gegentor. Dennoch bleibt abzuwarten, ob er an seinen jüngeren Nationalmannschaftskollegen vorbeikommt, zumal er bei der EM 2016 zu den älteren Semestern zählen wird.
Nur die Zuschauerrolle bleibt wohl Mapou Yanga-Mbiwa, der momentan von Newcastle an die AS Roma verliehen ist. Der Rechtsfuß ist auch als rechter Verteidiger einsetzbar, weshalb er für Trainer Deschamps nichtsdestotrotz eine interessante Option bleiben könnte. Yanga-Mbiwa ist technisch beschlagen, verliert aber durch Unachtsamkeiten viele Bälle und hat auch in Luftduellen Schwächen.
Durch die Bank erfahrene Außenverteidiger
Der erfahrenste Spieler an den Außenpositionen in der Verteidigung ist der ehemalige Kapitän Patrice Evra. Nach acht Saisonen bei Manchester United wechselte er im Sommer in die Serie A zu Juventus Turin und beackert dort mit seinen 33 Jahren die linke Defensivseite. In der Nationalmannschaft zettelte er bei der Weltmeisterschaft 2010 mannschaftsinterne Querelen an, zerwarf sich infolge dessen mit dem französischen Verband und wurde für fünf A-Länderspiele gesperrt. Evra ist – mangels Alternativen – in der Startelf Frankreichs gesetzt, mit seinen gefährlichen Hereingaben soll er die Stürmer bedienen.
Evras Backup Lucas Digne ist bei Paris St. Germain nur Ersatz, der 21-Jährige soll jedoch auf lange Sicht gesehen zu einem fixen Bestandteil von Klub und Nationalteam werden. Trotz seiner Körpergröße von 1,79 m ist er stark in Kopfballduellen, bringt 88 % seiner Pässe an den Mann und sorgt auch nach vorne immer wieder für Druck über die linke Flanke. Im taktischen Bereich und beim Tackling hat Digne noch Luft nach oben.
Frankreichs rechte Abwehrseite ist besser besetzt als die linke, im Hinblick auf die EM scheint Mathieu Debuchy die besten Karten zu haben. Momentan ist der Arsenal-Kicker mit einer Knöchelverletzung außer Gefecht. Bei der Weltmeisterschaft war Debuchy Fixstarter, wenn fit dürfte er wegen seiner Zweikampfstärke und konzentrierten Spielweise den Vorzug gegenüber seinen Mitstreitern erhalten.
Der international erfahrene Bacary Sagna nimmt bei einem Fehlen Debuchys die Position des Rechtsverteidigers ein. Sagna hat für Frankreich schon 44 Länderspiele bestritten, bei Manchester City kommt er am Argentinier Pablo Zabaleta nicht vorbei. Der 31-Jährige hat seine Stärken im Zweikampf und Passspiel, sein Offensivdrang hält sich jedoch ziemlich stark in Grenzen.
Eine Notlösung wäre der 30-jährige Routinier Christophe Jallet, der bei Olympique Lyon spielt. Beim 3:0-Auswärtssieg gegen Armenien trug er zum ersten Mal seit über eineinhalb Jahren das französische Dress, bei seinen sechs Teameinsätzen gelang ihm sogar ein Tor. Im Normalfall sollte es für Jallet jedoch an Debuchy oder Sagna kein Vorbeikommen geben.
Im zweiten Teil sehen wir uns das zentrale Mittelfeld, die Flügelspieler und die Mittelstürmer des französischen Nationalteams an.
Martin Roithner, www.abseits.at
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