Neues aus Neuenburg: Bei Xamax regiert weiterhin das tschetschenische Chaos
Weitere Länder 28.September.2011 Daniel Mandl 0
Mitte August widmete abseits.at den Geschehnissen beim Westschweizer Club Neuchâtel Xamax, wo seit einigen Monaten der tschetschenische Milliardär Bulat Tschagajew die Zügel in der Hand hat, einen Artikel. Der neue Clubchef machte sich durch zahlreiche Trainerwechsel, Drohung gegenüber Mannschaft und Mitarbeitern sowie generell einer sehr kuriosen Transferpolitik schnell einen Namen. Seither hat sich wenig getan, es gibt schon wieder einen neuen Übungsleiter, Pläne den Verein in eine andere Stadt umzusiedeln wurden diskutiert und mittlerweile steht sogar ein Ausschluss aus der laufenden Meisterschaft im Raum.
Mit einem neuen Spanier geht’s bergauf
Auf der sportlichen Ebene werkt mittlerweile je nach Zählweise der bereits fünfte oder sechste Trainer in der Ära Tschagajew, da Joaquin Caparros Anfang September nach nur vier Wochen entlassen und durch seinen Landsmann Victor Muñoz ersetzt wurde, der einst als Spieler für den FC Barcelona tätig war und zuletzt zwei Monate den tschetschenischen Club Terek Grozny betreute. Seither geht es zumindest sportlich bergauf, unter dem neuen Trainer konnten aus drei Spielen zwei Siege errungen werden (jeweils gegen die Grasshoppers aus Zürich), so dass sich Xamax mittlerweile auf den siebten Tabellenplatz vorgekämpft hat.
Wird der Club in eine andere Stadt verlegt?
An den anderen Fronten sieht es jedoch weit düsterer aus. So drohte Tschagajew damit, den Verein nach Genf oder Lausanne umzusiedeln, da die Stadt Neuchâtel 200.000 Franken für unbezahlte Stadionmieten forderte. Die wenigen verbliebenen und bereits arg leidgeprüften Fans wurden mit diesen Aussagen einmal mehr vor den Kopf gestoßen und riefen zum Protest auf, so dass sich beim Heimspiel gegen die Grasshoppers nur mehr 2.000 Zuschauer im schmucken Stadion Maladière einfanden – zuvor waren es zumindest doppelt so viele gewesen. Dies wird jedoch kaum der Grund für das Einlenken des Oligarchen gewesen sein, der kurz vor dem Ende einer seitens der Stadt aufgestellten Frist die offenen Gelder bezahlte.
Allerlei finanzielle Ungereimtheiten
Mittlerweile geht es jedoch um ganz andere Summen, denn wie die Zeitung Le Matin aufdeckte, steht Xamax bei diversen Gläubigern – darunter dem Finanzamt und ehemaligen Vereinsangestellten wie den zahlreichen entlassenen Trainern – mit rund 3,2 Millionen Franken in der Kreide. Dem nicht genug, aufgrund der enormen Explosion der Gehaltskosten im Vergleich zum Vorjahr benötigt der Club bis zum Saisonende weitere 12 Millionen. Inzwischen mehren sich auch die Gerüchte darüber, dass Tschagajew gar nicht so vermögend sein soll, wie allgemein angenommen. So äußerste sich der tschetschenische Sportminister und Vizepräsident von Terek Grozny in die Richtung, dass Tschagajew bei Terek seinen Verpflichtungen als Trikotsponsor nicht nachgekommen sein soll man sich deshalb von ihm getrennt habe.
Umso unverständlicher mutet es da an, dass der Verein den Supporterclubs „Club des amis“ und „Club des 200“ schriftlich mitteilte, dass man künftig auf ihre Dienste verzichte, denn immerhin steuerten diese Organisationen im Vorjahr rund 1,6 Millionen Franken zum Budget bei. Bisher wurden die Summen etappenweise über die Saison verteilt überwiesen, Tschagajew hingegen wollte den gesamten Betrag nun plötzlich auf einmal haben, was die Anhänger verständlicherweise verweigerten.
Die Liga tritt auf den Plan
Wenig verwunderlich ist es daher, dass nun auch bei der Liga die Alarmglocken schrillen, denn in der Schweiz ist im letzten Jahrzehnt nicht nur ein Verein aus finanziellen Gründen aus dem laufenden Spielbetrieb ausgeschieden, zuletzt Servette Genf im Jahr 2005. Daher wurden Mitte September diverse Unterlagen angefordert, die über die Liquidität von Xamax Aufschluss geben sollen, darunter auch eine Bankgarantie. Sollte Tschagajew nicht den Anforderungen der Liga nachkommen und mehr Transparenz in das finanzielle Gebaren des Clubs bringen, droht ein Verfahren vor der Disziplinarkommission, das sogar bis zum Ausschluss aus der Liga führen könnte. Fraglich bleibt jedoch, wie Xamax angesichts dieser Zustände vor Saisonbeginn überhaupt eine Lizenz erhalten konnte.
Alle haben Angst vor dem Clubchef
Naturgemäß ist es in Fällen wie dem vorliegenden so, dass Insider, wie beispielsweise ehemalige Angestellte, an die Medien treten und diverse Geheimnisse ausplaudern. So erzählte Marc Imwinkelried, der ehemalige Pressechef und Generalsekretär von Xamax, der Gratiszeitung „20 Minuten“, dass Tschagajew den Verein von Genf aus führe und dabei sogar selbst den Trainingsplan erstelle, ohne etwa auf Ruhephasen der Spieler Rücksicht zu nehmen, womit Ex-Trainer Casparros aus verständlichen Gründen nicht einverstanden war, was ihn schlussendlich den Job kostete. Generell habe jeder im Verein vor dem Tschetschenen große Angst, so Imwinkelried weiter, so dass ein vernünftiges Arbeiten gar nicht möglich sei.
Das traurige Schauspiel verspricht jedenfalls weiterhin viele Schlagzeilen, worüber sich die Medienvertreter naturgemäß freuen werden, insgesamt ist die Entwicklung bei Xamax aber weiterhin mehr als nur bedenklich.
OoK_PS, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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