Nicolas Anelka wechselt nach Shanghai – das jedoch wegen Guangzhou langfristig kaum eine Rolle spielen wird…
Weitere Länder 12.Dezember.2011 Daniel Mandl 0
Die Volksrepublik China ist nach Russland, Kanada und den USA der viertgrößte und zugleich bevölkerungsreichste Staat der Erde. 1,34 Milliarden Menschen leben im asiatischen Land – im Vergleich würden auf einen Österreicher mehr als 150 Chinesen kommen. Dennoch stockt der chinesische Fußball – die Gründe dafür: Zu viele Skandale, zu wenige Perspektiven und trotz neu gefundener Investoren nicht immer die richtige Langzeitlösung.
2002 qualifizierte sich China zum ersten und einzigen Mal für eine WM-Endrunde, reiste allerdings nach der Gruppenphase punktelos und mit 0:9 Toren wieder nach Hause. Im aktuellen Kader des chinesischen Nationalteams stehen fast ausnahmslos Kicker aus der heimischen Liga. Der Mittelfeldspieler Huang Bowen, derzeit in Südkorea bei Chonbuk Hyundai Motors unter Vertrag, und Stürmer Zhang Chengdong, der für Beira-Mar in Portugal auf Torjagd geht, sind aktuell die einzigen Legionäre, die für das Nationalteam auflaufen.
Mafia-Problem in Chinas Klubfußball
Das Hauptproblem im chinesischen Fußball ist die hohe Korruption. Spiele werden verkauft und geschoben, Fußballer konnten sich bis vor kurzem mit Hilfe einer entsprechenden Zahlung ins Nationalteam Chinas einkaufen, um ihren Marktwert zu steigern und sich selbst in die Auslage zu stellen. Dies waren die Ursachen dafür, dass die Zuschauer den Fußball mieden, dem Stadion fernblieben und die Klubs somit auch kein Geld in nachhaltige Entwicklung investierten. Investitionen in den chinesischen Fußball waren lange Zeit zu unsicher, da die mafiösen Strukturen rund um die Liga vernünftige Arbeit unmöglich machten. Zwar ist der chinesische Verband gemeinsam mit den Behörden bemüht die Drahtzieher der letzten Jahre dingfest zu machen, allerdings lösen sich derartige Probleme nicht von einem Tag auf den anderen.
Opfer des Skandals, ein Jahr später Aushängeschild
Guangzhou. Eine Stadt im Süden Chinas, die mehr Einwohner als ganz Österreich hat. Aufgrund eines ebensolchen Spielabsprache-Skandals wurde das Team 2010 in die zweite Liga zwangsrelegiert. Der Geschäftsführer der Evergrande Real Estate Group, Xu Jiayin, kaufte daraufhin den Klub für umgerechnet 17,5 Millionen Euro und versprach größere Investitionen. Der Immobilienmogul verpflichtete etwa Ex-Austria-Spieler Sun Xiang, sowie den ehemaligen chinesischen Nationalteamkapitän Zheng Zhi. Vom brasilianischen Klub Atlético Mineiro verpflichtete man Stürmer Muriqui, für den 3,5 Millionen US-Dollar nach Brasilien überwiesen wurden. Im selben Jahr stieg der Guangzhou Evergrande FC wieder in die höchste Spielklasse auf – und im November 2011 feierte das Team auch in der chinesischen Super League den Meistertitel. Mit 15 Punkten Vorsprung auf Beijing Guoan und Muriqui als gefeierten Torschützenkönig mit 16 Treffern. Mit verhältnismäßig wenig Barem kann man in China Teams aufbauen, die die Liga dominieren.
Teure, gezielte Transfers und eine Menge Publikum
Klub-Eigentümer Xi Jiayin legte im Laufe der Saison noch mehr Geld drauf, hob damit die finanzielle Latte auf ein neues Level und verpflichtete Cléo um fast vier Millionen Euro von Partizan Belgrad, der in zehn Spielen zehn Tore für den Klub erzielte und etwa drei Millionen Euro im Jahr verdienen soll. Zudem wechselte der argentinische Dribbelkünstler Darío Conca von Fluminense nach China – die Ablösesumme belief sich auf sieben Millionen Euro, das Jahresgehalt des 168cm großen Argentiniers auf fünf Millionen. Das Publikum dankt es den Geldgebern: Im Schnitt kommen etwa 45.000 Zuschauer zu den Heimspielen des neuen Meisters.
Keine Fußballbegeisterung in Shanghai
Werfen wir einen Blick auf die 23-Millionen-Einwohner-Stadt Shanghai. Zwischen 1995 und 2003 war Shanghai Shenhua das dominierende Team Chinas: Zwei Meistertitel, fünf Vizemeistertitel – der Weg zur Meisterschaft führte stets über das Team aus der östlichen Industriestadt. Hie und da traute man sich über einen Aufsehen erregenden Transfer: So spielten einst Carsten Jancker, Jörg Albertz und der ehemalige uruguayische Topstürmer Ruben Sosa in Shanghai. Der enttäuschende elfte Platz in der chinesischen 16er-Liga 2011 zwang die Klubverantwortlichen nun aber zum Handeln. Gegen Ende der Saison fanden regelmäßig weniger als 10.000 Zuschauer den Weg ins 33.000 Fans fassende Hongkou Stadion – und in Guangzhou zeigt man schließlich vor, was möglich ist.
Nicolas Anelka als neue Galionsfigur
Daher wird ab der kommenden Saison erstmals ein absoluter Weltklassekicker in China spielen: Shanghai Shenhua sichert sich für die nächsten drei Jahre die Dienste von Nicolas Anelka. Der 32-jährige Franzose, der von allen Fußballern zusammengerechnet die höchsten Ablösesummen generierte, wird in China zum Unterschriftstermin erwartet und muss sich offensichtlich mit keinem billigen Vertrag herumärgern. Dass ein Spieler wie Anelka, der 69 Länderspiele für Frankreich bestritt und langfristig für Klubs wie Chelsea, Manchester City, Arsenal, Paris St.Germain oder Fenerbahce spielte, keine Dumpingpreise akzeptiert steht außer Frage. Die Medienberichte im Bezug auf Anelkas mögliches Gehalt gehen noch auseinander, es dürfte allerdings etwa 10 – 11 Millionen Euro im Jahr betragen. In China nimmt man also plötzlich Geld in die Hand, um den Fußball und vor allem dessen Fans zurück zu gewinnen.
Nachhaltigkeit vs. Populismus
Dieses Geld wird allerdings mit Ausnahme des neuen Meisters Guangzhou vorerst ohne große Sorgen um die möglicherweise mangelnde Nachhaltigkeit in die Hand genommen. Anelka bekäme in Shanghai einen Monstervertrag, der das internationale Interesse auf die chinesische Liga zieht, allerdings nichts am Fußball oder der Liga verändern wird. Der Guangzhou Evergrande FC hingegen kaufte bisher mit großem Weitblick ein – die Mannschaft zählt nur fünf Legionäre, diese sind allerdings im besten Fußballeralter und absolute Leistungsträger. Zudem ließ Klubchef Xu Jiayin zuletzt ein opulentes Trainingszentrum, unter anderem mit sechs Trainingsplätzen und einem luxuriösen Physiobereich, errichten. Die Ziele des Klubs aus dem Süden sind klar: Den nationalen Fußball dominieren, die Infrastruktur sukzessive verbessern und in absehbarer Zeit die asiatische Champions League gewinnen. Die Ziele beim neuen Arbeitgeber von Nicolas Anelka wurden weniger deutlich formuliert – bei Shanghai Shenhua möchte man einfach mal auf den Tisch hauen…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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