Der südamerikanische Fußball ist verrückt. Sehr verrückt. Leider findet mit dem Thema „Gewalt“ aber auch ein unschönes und viel zu langes Kapitel einen Platz... Polizeigewalt in Brasilien: Torhüter mit Gummigeschoss verletzt

Der südamerikanische Fußball ist verrückt. Sehr verrückt. Leider findet mit dem Thema „Gewalt“ aber auch ein unschönes und viel zu langes Kapitel einen Platz in den Geschichtsbüchern. Man mag an die diesjährige Copa América, die eigentlich das fußballerische Aushängeschild Südamerikas sein sollte, in welcher sich nach dem Halbfinalmatch zwischen Uruguay und Kolumbien allerdings einige uruguayische Spieler und ihre Angehörigen mit kolumbianischen Fans schlugen. Bei Schlägen und Tritten blieb es im Spiel zwischen Grêmio Anapolis und Centro Oeste nicht, Grêmio-Keeper Ramon Souza landete nach einem Treffer durch ein Gummigeschoss sogar im Krankenhaus. Das sind die Hintergründe zu diesem hässlichen Ereignis.

Das Sportliche

Die Partie zwischen Grêmio Anápolis und Centro Oeste fand in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag um Mitternacht mitteleuropäischer Sommerzeit statt. Beide Mannschaften spielen in der zweiten Liga des Bundesstaates Goiás, der gemeinsam mit Mato Grosso, Mato Grosso do Sul und dem Distrito Federal die Makroregion Mittelwesten bildet. Die „Divisão de Acesso“ (Aufstiegsdivision), wie die Liga auch genannt wird, umfasst acht Mannschaften und wird im Jeder-gegen-jeden-Format ausgetragen, wobei der Meister und Vizemeister in die erste Liga von Goiás aufsteigen.

Grêmio Anápolis ist der ältere der beiden Klubs und wurde 2021 sogar Staatsmeister. Centro Oeste hingegen ist erst im zweiten Jahr dabei, nachdem man aus der dritten Liga aufstieg. Gemeinsam eröffneten sie den zwölften Spieltag der Divisão de Acesso. Grêmio besetzt nach der Partie, die sie mit 1:2 verloren, den vorletzten Tabllenplatz mit zwölf Punkten, während Centro zwischenzeitlich Vierter ist mit 19 Punkten.

Grêmio-Stürmer Jean Carlos, der aus der Jugend von Traditionsklub Flamengo stammt, eröffnete bereits nach zwei Minuten das Spiel mit dem 1:0. Ihre Gegner, beheimatet in der Gemeinde Nerópolis, drehten die Partie allerdings noch in der ersten Halbzeit. Mittelfeldspieler Regis Potiguar und Angreifer Sávio sorgten Minute 12 beziehungsweise 26 für den Ausgleich und den ersten Sieg seit drei Spielen.

Das Unsportliche

Was von diesem Fußballabend übrig bleibt, ist allerdings nicht das Geschehen auf dem Platz, sondern das, was sich nach dem Schlusspfiff abspielte. In den sozialen Medien kursiert ein Handyvideo, welches die sensible Szene zeigt, auch in der YouTube-Übertragung von Anápolis ist sie zu sehen.

Nach dem Schlusspfiff kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Centro-Keeper Luan und einem halbstarken Balljungen. Spieler und Betreuer beider Mannschaften eilen hinzu, und die Menge schubst sich an einer Ecke des Spielfeldes, wobei zwischen den Kickern hin und her geschmäht wurde. In der Menge vermischen sich zwar laute Rufe und weiterhin der ein oder andere Schubser, doch die Mehrheit der Akteure steht, einige gehen herum.

Währenddessen nähert sich langsam eine Gruppe von Polizisten, wobei einer mit einer Schrotflinte in den Händen energischer als seine Kollegen hinzukommt. Sofort schubst er zuerst einen Betreuer von Grêmio zur Seite, anschließend einen Spieler, der selbst zu beruhigen versucht.

Nun steht der Polizist mehreren Kickern nur wenige Meter gegenüber, Grêmio-Torwart Ramon Souza befindet sich dabei in der Mitte. Es geht keine Gefahr von ihm aus, lediglich unverständliche Wortmeldungen sind zu vernehmen. Der Polizist zielt mit der Schrotflinte auf einen Spieler, wodurch Souza ihn laut eigener Aussage auffordert, diese zu senken.

Einen kurzen Augenblick später zielt der Polizist auf ihn und feuert ein Gummigeschoss auf seinen linken Oberschenkel, wodurch dieser laut aufschreit und humplend wegrennt. Der Knall und der laute Schrei wurde von zahlreichen Spielern gehört und gesehen. Sie rannten weg und begaben sich in Richtung Spielfeldmitte. Alles in allem verlief das Handgemenge relativ harmlos, kam der Schuss dann doch überraschend. Grêmios YouTube-Kommentatoren bewerteten die Lage richtig: „Er hat Ramon [Souza] getroffen. Was für ein Wahnsinn! […]“

Reaktionen

Erste Hilfe wurde noch auf dem Platz geleistet, bevor der 22-Jährige per Rettungswagen ins Krankenhaus transportiert wurde. Die kreisrunde Wunde hat einen Durchmesser von etwa drei bis vier Zentimeter, Klubarzt Diego Bento diagnostizierte neben einer leichten Muskelverletzung auch eine Verbrennung dritten Grades der Haut.

Ramon Souza, der von seinem Stammklub selbst meint: „Es gab einen [verbalen] Schlagabtausch, ein bisschen Schubsen, aber keine Aggression. Als dann die Polizisten eintrafen, kam er [der Schütze] völlig aufgebracht und schubste.“ Er führt fort: „Es gab kein offensichtliches Motiv, das zu tun.“ Grêmio Anapolis verurteilte den Vorfall aufs Schärfste und teilte mit, dass man „geeignete Maßnahmen ergreifen wird, um sicherzustellen, dass die verantwortliche Person bestraft wird“.

Die zuständige Polizeibehörde äußerte sich bereits und gab an, den Vorfall intern zu untersuchen. Das brasilianische Sportministerium ordnete die Tat als „unverhältnismäßig“, „gewalttätig“ und „inakzeptabel“ ein.

Die Gewalt im südamerikanischen Fußball ist leider präsenter, als wir es uns wünschen.

Tim Bosnjak, abseits.at

Tim Bosnjak

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