Im Boxen ist ein Rücktritt oftmals kein wirklicher Rücktritt und die Athleten bestreiten danach noch diverse Kämpfe, wie es beispielsweise bei Boxlegende Mike Tyson der Fall ist, der im Juli mit 59 Jahren noch einen Kampf vor sich hat. Hört ein Fußballer auf, tritt er anschließend, wenn überhaupt, nur noch in Freundschafts- oder Benefizspielen an. Manche Kicker heuerten auch für Kurzeinsätze nochmal in offiziellen Partien an, man mag an Lothar Matthäus im Jahre 2018 für den 1. FC Herzogenaurach denken. Nun wagt die brasilianische Stürmerlegende Romário erneut ein Comeback auf den Fußballplatz bei América-FC. Und das als Präsident des Vereins.
Das erste Karriereende
Nach sagenhaften 23 Jahren im Profifußball setzte Romário den Schlussstrich an eine Laufbahn, die ihn von Brasilien über die USA und Europa bis nach Australien brachte. Er fand im Weltmeistertitel 1994 seinen Höhepunkt und schoss sogar über 1000 Tore. „Ich habe nachgedacht und noch einmal darüber nachgedacht. […] Es ist Zeit, zu sagen ‚Ich höre auf‘“, war das Fazit, das der Stürmer und gleichzeitiger Trainer von Vasco da Gama im April 2008 zog. Mit einer Statue wurde O Baixinho („der Kleine“), ein passender Spitzname angesichts seiner Körpergröße von 1,67 Metern, bereits zuvor schon bei Vasco geehrt und lieferte für seinen Herzensklub noch 15 Tore in 19 Einsätzen, leider jedoch ohne Titel.
Vater Edevair und das erste Comeback
Einen Monat nach der Verkündung folgte ein schwerer Schicksalsschlag für Romário. Knapp eine Woche lag sein Vater Edevair de Souza Faria bereits im Krankenhaus, doch sein Gesundheitszustand zeigte keine Besserung. Mit 76 Jahren blieb Edevairs Herz stehen und O Baixinho verlor seinen Vater. „Er fehlt mir jeden Tag“, beschrieb Romário die „saudade“ (ein portugiesisches Wort, das in etwa dem deutschsprachigen „Weltschmerz“ entspricht), die er fühlte.
Edevair liebte Fußball und brachte seinem Sohn das Kicken bei. Sein Traum war es, Romário im Trikot seines Herzensvereins América FC spielen zu sehen, wozu es zwar in Freundschaftsspielen, jedoch nie in einem offiziellen Wettbewerb kam. Somit hatte Romário noch ein Versprechen, das er erfüllen musste.
Im August 2009 war es so weit und O Baixinho kündigte seinen Rücktritt vom Rücktritt an. Nachdem er bereits einen Posten im Vorstand von América innehatte, nahm er seine Fußballschuhe vom Nagel und beteiligte sich nochmal am Geschehen auf dem Platz. Im zarten Alter von 43 Jahren absolvierte die Nummer elf noch etwa eine halbe Stunde auf dem Fußballplatz und verhalf América im November zum Meistertitel der zweiten Liga der Staatsmeisterschaft von Rio de Janeiro. Auch im Rahmen dieses Erfolgs waren seine Gedanken ganz bei seinem verstorbenen Vater: „Er ist nicht auf der Tribüne, aber schaut von oben zu.“
Im Anzug
Nach seinem einmaligen Einsatz wechselte Romário wieder in Anzug und Krawatte. Fortan gab er sich neben den Tätigkeiten bei América auch der Politik hin. So trat er 2010 für die sozialdemokratische Partida Socialista Brasileira (PSB) in den nationalen Wahlen zum Bundesparlament an und erhielt auf Anhieb über 140.000 Stimmen, womit er für den Bundesstaat Rio de Janeiro den sechsten Platz holte und in die Abgeordnetenkammer einzog.
Neben dem Sport setzte Romário vor allem auch auf Behindertenpolitik. Diese Verbindung erklärt durch seine Tochter Ivy, die mit dem Downsyndrom geboren wurde. Weiters wurde er 2013 zum Präsidenten der Tourismus- und Sportkommission gewählt mit Blick auf die Heim-Weltmeisterschaft im folgenden Jahr. In jener Kommission tat er sich „als wichtigste Stimme gegen die übermäßigen Ausgaben für die Fußballweltmeisterschaft“ hervor, wie es auf seiner offiziellen Website heißt.
2014 gewann er ein Mandat als Senator im Bundessenat für Rio de Janeiro und war von 2021 bis 2023 sogar dessen zweiter Vizepräsident. Aktuell übt Romário weiterhin sein Mandat im Senat aus, wobei er auch eine Untersuchungskommission zur Spielmanipulation im nationalen Fußball ins Leben rief. Zuletzt war er Teil einer Kommission, die den von Botafogo-Besitzer John Textor (777 Partners) erhobenen Vorwürfen von unsauberen Spielen nachging.
Obwohl der 1000-Tore-Mann als einer der besten brasilianischen Fußballer aller Zeiten gilt und von vielen Fans geliebt und verehrt wird, ist sein Image in der Politik nicht astrein. So urteilte der deutsche Autor Martin Curi in seinem 2013 erschienen Buch „Brasilien. Land des Fußballs“ folgendermaßen über Romários Bild: „Allmählich wurde mir bewusst, dass Romário alles andere als ein zugänglicher Volksvertreter ist. In Wirklichkeit ist er eine sorgsam aufgebaute Marke, deren Image von ihm und seinen Beratern kontrolliert wird.“
Die zweite Rückkehr
Im November 2023 verschmolz der Politiker Romário dann mit dem Fußballer und der Stürmer aus der Favela Jacarezinho in Rio de Janeiro wurde ohne Gegenkandidaten zum Präsidenten von América gewählt. Zwei Monate später übernahm er offiziell die Geschicke des Klubs, der aktuell in der zweiten Staatsliga von Rio de Janeiro vertreten ist, wo man 2023 nur Achter wurde. Als Traditionsklub will América natürlich wieder in der ersten Spielklasse des Bundesstaates spielen, was Romário im Zuge seiner Antrittsrede verlautbarte: „Mein Ziel ist es, América zu dem América zu machen, das wir alle zu lieben und zu respektieren gelernt haben, und América fußballerisch an der Spitze zu sehen.
Dieses Ziel nimmt er sich sehr zu Herzen und hat im April 2024 überraschenderweise seiner Rückkehr als Stürmer offiziell gemacht. Er ließ sich mit allem Drum und Dran im brasilianischen Spielersystem registrieren und muss so beispielsweise aufgrund der Statuten ein Grundgehalt verdienen, welches er dem Klub als Spender aber sofort wieder retourniert.
Dass er seine Qualität im hohen Fußballeralter keinesfalls verloren hatte, steht außer Frage, wie sich in Videos in den sozialen Medien zeigt. Nicht nur ist er regelmäßiger Teilnehmer bei sogenannten „peladas“, wie Hobbyfußballturniere in Brasilien genannt werden, sondern huldigt auch der an brasilianischen Stränden sehr gerne praktizierten Sportart Footvolley, portugiesisch „futevolei“, einer Kombination aus Fußball und Volleyball.
A sus 58 años, Romário fue inscripto por el América-RJ, club que preside, para disputar la segunda división del Campeonato Carioca 🇧🇷🚬
pic.twitter.com/W6pRqGeY3V— Fodboldworld (@fodboldword) April 16, 2024
Romário hat seine Ballkünste nicht verloren
Trotz all des Aufsehens verdeutlichte Romário, dass der sportliche Aspekt bei seinem Comeback zweitrangig ist. „Ich werde nicht um die Meisterschaft kämpfen. Die Idee ist nur, ein paar Minuten in einigen Spielen zu spielen.“, teilte O Baixinho nach dem ersten Training mit und verdeutlichte damit, dass keine großen Einsätze zu erwarten sind. Vielmehr möchte er sich einen persönlichen Traum erfüllen und mit seinem Sohn Romarinho, den er erst selbst im März verpflichtet hatte, gemeinsam in einer Partie auflaufen. Zusätzlich dazu soll der Verein durch ihn eine größere Fangemeinschaft anziehen und mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Die Spannung war groß bei der ersten Partie von América in der diesjährigen Segundona do Carioca, wie die zweite Liga aus Rio de Janeiro umgangssprachlich genannt wird. Zuhause traf Romários Klub auf Petrópolis und in der 20. Minute ging man durch Verteidiger Digão in Führung. Der Präsident selbst wohnte dem Geschehen nur von der Ersatzbank bei und sollte bei einer komfortablen Führung eingewechselt werden. Das 1:0 war jedoch nicht Grund genug für eine Einwechslung und Romário verblieb auf der Bank. Lediglich sein Sohn Romarinho bekam nach dem 2:0 von André in der 85. Minute, der danach ausgewechsel wurde, ein paar Minuten.
Nachdem O Baixinho das zweite Spiel von América von der Tribüne verfolgte, müssen wir uns also noch gedulden, bis wir ihn wieder auf dem Platz sehen. Die Segundona do Carioca 2024 ist noch am Anfang und Romário bleiben also noch viele Möglichkeiten für einen Einsatz, den er mit hoher Wahrscheinlichkeit vor heimischen Publikum absolvieren will. Bis dahin wird er sicherlich einige Fans mehr ins Stadion ziehen, die hoffen, ihr Idol noch einmal spielen zu sehen.
Tim Bosnjak, abseits.at
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Tim Bosnjak
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