Problemanalyse zum Niedergang des Serbischen Teams: Ein Verband ohne Verbandsfunktion
Weitere Länder 27.März.2013 Rene Maric 0
Vor und nach der 2:0-Niederlage in Zagreb gegen Erzrivale Kroatien gab es große Kritik der serbischen Fußballfans an Mannschaft, Verband und Trainer. Dabei richteten sich die kritischen Worte hauptsächlich den letzteren Zwei – der Mannschaft wurde trotz mangelnden Leistungen in den letzten Wochen und Monaten kaum etwas vorgeworfen.
Auch nach der Niederlage gegen Kroatien wurden die Spieler weitestgehend von Kritik verschont. Begründung dafür: Sie können es schlicht nicht besser. Wieso sie es aber nicht besser können, liegt vorrangig an der Spielerwahl des Trainers und sportpolitischen Hintergründen des Verbandes. Letzterem Punkt widmen wir uns in diesem Teil.
Einfluss von außen – eine Mannschaft in Beraterhand
Besondere Kritik an Mihajlovic wird auch laut, weil er angeblich Spieler von bestimmten Beratern bevorzugt – und er überhaupt erst deswegen zum Trainer der Nationalmannschaft wurde. Diese Berater sind Sergio Berti, mit dem ihn unlautere Verbindungen während seiner Zeit als Klubtrainer nachgesagt wurden, und Fali Ramadani, dessen Beziehung zu Mihajlovic aktuell im Fokus steht. Insbesondere bei Ramadani ist auffällig, wie viele Spieler, die bei ihm unter Vertrag stehen, für die serbische Nationalmannschaft spielen.
Zehn Spieler debütierten unter Sinisa Mihajlovic bislang in der Nationalmannschaft – die Hälfte davon sind nachgewiesene Klienten von Fali Ramadani. Insgesamt kamen diese 10 Debütanten auf 22 Spiele – davon erhielten die Ramadani-Klienten Nikola Maksimovic, Srdjan Mijailovic, Alen Stevanovic, Marko Scepovic und Filip Djordjevic insgesamt 17 der Partien, also einen Anteil von 77%.
Weitere acht Klienten Ramadanis standen ebenfalls unter der Ägide Mihajlovic in der Nationalmannschaft; insgesamt also 13 Spieler, was fast einer Startelf mit drei Ersatzspielern entspricht. Interessant in diesem Kontext sind die Aussagen Mihajlovics, der behauptet, er kenne Ramadani gar nicht. Dies ist aber de facto nicht möglich, weil er ihn kennen muss – bereits als Klubtrainer hatte er es mehrmals mit Klienten von Ramadani zu tun.
Darum gehen die meisten Fans der serbischen Nationalmannschaft davon aus, dass es eine schädliche Dreiecksbeziehung gibt – Mihajlovic dient dabei als Partner von Ramadani, während Verbandschef Tomislav Karadzic diese Machenschaften absegnet. Vorteil für Ramadani: Seine Klienten erhalten einen größeren Marktwert. Ob und welche Vorteile Mihajlovic und Karadzic genießen (und ob das alles überhaupt stimmt), steht natürlich in den Sternen.
Doch die Nachteile auf die Mannschaft können als Indiz für die Existenz einer solchen korrupten Machenschaft dienen. Angeblich sollen sich die Spieler intern streiten, es gibt eine Grüppchenbildung und es geht in diesen internen Streitigkeiten auch um die Mannschaftswahl Mihajlovics.
Die serbische Presse titelte dazu sogar, dass es besser gewesen wäre, die Spieler ohne einen Trainer nach Zagreb zu schicken – die Taktik wäre zwar nach wie vor inexistent gewesen, doch zumindest hätten sie sich in einem solchen Spiel darauf geeinigt, dass die besten Spieler auflaufen dürfen.
Einfluss von oben – Verband ohne Verbandsfunktion
Ohnehin dient der Verband als das größte Feindbild der serbischen Fußballfans. Tomislav „Tole“ Karadzic ist der Verbandsboss – und er gilt als hochgradig korrupt. Dies ist natürlich keine Rarität in ost- und südosteuropäischen Staaten, sondern eher die Norm. Unter anderem soll der Verbandsboss seine Verbindungen zu Politikern wie Ivica Dacic nutzen, um sich an der Nationalmannschaft zu bereichern. Desweiteren ist er als Parteimitglied der SPS (Социјалистичка партија Србије; übersetzt: Sozialistische Partei Serbiens) zwar nicht theoretisch, aber dennoch praktisch nahezu unantastbar.
Eine solche Vorgangsweise gab und gibt es auch in Kroatien und Bosnien. Insbesondere in Bosnien war es vor einigen Jahren enorm schlimm; Freundschaftsspiele in exotischen Ländern wurden für Aufpreise arrangiert, die Einnahmen wurden dann großteils unter den Verbandsvorständen verteilt. Diese Machenschaften sorgten unter anderem dafür, dass der beliebte Nationaltrainer Meho Kodro nach kurzer Zeit abdankte. Auf Wikipedia steht dazu folgendes:
„Der Trainer Meho Kodro, der sein Amt am 5. Januar 2008 antrat, weigerte sich, mit der Nationalmannschaft zum Freundschaftsspiel nach Iran zu reisen, weil der Fußballverband das zuvor geplante Spiel gegen Polen absagte. Als Grund für die Absage nannte der N/FSBIH, dass Albanien zufälligerweise schon ein Freundschaftsspiel mit Polen am selben Datum vereinbart hat.
Der wahre Grund aber war, dass Iran dem Verband umgerechnet 100.000 Euro bot, wenn diese zu einem Freundschaftsspiel anreisen würden. Der Bosnische Fußballverband stimmte zu, doch Meho Kodro weigerte sich. Als er am 15. Mai 2008 die Liste der Spieler einreichen sollte, erschien er nicht zum Termin und der Verband setzte ihn drei Tage später vor die Tür.“
Doch die Bosnier setzten sich zur Wehr – siehe folgendes Zitat:
Daraufhin riefen viele Fangruppen, ehemalige bosnische Fußballspieler und Fußballprofis aus Bosnien die Organisation „Spasimo bh fudbal“ (Retten wir den bosnischen Fußball) aus. Als am 1. Juni 2008 die bosnische Fußballnationalmannschaft in Zenica gegen Aserbaidschan spielte, erschienen so gut wie keine Zuschauer. Stattdessen war das Stadion in Sarajevo ausverkauft, in dem ein Freundschaftsspiel stattfand. Dieses Freundschaftsspiel hatte einen humanitären Charakter und die beiden Mannschaften hießen „Kodro and friends“ und „Bolic and friends“.
In Kroatien werden die korrupten Machenschaften durch die herausragende Jugendarbeit und die fast schon bedingungslose Unterstützung der Nationalmannschaft neutralisiert. In Bosnien gab es den schon erwähnten Widerstand sowie aktuell einen Coach, der unabhängig vom Verband ist und sich bei Bedarf zur Wehr setzen kann. Ähnliches gab es in Kroatien unter Slaven Bilic während den erfolgreichen EM-Teilnahmen.
Ein solcher Widerstand regt sich in Serbien aber nicht. Zwar wurde bei Spielen, unter anderem dem 6:1-Sieg gegen Wales in Novi Sad, bereits gegen Tole Karadzic skandiert, aber ansonsten sind die Bemühungen gering. Das lieg tauch an der Presse. Diese ist mit ihrer Kritik zu lasch und erst seit der Niederlage gegen Makedonien gibt es ernsthaft Kritik.
Eventuell war die Niederlage gegen Kroatien sogar positiv, um diese lobbyistischen Tendenzen und Freunderlwirtschaft zwischen Verband und Presse zu bekämpfen. Stattdessen kann dank der generellen kritischen Anschauung der Nationalmannschaft in der Bevölkerung die Presse mobilisiert werden, diesen Wunsch nach medialer Kritik effektiv füttern und sich von den nun weniger verkaufswürdigen Storys des Verbandes lösen.
Dennoch haben diese Umstände in Presse, Verband und Mannschaft schon nachhaltig negativ ausgewirkt. Die genauen Konsequenzen gibt es im nächsten Artikel.
Rene Maric, abseits.at
Rene Maric
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