Probleme aufgrund von Abgängen, aber noch immer bärenstark: Die große Benfica-Analyse
Weitere Länder 26.November.2014 Rene Maric 0
Benfica Lissabon ist das Team in Portugal: Sie sind Rekordmeister, konnten im vergangenen Jahr die Dominanz Portos durchbrechen und laut einer jüngeren Studie sind 47% der Portugiesen Benfica-Fans – die höchste nationale Fanquote Europas. Obwohl sie unter dem „Europapokalfluch Bela Guttmans“ leiden, nach dessen Legende sie von 1962 an 100 Jahre lang keinen europäischen Titel gewinnen würden (bislang stimmt es, acht europäische Finals wurden seit her verloren), sind sie Portugals ewiger Geheimfavorit auf eine Überraschung in Europa. Die Ursache liegt auch an ihrem aktuellen Trainer.
Jorge Jesus – unterschätzt und hochklassig
Bereits sechzig Jahre ist Jorge Jesus alt und seit 1989 Trainer, doch trotz einer enormen Kompetenz ist er außerhalb Portugals weitestgehend nur Fußballbesessenen bekannt. Blickt man auf seine letzten drei Trainerstationen, so zeigt sich aber ein eindeutiger Trend: Er macht seine Mannschaften deutlich besser. Diese Statistik on Clubelo zeigt dies:
Der Elo-Wert basiert auf Wahrscheinlichkeiten; in diesem System besitzt jeder Verein einen eigenen Elo-Wert, der aus früheren Ergebnissen zusammengesetzt wird. Treffen zwei Teams aufeinander, repräsentiert der Unterschied zwischen den jeweiligen Elo-Werten die Ergebniswahrscheinlichkeit. Je nach Ausgang des Spiels wird dann mit einer mathematischen Formel der Elo-Wert jedes Teams neu angepasst. Dieses System gibt es auch in anderen Sportarten, insbesondere im Schach hat es einen enormen Stellenwert.
Wie man gut erkennen kann, macht Jorge Jesus seine Mannschaften also klar besser und steigert ihre Ergebnisse. Doch was macht er so gut? Seine Benfica-Mannschaft vor zwei Jahren, die nur knapp im EL-Finale verlor, ist das Paradebeispiel dafür.
Asymmetrisches 4-1-3-1-1 als Innovation
Damals agierte Benfica in einer 4-1-3-1-1-Rollenverteilung, aus der sie viele unterschiedliche Staffelungen herstellen konnten. So gab es defensiv manchmal ein 4-4-1-1, in welchem Perez und Matic sich als Doppelsechs vor der Abwehr positionierten. Dies wurde aber meist nur im tieferen Pressing beim ballorientierten Verschieben praktiziert, um eine höhere Breitenstaffelung zu besitzen. Häufig wurde es aber auch ein 4-3-1-2 anstatt eines 4-4-1-1; beim 4-3-1-2 hielten sich die Flügelstürmer gegen höhere gegnerische Außenverteidiger tiefer zurück, Perez rückte nach vorne und der zweite Stürmer – meistens Rodrigo hinter Cardozo – schob mit dem Mittelstürmer auf die zwei Innenverteidiger vor.
Sehr häufig war es aber ein 4-1-3-2 mit aufrückenden Flügelstürmern. Perez sicherte dann die Mitte, die Flügelstürmer konnten ihm helfen oder auf die Außenverteidiger schieben, der herausragende Matic deckte den gesamten Raum hinter diesem Pressingblock. Diese hohe Variabilität wurde mit enormer Kompaktheit und guter Intensität gepaart. Des Weiteren waren sie in der Offensive sehr stark: Der Fokus auf kurzen Pässen, einzelnen Dribblings, hohen Außenverteidigern, einrückenden, wenn auch etwas asymmetrisch agierenden Flügelstürmern, großer Präsenz in der Mitte und intelligentem Bewegungsspiel aller beteiligten Akteure war hauptverantwortlich für die aufeinanderfolgenden EL-Finalteilnahmen.
Dieses 4-1-3-1-1 hat sich aber wegen vieler wichtiger Abgänge etwas gewandelt.
Simplere Struktur, aber weiterhin hohe Stabilität und Intelligenz
Gegen den Ball spielen sie nun etwas klarer in einem 4-4-1-1. Das 4-1-3-1-1 ist kaum noch zu sehen, obgleich gelegentlich durch das Herausrücken von einem der Sechser das 4-1-3-2 hergestellt wird. Auch 4-1-4-1-Staffelungen sind möglich, hängen aber von der genauen Personalwahl ab. Hierzu gibt es eine schöne Szene aus dem Spiel gegen Leverkusen.
Dennoch ist die Flexibilität bei Benfica insgesamt geringer, aber sie sind weiterhin gut bis sehr gut in der Defensivarbeit. Sie spielen mit einer positionsorientierten Raumdeckung, aus der sie jedoch immer wieder kleine Mannorientierungen übernehmen und dadurch Zugriff auf den Gegenspieler haben.
Besonders sehenswert ist aber die Intelligenz und gute Organisation im Übergeben zu anderen Mitspielern oder in den Raum. Diese Umstellung auf eine simplere Spielweise musste gemacht werden, weil sie ohne Matic nicht mehr den weiträumigen Stabilisator im Sechserraum haben. Diese Kompensation äußert sich aber nicht nur in der Defensive, sondern auch bei eigenem Ballbesitz.
Kurzpassspiel mit weniger Risiko
Als man noch mit Matic im Sechserraum agierte, hatten sie einen enorm spiel- und sogar dribbelstarken Aufbauspieler vor der Abwehr. Matic überzeugt aktuell auch bei Chelsea mit seiner tollen Technik und seinem herausragenden Stellungsspiel. Ein solcher Spieler ist für ein Team wie Benfica natürlich nicht zu ersetzen, weswegen die 2-1-Staffelung im Aufbau ad acta gelegt werden musste. Kaum ein Sechser kann sich so erfolgsstabil in so engen Räumen wie Matic behaupten; deswegen muss aktuell der tiefe Sechser (ob Fejsa, Amorim oder Cristante) von dem anderen Sechser verstärkt unterstützt werden. Dadurch ist keine 4-1-3-1-1-Rollenverteilung mehr möglich.
Stattdessen gibt es aber öfter 3-4-3-Staffelungen.
Hier kann man sehen, wie sich der zentrale Sechser zurückfallen lässt und der hängende Stürmer (oder in diesem Fall der höhere Achter im 4-1-4-1) den anderen Sechser unterstützt, um ein klares 3-4-3 herzustellen. Dadurch können sie zu dritt die gegnerische Viererkette besetzen, geben mit einer sehr breiten Staffelung im zweiten Band die Breite und öffnen dadurch Räume im Aufbauspiel. Die drei Spieler in der ersten Linie können bei Bedarf den Ball auch länger zirkulieren lassen, um diese Raumöffnung zu unterstützen. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Mannschaften, die in diesen Situationen zu weit auseinander stehen, haben sie aber durchgehend gute Verbindungen.
Das ist auch im höheren Kombinationsspiel oder bei anderen Staffelungen der Fall.
Hier ist keiner der der Sechser abgekippt, weswegen sich die Außenverteidiger eindeutig zurückhalten. Anstatt wie vorher sehr weit und breit zu agieren, steht der Außenverteidiger außerhalb des Sichtfelds des Sechsers etwas tiefer und eingerückter, der zweite Außenverteidiger steht allerdings auch nicht allzu hoch und wartet auf das Anspiel des Sechsers. Der Flügelstürmer vor ihm ist hier eingerückt und versucht Räume zu öffnen, der Mittelstürmer ist etwas nach links ausgewichen und der linke Flügelstürmer möchte Monaco ebenfalls vom rechten Außenverteidiger wegziehen.
Solche intelligenten und auf das Kollektiv orientierten Bewegungen sind der Schlüssel für Benficas Spielweise. Diese durchgehend aufrechterhaltenden guten Verbindungen sorgen dafür, dass schwierige Situationen konstruktiv und kreativ von Benfica aufgelöst werden können. Auch die Gegneranpassungen funktionieren gut: Fast in jedem Spiel finden sie einen unterschiedlichen Fokus auf gegnerische Schwachstellen. Hier gegen Monaco kann man schön sehen, dass die gesamte Mannschaft leicht rechtsgerückt steht; die Sechser sind sehr kompakt in der Mitte, der linke Innenverteidiger steht mittig und der rechte Innenverteidiger rechts im Halbraum.
Dadurch wollte man gegen Monaco gut abgesichert sein sowie mit mehr Angriffen über rechts aufbauen; letztlich kamen über 40% der Angriffe über diese Seite.
Fazit
Benfica ist nach wie vor eine Mannschaft, die europaweit für Angst und Schrecken sorgen kann – außer im Finale. In der Champions League steht das Erreichen von Letzterem natürlich außer Frage, insbesondere wegen des schmerzhaften Abgangs Matic‘ und dem Verlust anderer wichtiger Akteure (wie z.B. Markovic). Allerdings könnte die Mannschaft von Jorge Jesus, der sich seit Jahren für einen Topklub empfiehlt, einmal mehr ins Finale der Europa League kommen, wenn sie die CL-Gruppenphase nicht überstehen sollten. Ob Guttmanns Fluch dann gebrochen werden kann?
Rene Maric, abseits.at
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Rene Maric
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