Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte stellte vor einigen Tagen klar, dass jegliche Veranstaltungen und damit auch auch Fußballspiele in den Niederlanden bis September kein Thema sein werden. Nach dem Abbruch der Eredivisie-Saison steht das Fußballland nun vor einem nie da gewesenen Chaos.
Zum ersten Mal in der Geschichte des niederländischen Fußballs wird es keinen nationalen Meister geben. Es ist eine Situation, mit der Ajax Amsterdam als aktueller Tabellenführer am besten leben kann. Der Rekordmeister ist aktueller Tabellenführer, wird aber neun Spiele vor Saisonende nur durch eine um acht Tore bessere Tordifferenz von AZ Alkmaar getrennt. Titel gibt es für Ajax dennoch keinen, was beispielsweise Ajax-Star Dusan Tadic in einem Statement kritisierte.
Alkmaar wird sich nicht mit Platz 2 zufriedengeben
Für den Underdog aus Alkmaar ist die Entscheidung natürlich noch bitterer, hatte man doch die ernsthafte Chance einen Sensationstitel zu landen. Trotz einiger Rückschläge hielt sich Alkmaar in der Eredivisie auf den Beinen und blieb bis zum nun bitteren Ende an Ajax dran. Unterm Strich hat man allerdings nichts davon und der Kampf um den Meistertitel wird nächste Saison bei Null beginnen. AZ Alkmaar erklärte bereits in einem offiziellen Statement, dass man sich nicht mit einem Qualifikationsticket zur Champions League zufriedengeben wird.
ADO Den Haag und RKC Waalwijk gerettet
Gewinner des Abbruchs sind ADO Den Haag und RKC Waalwijk: Die beiden Tabellenschlusslichter müssen nicht absteigen und dürfen in der Liga bleiben. Mit 15 und 19 Punkten aus je 26 gespielten Partien war die Corona-Krise wohl der letzte Strohhalm für die beiden Klubs, andernfalls wäre man in die zweite Leistungsklasse gegangen. Die Verantwortlichen der Klubs sprachen von der „einzig richtigen Entscheidung“.
Cambuur-Coach spricht von „größter Schande“
Auf der anderen Seite des „Strichs“ sorgt die Entscheidung allerdings für schweren Unmut: Cambuur Leeuwarden, Tabellenführer der Eerste Divisie, liegt bereits elf Punkte vor einem Nicht-Aufstiegsplatz und der Gang in die Eredivisie wäre nur noch Formsache gewesen. Der Verband fixierte allerdings, dass es dieses Jahr nicht nur keine Absteiger, sondern auch keinen Aufsteiger geben würde. Die Saison von Cambuur und auch die des ebenfalls gut konstituierten Tabellenzweiten De Graafschap, der erst ein Saisonspiel verlor, wird damit für Null und nichtig erklärt. Cambuur-Coach Henk de Jong bezeichnete die Entscheidung als „größte Schande in der Geschichte des niederländischen Sports“.
„Er wollte davonlaufen wie ein Dieb“
Der Geschäftsführer von De Graafschap bezeichnete die Entscheidung als Schmierentheater. Er erzählte außerdem, dass Liga-Chef Eric Gudde beim Anruf, mit dem er den Klubs die Entscheidung mitteilte, sehr kurz angebunden war und keine Diskussion, sondern gleich wieder auflegen wollte: „Er wollte davonlaufen wie ein Dieb in der Nacht“.
Verband „trickste“ bei Stimmabgabe um die Agenda durchzubringen
Weiters wurde bekannt, dass das Abstimmungsverfahren Unregelmäßigkeiten aufwies. Klubs waren prinzipiell nicht verpflichtet, sich zum Thema Auf- und Abstieg zu deklarieren. So votierte etwa PSV Eindhoven „neutral“. Diese neutralen Stimmen wurden vom niederländischen Verband KNVB aber als Für-Stimmen gegen Auf- und Abstiege verwendet, ohne dies den Klubs vorher mitzuteilen. Beim Verband peitschte man also lediglich die eigene Agenda durch. Laut mehreren Quellen hätte der Verband abstimmen lassen, seine Entscheidung aber bereits vor der Abstimmung gefestigt.
Utrecht klagt Europacup-Ticket ein
Eine weitere Klage droht dem Verband aus Utrecht. Der Tabellensechste stand zum Abbruchszeitpunkt knapp auf keinem Europa-League-Platz und möchte bis zum obersten Gerichtshof gehen, um seinen Europacupstartplatz einzuklagen. Der Grund ist, dass Willem II derzeit mit einem Spiel mehr, drei Punkten Vorsprung und der deutlich schlechteren Tordifferenz auf Platz 5 vor Utrecht legt. Mit einem Sieg im verbliebenen Nachtragspiel hätte Utrecht Willem II also von Platz 5 verdrängt. Darüber hinaus steht Utrecht nach einem 2:0-Halbfinalerfolg über Ajax Amsterdam auch im Cupfinale gegen Feyenoord. Die Liga vergab die drei Europa-League-Tickets aber offiziell an Feyenoord, PSV und Willem II.
Finanzielle Unterstützungen werden Klagen nicht verhindern
Der KNVB erklärte bisher nur, dass die geschädigten Teams Utrecht, Cambuur und De Graafschap eine finanzielle Unterstützung erhalten werden, die sie für den Wegbruch des Europacupstartplatzes bzw. des Aufstiegs entschädigen soll. Zudem sollen auch NAC Breda und Volendam entschädigt werden – die beiden Teams hatten ihren Platz im Aufstiegsplayoff zur Eredivisie so gut wie in der Tasche. Der Verband stellte sich dies allerdings offenbar etwas zu leicht vor und darf sich nun auf eine Klageflut gefasst machen.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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