Transfers erklärt: Darum wechselte Edinson Cavani zu Paris St. Germain
Weitere Länder 26.September.2013 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?
Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
In dieser Ausgabe blicken wir auf den einen weiteren Millionentransfer von Paris St. Germain, welche sich mit Edinson Cavani einen der am heißesten umworbenen Stürmer der Welt für die stolze Summe von 64 Millionen Euro gesichert haben.
Ein typischer Uru – mit all seinen taktischen Vorteilen
Spätestens seit den 60ern gelten die Urus als eine überhart spielende Nation im Fußball. CA Penarol Montevideo gewann damals zweimal den Weltpokal auf diese Art und Weise, in den 80ern gelang ihnen das ein weiteres Mal. Seitdem gehört eine körperbetonte Spielweise fast zum Standardrepertoire eines hochklassigen Spielers aus Uruguay. Auch die Stürmer machen da keine Ausnahme: Luis Suarez war beispielsweise vergangene Saison jener Spieler in der englischen Liga, der die meisten Bälle im letzten Angriffsdrittel eroberte. Weiters bestritt er von allen Top-Stürmern der Liga die meisten Zweikämpfe und beging im Schnitt mehr als ein Foul pro Spiel.
Ähnliches konnte man auch bei Edinson Cavani in der Serie A vergangene Saison beobachten. Vor Miroslav Klose und Stevan Jovetic kam er auf die meisten Zweikämpfe aller Mittelstürmer und beging auch mit die meisten Fouls aller Offensivspieler (1,4 pro Spiel). Zusätzlich kam er aber auch auf gute 78% Passgenauigkeit und beeindruckende 33 Scorerpunkte (29 Tore, 4 Vorlagen) in 34 Partien, womit er sich zum Torschützenkönig kürte. Im Jahr zuvor landeten lediglich sehr tororientierte Mittelstürmer (Ibrahimovic, Milito und Di Natale) vor ihm, welche mit seiner Beteiligung am Defensivspiel nicht mithalten können; in der Saison 2010/11 wurde er hinter Di Natale Zweiter. Eine konstant hohe Torausbeute also, die zeigt, wieso nicht nur PSG, sondern auch Chelsea und Real Madrid Interesse hatten.
Natürlich sind solche Statistiken immer mit etwas Skepsis zu betrachten, aber diese Zahlen geben den Spieler Cavani gut bis sehr gut wieder. Er ist nicht nur sehr durchschlagskräftig im Strafraum und bei Kontern, sondern überzeugt auch bei gegnerischem Ballbesitz. Mit extremer Bissigkeit arbeitet er nach hinten und kann als Mittelstürmer entweder vorne im Pressing oder hinten mit schnellen Rückwärtspressing-Aktionen viel Druck aufbauen. Er spielte auch schon als Außenstürmer im 4-3-3 (von PSG in dieser Saison und bei Uruguay, u.a. beim Confed-Cup) sowie auf beiden Positionen im 3-4-3 Napolis der vergangenen Jahre. Bei Paris kam er aktuell auch als hängender Stürmer bzw. als zweiter Mittelstürmer im 4-4-2 zum Einsatz, könnte langfristig auch als Halbstürmer in einem 4-2-3-1, oder als verkappter Mittelstürmer über einen der beiden Flügel kommen, wie es bei Napoli bereits praktiziert wurde.
Ein (fast) kompletter Stürmer
Cavani ist in Anbetracht seiner Fähigkeiten also mehr als nur ein herausragender Goalgetter: Durch seine Abschlussstärke bringt er die nötige Effizienz für Kontermannschaften mit, durch seine Präsenz in der Luft ist er bei Flanken eine Waffe und kann auch lange Befreiungsschläge behaupten. Er ist passabel im Kombinationsspiel und somit auch für Teams mit viel Ballbesitz eine Option, desweiteren hilft ihm seine Ausdauer und Bissigkeit in all diesen Belangen, wodurch er ganz besonders im Pressing oder bei Umstellungen im Spiel eine Waffe ist. Mit Cavani im Team hat ein Trainer somit sehr viele Variationsmöglichkeiten, ohne wechseln zu müssen.
Dennoch gibt es auch Kritikpunkte an Cavani. Trotz seiner hohen Laufbereitschaft und seiner guten taktischen Bewegung im Offensiv- wie Defensivspiel begeht er manchmal Stellungsfehler und positioniert sich ungenau. Dank seiner Athletik kann er diese meistens schnell ausbessern, ist aber dennoch nicht immer der enorm stabile Pressingspieler, der er sein könnte. Auch offensiv gibt es in einigen Aspekten noch Luft nach oben.
Seine Entscheidungsfindung ist nicht immer ideal, gelegentlich ist auch sein Gefühl für Räume etwas suspekt. Er bewegt sich dann teilweise in schwer anspielbare Zonen oder spielt den falschen Pass, nur um sich danach unpassend freizulaufen. Seine Technik ist ebenfalls ein Gesprächsthema; es gab beispielsweise durchaus etwas Kritik an der Ablösesumme, die für einen Spieler wie Cavani zu hoch sein sollte. Dabei ist seine Technik prinzipiell sehr gut – es ist eher die Erfolgsstabilität, die ihm hier gelegentlich Probleme bereitet. Wie in der Entscheidungsfindung hat er viel Potenzial, nutzt es aber nicht immer optimal aus und begeht dann etwas schlampige Fehler.
Fazit: Risiko trotzdem vorhanden, Struktur benötigt!
Abgesehen davon ist er aber bereits ein Stürmer auf sehr hohem Niveau, der bei Paris St. Germain den nächsten Schritt gehen möchte. Insbesondere mit Zlatan Ibrahimovic könnte er ein sehr gefährliches Duo bilden. Beide könnten z.B. in einem 4-4-1-1 fließend zwischen hängendem Stürmer und Mittelstürmer wechseln.
Gelegentlich würde dann Ibrahimovic als hängender Stürmer wie ein Ballverteiler agieren und Bälle behaupten, Cavani würde Tiefe geben und auf Lochpässe warten. Wenn Ibrahimovic ganz vorne spielt, agiert er mit dem Rücken zum Tor und kombiniert mit Cavani, der immer wieder auf den Halbpositionen in die Tiefe geht. Auch ein 4-3-3 mit Cavani und Moura wäre möglich, ebenso wie eine 4-3-1-2-Formation.
Es scheint zurzeit einzig fraglich, ob Trainer Laurent Blanc es schaffen wird, die beiden einzubinden. Sollte keine klar erkennbare und zumindest in der Mehrzahl der Spiele ausgeführte Spielphilosophie existieren, dann könnte Cavani ganz besonders darunter leiden.
In diesem Fall könnten sich die Vielfalt seiner Fähigkeiten und sein riesiger Aktionsradius prompt zu Chaos umwandeln, wenn er nicht fokussiert und gelenkt wird. Im Gegensatz zu Spielern wie Sturmpartner Ibrahimovic würde er wegen mangelnder Einbindung stärker darunter leiden, ohne Struktur wäre er für die Mannschaft womöglich eine unbekannte Variable und vielleicht sogar ein Risiko. Man wird sehen, was und wie Laurent Blanc und der Verein mit ihm plant.
René Maric, www.abseits.at
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