Transfers erklärt: Darum holte Paris SG den 19-jährigen Marquinhos um 30 Millionen Euro
Weitere Länder 24.Juli.2013 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?
Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
In dieser Ausgabe blicken wir auf den neuesten Millionentransfer von Paris St. Germain, das einen 19-jährigen Innenverteidiger für 35 Millionen Euro holt.
Marquinhos, das Supertalent
In den letzten Jahren scheinen sich junge Innenverteidiger sehr gut zu verkaufen. 30 Millionen Euro ließ sich Real Madrid die Dienste des damals 24-jährigen Pepé im Sommer 2007 kosten, der FC Bayern holte im Winter 2008 dann den erst 18-jährigen Breno für 12 Millionen aus Brasilien. Sie waren Wegbereiter für noch teurere Transfers wie Dmytrio Chygrinskiy (22 Jahre, 25 Millionen), Andrea Ranocchia (22 Jahre, 18,5 Millionen), Matija Nastasic (18 Jahre, 15 Millionen plus Stevan Savic), Phil Jones (19 Jahre, 19 Millionen) oder David Luiz (23 Jahre, 30 Millionen). Raphael Varane von Real Madrid wirkt mit seiner Ablöse von knapp über 12 Millionen als 18-Jähriger im Sommer 2011 wie ein Schnäppchen.
Marquinhos toppt sie dennoch alle. Paris St. Germain lässt sich seine Dienste knapp über 30 Millionen Euro kosten, mit Klauseln dürfte der Deal auf ungefähr 35 Millionen anwachsen. Nach Rio Ferdinand und Thiago Silva macht ihn dies zum drittteuersten Innenverteidiger aller Zeiten. Das Beeindruckende: Marquinhos ist im Mai erst 19 Jahre alt geworden und hat bislang nur 36 Pflichtspiele im Klubfußball bestritten.
Vor einem Jahr wechselte er aus Brasilien zum AS Rom, wo er unter Zdenek Zeman auf Anhieb zum Stammspieler wurde. Gelegentlich half er gar als Rechtsverteidiger aus, doch seine Idealposition liegt in der Innenverteidigung, wo er zu den Ligabesten gehörte. Trotz einer Körpergröße von knapp 180cm zeigte er Souveränität in Luftzweikämpfen und ließ sich selten bei hohen Bällen überwinden. Mit guter Kopfballtechnik und hoher Sprungkraft glich er seine verhältnismäßig geringe Größe aus.
Auf dem Boden ist er allerdings noch überzeugender. Marquinhos ist beweglich, geschmeidig und sowohl auf kurzen Strecken als auch in längeren Laufduellen überaus schnell. Dadurch kann er Zweikämpfte konstant für sich entscheiden, kann offene Räume versperren oder im Verbund mit seiner tollen Antizipation gefährliche Pässe abfangen. In dieser Statistik ist er gar unter den 20 besten Spielern der gesamten Liga. Dank seiner Athletik leistet er sich außerdem sehr wenige Fouls, insgesamt macht er weniger als eines pro Spiel.
Hinzu kommt seine technische Stärke. Ganz wie die aktuellen Prototypen des modernen Innenverteidigers, Spieler wie Mats Hummels, Gerard Pique oder Thiago Silva, verfügt Marquinhos über eine sehr gute Spieleröffnung. Fast 90% seiner Pässe kommen an, auch hier liegt er unter den besten 20 Spielern der Liga, obwohl er noch so unerfahren ist und teilweise als Außenverteidiger spielte. Zwar klärt er manchmal noch, anstatt herauszuspielen, doch es ist Kritik auf hohem Niveau.
Nun wechselt er zu Paris; womöglich ein Glücksgriff, obwohl auch der FC Barcelona Interesse gehabt haben soll. In Paris kann er neben dem womöglich besten Innenverteidiger der Welt reifen, seinem Landsmann Thiago Silva. Spielt Marquinhos konstant auf diesem Niveau und verbessert sich weiterhin, dann könnten sie durch den Vorteil der Eingespieltheit gar den Stammplatz in der brasilianischen Nationalmannschaft erobern – auch wenn dies in Anbetracht der Konkurrenz, Dante vom FC Bayern und David Luiz vom Chelsea FC, unwahrscheinlich erscheinen mag.
Doch in Marquinhos‘ Alter war wohl noch keiner so weit. Eine wirkliche Schwäche gibt es nicht. Teilweise spielt er nicht die strategisch besten Pässe, ist etwas riskant im Herausrücken oder hat kurze Phasen im Spiel, wo er nicht so souverän wie sonst wirkt, doch das sind nur kleine Mängel bei einem sehr jungen Spieler. Bei Paris könnte er Sakho in der Innenverteidigung verdrängen oder eben im Rotationsprinzip ein paar Spiele machen – Marquinhos hatte schon die eine oder andere kleine Verletzung, gut möglich, dass er in seinem Alter und bei seiner schlaksigen Konstitution ohnehin noch seine Pausen benötigt.
Er wäre aber auch für den rechten defensiven Flügel eine Option. Weder Gregory Van der Wiel noch Christophe Jallet verkörpern oberste internationale Klasse. Marquinhos könnte eine Rolle auf rechts übernehmen, wie es beispielsweise Eric Abidal vor einigen Jahren noch beim FC Barcelona tat: Durch eine tiefere und konservativere Spielweise ermöglicht er dem gegenüberliegenden Flügel eine enorm offensive Spielweise.
Passenderweise wurde für diese Position mit dem 20-jährigen Lucas Digne ebenfalls ein großes Talent verpflichtet, welches womöglich eine stabile Absicherung benötigt und gleichzeitig einen enormen Offensivdrang ausleben könnte. Marquinhos als Rechtsverteidiger wäre somit eine gute Idee, um der Mannschaft Stabilität zu geben und interessante Synergien zu erzeugen.
Langfristig dürfte die Zukunft Marquinhos dennoch in der Innenverteidigung liegen. Seine Anlagen und sein Potenzial machen ihn zu einem der interessantesten Talente im Weltfußball; es scheint, als ob sich in den nächsten Jahren gar eine goldene Generation von Innenverteidigern im Weltfußball entwickeln könnte.
Rene Maric, abseits.at
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