Transfers erklärt: Darum wechselten Wesley Sneijder und Didier Drogba zu Galatasaray
Weitere Länder 12.Februar.2013 Rene Maric 1
In dieser Rubrik gehen wir auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein und beleuchten die Hintergründe und Motive. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen beantwortet werden. In dieser Ausgabe blicken wir auf zwei interessante Transfers, wobei insbesondere die individuelle Klasse der jeweiligen Spieler hervorragend ist.
Wesley Sneijder: von Inter zu Galatasaray
2010 wurden einige Stimmen laut, dass Lionel Messi es nicht verdient hätte, zum Weltfußballer gekürt zu werden. Natürlich spielte er einmal mehr eine individuell grandiose Saison. Aber abgesehen von der heimischen Meisterschaft gab es keine großen Titel und die Torzahlen waren noch nicht so beeindruckend wie aktuell. Stattdessen wurde angemerkt, dass Wesley Sneijder mit seiner Nationalmannschaft ins WM-Finale gekommen war und ganz nebenbei noch das Triple geholt hatte – jeweils mit einzelnen herausragenden kreativen Aktionen.
Doch diese Saison war sein Höhepunkt – während Cristiano Ronaldo, Lionel Messi, Andrés Iniesta und Xavi ihr Niveau halten oder gar verbessern konnten, war diese Saison symptomatisch für Sneijders Karriere. Einzelne herausragende Wochen wechselten sich mit schwächeren Phasen ab, die teilweise Monate dauerten. Darum geriet er nach dem Abgang José Mourinhos auch langsam auf das Abstellgleis bei Inter.
Verletzungssorgen, Auseinandersetzungen im privaten Bereich und mit den Trainern sowie die mangelnden Konstanz sorgten für den Niedergang des einstigen Weltklassespielers. Kein Wunder, dass der potenzielle Weltfußballer 2010 nicht einmal eine zweistellige Millionensumme kostete – und mit Galatasaray kommt er zu einem Verein, der von diesem Transfer fast nur profitieren kann.
Dies betrifft einerseits natürlich den medialen Bereich und das Image. Dieser Wechsel pusht das Standing der türkischen Liga. Zwar ist es unter Experten ein offenes Geheimnis, dass Sneijder seine besten Tage weit hinter sich hat und ihn deswegen kein Top-Klub wollte, doch für den Laien klingt der Wechsel durchaus spektakulär, da es auch noch zuletzt immer wieder Gerüchte gab, dass der Niederländer zu einem Spitzenklub wechseln würde.
Der zweite Aspekt betrifft logischerweise den sportlichen Bereich. Ein fitter und motivierter Sneijder kann in der türkischen Liga (und auch international bis zu einem gewissen Level) nach wie vor den Unterschied ausmachen. Seine Kreativität, seine Stärke im Passspiel und bei ruhenden Bällen waren beispielsweise auch bei der EM 2012 noch einige Male sichtbar. Sollten sich diese Stärken wieder konstant zeigen und Sneijder die Herausforderung Türkei auch sportlich annehmen, steht einer Rückkehr in Richtung gehobene internationale Klasse nur wenig im Wege.
Die Frage wird sein, wo er seinen Platz im 4-4-2 von Galatasaray findet. Inan und Melo spielen öfters im zentralen Mittelfeld – er wäre hier wohl zu offensiv. Die Stürmer Burak, Bulut und Elmander sind alles andere als schwach, eine Umstellung auf ein 4-2-3-1 scheint eher unwahrscheinlich, ebenso wenig wie auf ein 4-3-3. Das 4-4-2 passt auch den Außen wie Hamit Altintop besser – und es könnte auch Sneijder entgegenkommen.
Als kreativer Spieler von der linken Außenbahn könnte er in die Mitte ziehen und hätte zwei Anspielstationen zum Bedienen. Diese Rolle spielte er bereits öfters in seiner Karriere und auch in der Nationalmannschaft. Mit Emre Colak ist die Konkurrenz auf dieser Position auch nicht allzu groß– sollte Sneijder fit sein.
Didier Drogba: von Shanghai Shenhua zu Galatasaray
Doch eine Möglichkeit gäbe es doch, um auf ein 4-2-3-1 umzustellen; mit einem defensivorientierten 4-5-1 (anstatt einem verkappten 4-4-2 oder 4-3-3, was das 4-2-3-1 zumeist ist) und Drogba als Wandspieler könnte diese Verpflichtung vor allem in der Champions League interessant werden. Die flache Fünf im Mittelfeld macht es fast jeder Mannschaft schwer, sich durchzutanken.
Außerdem hat man mit Sneijder für Raumpässe und präzise lange Bälle einen herausragenden Passgeber für lange Bälle. Drogba wiederum kann diese hervorragend herunterpflücken und behaupten, bis die anderen Spieler nachrücken. Damit wäre die größte Schwäche des tiefen 4-5-1, nämlich die Ungefährlichkeit im Offensivspiel wegen mangelhaftem Umschalten, beseitigt. Eine gefährliche Waffe für die K.o.-Spiele, falls man denn bei Galatasaray so weit vorausdachte.
Ansonsten dürfte sich Drogba wohl mit Elmander und Burak um einen Platz als vorderster Stürmer streiten. Sowohl Elmander als auch Burak können als hängende Spitzen spielen oder situativ auf den Flügel ausweichen, weswegen sie gut zu Drogba passen. Sie sind unterschiedliche Spielertypen und Galatasaray kann sich gut auf den Gegner anpassen oder gar in einem sehr engen 4-3-3 agieren, wenn man in den letzten Minuten in Rückstand geraten sollte.
So oder so – egal ob Drogba oder Sneijder: der Imagegewinn und die erweiterten taktischen Möglichkeiten sind bei beiden Transfers groß. Falls sie ihr Potenzial ansatzweise ausloten, dürfen sich die Fans von Galatasaray über ihre Neuzugänge freuen. Das Risiko ist überschaubar, dennoch ist ein grandioses Scheitern beider Akteure möglich. Ein halbes Jahr in einer extrem schwachen Liga und zwei Jahre voller Berg- und Talfahrt können auch einen (ehemaligen) Weltklassespieler seiner Stärken berauben; in diesem Fall sogar zwei.
René Maric, www.abseits.at
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