In dieser Serie gehen wir auf einzelne Weltklassetalente ein, die auf dem Sprung standen – und ihn nicht schafften. Zumeist waren es persönliche Tragödien, Verletzungen oder einfach die Umstände ihrer Karriere: Die Aussage „Zur falschen Zeit am falschen Ort“ kann manchmal schmerzhaft wahr sein.
Wir lassen die Karrieren diverser Akteure Revue passieren, spekulieren über die mögliche Auswirkung ihres fehlenden Durchbruchs in der Geschichte des Fußballs und ein kleines „was wäre, wenn…?“ darf natürlich auch nicht fehlen. Immerhin besitzt nahezu jeder Fußballfan noch eine schöne Erinnerung an solche Spieler und jene fragende Wehmut, welche Erinnerungen man nicht verpasst hat.
In diesem Teil widmen wir uns …
Nico Rijnders
Nico Rijnders war einer der Spieler des niederländischen „totalen Fußballs“ der späten 60er und 70er. Im Gegensatz zu Weltklassespielern wie Johan Cruijff oder Johan Neeskens kennt ihn heutzutage aber kaum jemand. Dabei spielte er sogar 1971 im Finale des Europapokals der Landesmeister für Ajax Amsterdam von Beginn an, sicherte als Sechser den Raum vor der Abwehr.
Zu diesem Zeitpunkt war Rijnders erst 23 Jahre alt. Damals wie heute ist das für einen Sechser auf höchstem Niveau ein enorm junges Alter. Für manche kam es auch überraschend, als Rijnders im Laufe dieser Saison 1970/71 immer weniger Einsätze erhielt und der Deutsche Horst Blankenburg langsam zum Ersatz des großen Velibor Vasovic wurde. Die Antworten dafür findet man aber womöglich sogar in besagtem Finale.
Herzprobleme verbauen die große Karriere
Zur Halbzeit spürte Nico Rijnders ein Ziehen in der Brust und leichte Atemnot. Der polyvalente Mittelfeldspieler blieb gleich in der Kabine und sah zu, wie seine Mannschaft ohne ihn gewann. Auch die Verhandlungsgespräche in diesem Sommer zogen sich in die Länge und letztlich verließ Rijnders Ajax, obwohl er erst 1969 für die hohe Summe von 400.000 Gulden zum Klub gestoßen war.
Zahlreiche Kritiker behaupten bis heute, dass die medizinische Abteilung von den Herzproblemen Rijnders’ wusste; im Gegensatz zu ihm. Er nahm ein höheres Angebot des FC Brügge an und wurde in Belgien zum Stammspieler. Dort setzten sich seine Erfolge auf dem Platz fort. Man wurde Zweiter in der Liga und kam ins Viertelfinale des Europapokals der Pokalsieger.
Aber nach dieser Saison schlug das Schicksal beim achtmaligen Nationalspieler der Niederlande zu. Am 12. November 1972 kollabierte er in einem Ligaspiel gegen Standard Liege. Erste Reanimationsversuche schlugen fehl, Rijnders war klinisch tot, konnte aber in den Katakomben doch noch von Teamarzt Michel D’Hooghe wiederbelebt werden. Doch Rijnders‘ Karriere erholte sich nie wieder von diesem Vorfall.
Er sollte nie wieder als Fußballer auf dem Platz stehen und selbst als Trainer hatte er kein Glück. 1974 wurde er Trainer bei Racing Harelbeke in der vierten Liga, aber seine Herzprobleme verschlimmerten sich zu Weihnachten. Der Arzt verbot ihm sämtliche sportlichen Aktivitäten – aktiv und passiv. 1975 fand ein Benefizspiel zwischen Ajax und Brügge statt, um Geld für Rijnders zu sammeln. Sogar Johan Cruijff und Johan Neeskens, die zwei großen Stars von „Gloria Ajax“ , die mittlerweile beim FC Barcelona unter Vertrag standen, spielten.
Von diesem Geld eröffnete Rijnders ein Geschäft für Sportartikel. Gesundheitlich und sportlich hatte Rijnders schon genug gelitten, sollte ihm nun zumindest ein bürgerlicher Beruf doch die gewünschte Bestätigung und etwas Erfolg, sowie finanzielle Absicherung bringen?
Das Geschäft von Pechvogel Rijnders ging den Bach runter, Rijnders war bankrott, litt dann auch unter den psychischen Nachwirkungen, wurde alkoholkrank und von seiner Frau verlassen. 1976 starb Rijnders an seiner Herzkrankheit; viel zu jung, im Alter von nur 28 Jahren. Er lag alleine in seinem Apartment, mit ihm nur die übrig gebliebenen Sportgüter seines gescheiterten Geschäfts. 2009 kam eine Untersuchung zum Schluss, dass er unter einer kongenitalen Herzarrhythmie gelitten hatte.
Was entging dem Fußball?
Vorab: Der Fußball verlor natürlich einen beeindruckenden Menschen, der sich aus eigener Kraft von der Jugendabteilung des VV Barony Breda bis in den Profibereich des NAC Breda hocharbeitete. Seine Karriere trieb er mit viel Laufarbeit und großem Ehrgeiz an, wodurch er es bis zur höchsten internationalen Klasse schaffte.
Nach dem jähen Karriereende und spätestens nach seinem Tod gab es immer wieder Diskussionen in den heimischen Medien, wie sich Rijnders noch entwickelt hätte. Er verfügte über einen starken Defensivzweikampf, stieß immer wieder intelligent aus seiner tiefen Position nach vorne und war ein idealer Spieler für den totalen Fußball.
Dank seiner positionellen Flexibilität konnte er als die gesamte Breite absichernder Sechser, in die Spitze gehender Achter oder auch in der Abwehrkette agieren. Einige sahen ihn darum als Nachfolger Vasovics in der Innenverteidigung beziehungsweise als Libero, andere wiederum wollten ihn auch als Außenverteidiger sehen, konnte er doch auf beiden Seiten spielen. Mit seiner Dynamik, extremer Laufstärke und seinen sicheren Kurzpässen wäre er wohl auch für diese Position eine ideale Besetzung gewesen.
Auch Ernst Happel und Rinus Michels hätten sich darüber freuen können. 1974 kam Happel zum FC Brügge und baute eine Spitzenmannschaft auf. Rinus Michels scheiterte knapp im Finale der WM 1974 gegen Deutschland. Wie das mit dem nimmermüden Rijnders wohl ausgesehen hätte?
Rene Maric, abseits.at
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