Videoanalyse: Juan Román Riquelmes Leistung gegen River Plate
Weitere Länder 17.Oktober.2013 Rene Maric 1
Das „Superclásico“ gilt als das größte und wichtigste Fußballderby der Welt. Es steht für das Aufeinandertreffen der Arbeiterklasse (Boca) mit den oberen Zehntausend (River), für ein Derby, welches seit fast 100 Jahren existiert. Die letzte Begegnung zwischen den beiden Teams fand am 6.10. statt und wurde von den Boca Juniors trotz einiger Verletzungsprobleme und auch ansonsten schwieriger Umstände (keine Boca-Fans zugelassen) gewonnen.
Dabei gab es für die Zuschauer (neben dem in Europa gescheiterten Fernando Gago) eigentlich nur einen großen Namen zu bewundern: Juan Roman Riquelme. 35 Jahre ist er alt, spielte nur etwas über 60 Minuten und war letztlich doch spielentscheidend. Sein Pass auf den rechten Flügel leitete den einzigen Treffer im Spiel ein. Doch wie war die Leistung des Altmeisters sonst so?
Die klassische Zehn lebt noch – aber sie atmet schwer
Im 4-3-1-2 von Boca übernimmt Riquelme die Aufgabe die Angriffsbewegungen im letzten Spielfelddrittel zu koordinieren, eine Verbindung zum defensiven Mittelfeld zu geben und die Bälle zu verteilen. Gerne holt er sie im Mittelfeld ab, oder teilt sich die kreativen Aufgaben mit Gago, wobei er dennoch jener Spieler bleibt, der die beiden Stürmer am öftesten und spektakulärsten einsetzt. Kurzum: Entgegen aller vermeintlichen Trends ist Riquelme nach wie vor eine sehr klassische Nummer Zehn.
Und ganz wie eine klassische Zehn kann er sich auch ohne Schnelligkeit, Sprints oder Übersteiger aus engen Räumen befreien. Bei 0:20 erhält Riquelme einen hohen Ball und hat wenig Platz, kann ihn aber mit einer Berührung stoppen und zwei Gegenspieler mit einer Körpertäuschung stehen lassen. Aus der eigentlich engen Situation am Flügel entsteht plötzlich ein Angriff über die Mitte. In der folgenden Aktion lässt Riquelme wieder seine technische Stärke aufblitzen.
Ein kurzer Blick, ein langer Ball und plötzlich hat der in den Halbraum ausgewichene Mittelstürmer den Ball am gegnerischen Sechzehner. Obwohl er nicht sonderlich breit stand, der Gegenspieler nicht allzu weit weg und der Ball relativ lange in der Luft war, kommt Riquelmes Pass zielgenau an. Das Markenzeichen eines großen Fußballers – auch wenn sein Mitspieler den Ball danach im 1-gegen-1 verliert. Und er beweist neben der Technik auch das Spielgefühl einer Zehn.
Bei 0:55 wird er gepresst und mit ein paar Ballberührungen und Veränderung der Position findet er sich in einer Lage wieder, in der er einen einfachen Lochpass an zwei Gegnern vorbei spielen kann. Sein Mitspieler kann wieder einen Vertikalsprint in die offenen Räume starten.
In der folgenden Aktion spielt Riquelme bei 1:02 einen unscheinbaren Pass auf die Seite. Sein Mitspieler hat dort aber genug Raum, um den Gegner ordentlich anzudribbeln und an diesem vorbeizuziehen. Die Hereingabe kommt und es steht prompt 1:0. Es sollte das Endergebnis sein – Riquelmes Anteil erscheint gering, doch ist er dennoch vorhanden.
Ansonsten erkennt man Riquelmes hervorragende Fähigkeiten, aber auch die mittelmäßige Unterstützung seiner Mitspieler, die mangelnde Struktur beim Gegner und das Abfallen seiner konstanten Spielstärke. Er kann sich nach einem Pass nicht immer wieder freilaufen oder erwischt Pässe in den Lauf nicht mehr; aber wenn er Pässe spielt, haben sie Hand, Fuß und Gefühl.
Bei 1:58 scheint er beispielsweise zu lange den Ball zu halten. Die Gegner gehen auf ihn drauf, können ihn zuerst nicht erobern und kurz, bevor sie es zu schaffen scheinen, kommt ein Pass. Ein Pass, der wie ein ungenauer Fehlpass aussieht, aber letztlich genau die Bewegung des Mitspielers findet. Und sonst? Sonst gibt es wenig zu bewundern.
Fazit
Es mangelt an der Präsenz, von der Riquelme einst lebte und die er nutzte, um Spiele zu kontrollieren. Wenn der Ball in seiner Nähe ist, dann wirkt es fast wie früher; schöne Pässe, intelligentes Einleiten von Spielzügen und das Fungieren als pressingresistente Anspielstation. Doch bei einer klassischen Zehn ist es wichtig, dass sie zumindest Ansätze einer gewissen Grundathletik mitbringt: Sie muss sich konstant anbieten und freilaufen können, um genug Anspiele zu erhalten, damit sie ihre Genialität einbringen kann. Nur so kann sie für das Kollektiv über 90 Minute Vorteile verschaffen.
Diese große Aufgabe wird meistens – und bei Riquelme ist im Video auch ein paar Mal zu sehen, wie hoch er bei manchen Anspielen steht – dadurch ermöglicht, dass er wie früher auch von der Defensivarbeit weitgehend befreit wurde. Dennoch schafft er es nur in einzelnen Spielzügen sich freizulaufen und seine Stärken ins Spiel zu bringen, trotz einer keineswegs schwachen Leistung wurde er früh ausgewechselt. Die Führung hatten sie immerhin schon, Riquelme hatte also sein Soll erfüllt.
Es sind die letzten Momente eines großen Stars, der womöglich in seine letzte Saison geht.
René Maric, www.abseits.at
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