Weißrussland: Ignoranz als Chance
Weitere Länder 14.April.2020 Kristian Müller
Momentan fällt der ganze europäische Fußball wegen der COVID-19-Pandemie ins Wasser. Innerhalb der UEFA wurde der Spielbetrieb bereits vor Wochen erst auf Geisterspiele reduziert und dann komplett eingestellt. Aber an einem Land gingen sämtliche Maßnahmen nahezu spurlos vorbei. In Weißrussland sorgte nämlich Präsident Aleksandr Lukashenko mit seiner Verweigerung bzw. partiellen Leugnung des Coronavirus für eine uneingeschränkte Fortsetzung der dortigen Fußballliga. Das hat neben den gesundheitlichen Risiken zwar noch einige andere Nachteile, aber auch ein paar Vorteile.
Pro: Höhere Aufmerksamkeit
Normalerweise bekommen die weißrussischen Teams nur Aufmerksamkeit, wenn BATE Borisov oder Dinamo Minsk ihr Land im Europacup vertreten. Die Ligaspiele hingegen interessieren kaum Fußball-Fans in Europa. Aber durch die aktuelle Situation im europäischen Fußball haben viele Zuschauer keine Option zur Liga in Weißrussland. Besonders diejenigen, die oft auf Fußballspiele wetten, verfolgen den weißrussischen Fußball wie noch nie zuvor. Diese „neue Begeisterung“ für diesen Fußballmarkt ist auch in den TV-Stationen einiger anderer Länder angekommen. Beispielsweise in Russland werden nun jede Woche Spiele aus Weißrussland gezeigt.
Contra: Neuer Markt für Wettbetrüger
Die neue Monopolstellung im europäischen Fußball könnte auch zur Folge haben, dass sich die Wettmafia jetzt vermehrt auf die Liga in Weißrussland stürzt. Besonders im osteuropäischen Raum sind in den letzten Jahren immer wieder Fälle von Wettbetrug publik geworden. Dadurch birgt der Mangel an Alternativen natürlich auch eine gewisse Gefahr am europäischen Wettmarkt mit sich. Erste Stimmen diesbezüglich wurden zum Beispiel laut, als der Rekordmeister und mehrmalige Champions League-Teilnehmer BATE Borisov seine ersten beiden Ligaspiele verlor – bei einer Wettquote für die Gegner, die jeweils über 6:1 stand.
Pro: Mannschaften halten ihr Niveau
Die Aufrechterhaltung des normalen Spielrhythmus ist etwas, das den Mannschaften rein spielerisch in die Karten spielen müsste. Denn auch wenn sicher niemand das Fußballspielen verlernt, ist es trotzdem nicht optimal, wenn man über längere Zeit kein Mannschaftstraining absolvieren kann. Das könnte den Teams in Weißrussland helfen. Denn während alle wegen der fußballtechnischen Abstinenz wieder zu alter Form zurückfinden müssen, haben die Mannschaften in Weißrussland mit kontinuierlichem Training die Möglichkeit, die Lücke zu den Topteams zu schließen.
Contra: Angst
Auch wenn es laut Präsident Lukashenko keinen Grund gibt, in Panik zu verfallen, sieht man doch deutlich, dass nicht alle in Weißrussland so denken wie ihr Staatsoberhaupt. Denn auch wenn es in der Liga nicht unbedingt üblich ist, dass vor 20.000 Fans gespielt wird, sinken die Zuschauerzahlen im Stadion aktuell in den dreistelligen Bereich. Auch einige Spieler, darunter Ex-Sturm-Legionär Darko Bodul, haben sich mittlerweile kritisch über die Fortsetzung des Spielbetriebes geäußert. Aber der Präsident lässt sich davon nicht beeinflussen und verzichtet auch weiterhin auf Geisterspiele oder ähnliche Maßnahmen.
Die aktuelle Situation wird also vielleicht ein paar Vorteile für den Fußball in Weißrussland bringen. Diese können aber keinesfalls die Gefahr und die Angst vor dem Virus aufwiegen. Deshalb wäre es trotz Allem das Vernünftigste, wenn man die Liga vorerst auf Eis legen würde.
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Kristian Müller
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