Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen... Wiederholung in Zeitlupe (26) –  Der älteste Fußballverein der Niederlande (KW 37)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen uns kurz und bündig legendären Toren, Spielen, Fußballpersönlichkeiten, Ereignissen auf oder neben dem Platz und vielem mehr. Wir wollen Momente, Begebenheiten, Biografien im Stile von Zeitlupenwiederholungen aus dem TV nochmals Revue passieren lassen. Gedanken machen wir uns dabei über Vergangenes, das in der abgelaufenen Kalenderwoche stattgefunden hat: Heute reisen wir lange zurück, nämlich ins Jahr 1879, zu jenem Tag, als der Haarlemsche Football Club am 15. September gegründet wurde …

Wie der Fußball in die Niederlande kam…

Fußball ist in den Niederlanden unbestritten der Nationalsport Nummer Eins. Das dicht besiedelte Land hat zahlreiche Topspieler wie Van der Sar, de Boer, Kluivert, Van der Vaart oder (natürlich) Johan Cruyff hervorgebracht, wurde dreimal Vize-Weltmeister, einmal Europameister und sorgte mit Ajax oder PSV auch auf Klubebene für Furore. Die niederländische Fußballschule, das 4-3-3, „Voetbal total“ prägte die Fortentwicklung des Sportes entscheidend. Begonnen hat die Liebesgeschichte zwischen dem Ballsport und den Holländern jedoch mit Pim Mulier.

Dieser wurde als Willem Johan Herman „Pim“ Mulier 1865 in Witmarsum geboren. Sein Vater war einer der letzten grietman – eine Art Bürgermeister und Richter in der niederländischen Provinz Friesland, seine Mutter stammte aus einer französischen Hugenottenfamilie. Pim kam durch seinen Vater früh mit Sport – insbesondere mit Eislaufen – in Kontakt. Während seiner Schulzeit in England entdeckte er schließlich Fußball und Rugby für sich und nahm beide Sportarten nachhause mit. Schon im Alter von 14 Jahren gründete Pim den ersten niederländischen Rugbyverein. Der Legende nach pflegten 40 bis 50 Burschen auf einer Wiese in Haarlem nach Muliers Anleitung Rugby zu spielen bis sie schließlich beschlossen ein offizieller Klub zu werden. Dieser Klub wurde vier Jahre später als „Royal Haarlem Football Club“ der erste reine Fußballverein im späteren Heimatland der Elftal. Der Royal Haarlem Football Club ist somit unglaubliche 142 Jahre alt, er spielt heute in der Tweede Divisie, der höchsten Amateurklasse. Das hätte Mulier sich wohl nicht träumen lassen: Auf dem Gründungsfoto trägt er einen markanten Schnurrbart und eine Melone, während seine Mitstreiter in längsgestreiften Trikots ernst in die Kamera blicken. Die „Royals“ spielten mit weißen Shirts und blauen Hosen. 1886 absolvierten sie gegen Amsterdam Sport das erste offizielle Spiel. Dreizehn Jahre später zog der Verein in den Sportpark „Spanjaardslaan“, wo er heute noch seinen Sitz hat. Der Royal Haarlem Football Club gewann vor der Einführung einer einheitlichen Liga drei inoffizielle Titel, später drei Mal – u.a. mit dem höchsten Sieg in einem niederländischen Cupmatch (25:0) – den niederländischen Cup. 1959 wurde „royal“ im Titelnamen durch das niederländische „koninklijk“ (königlich) ersetzt, nachdem Königin Juliana diesen Ehrentitel an den ältesten Fußballverein des Landes vergeben hatte.

Gründer Pim Mulier spielte selbst 1884 und 1885 für die niederländische Nationalmannschaft und erzielte am 10. April 1894 bei einem Freundschaftsspiel das erste offizielle Tor für die Elftal. Er war später der erste Präsident der erster des Fußballverbandes Nederlandse Atletiek en Voetbal Bond (NVAB). Weiters engagierte er sich als Sportfunktionär für Tennis, Leichtathletik, Cricket, Eislaufen und Bandy – einen Ballsport am Eis, ähnlich Eishockey. Er plädierte dafür Regeln zu vereinheitlichen, predigte Vereinsfreiheit und Multikulturalität, setzte sich für das Frauenwahlrecht ein, sammelte antikes Glas, arbeitete als Journalist und beschäftigte sich mit Botanik. Die meisten Niederländer danken ihm jedoch bis heute, dass er den Fußball in ihre Heimat gebracht hat.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag