Jeden Sonntag wollen wir in dieser Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im Konjunktiv stecken blieb, die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt radikal verändert haben oder sonst außergewöhnlich waren und sind: Sei es, dass sie sich nach dem Fußball für ein völlig anderes Leben entschieden haben, schon während ihre Profizeit nicht dem gängigen Kickerklischee entsprachen oder aus unterschiedlichen Gründen ihr Potenzial nicht ausschöpften. Auf jeden Fall wollen wir über (Ex)-Fußballer reden, die es sich lohnt auf dem Radar zu haben oder diese (wieder) in den Fokus rücken. Wir analysieren die Umstände, stellen Fragen und regen zum Nachdenken an: Mit Ellyse Perry stellen wir heute ein australisches Multitalent vor, das nicht nur im Fußball glänzt…
Im Mai 2012 meinte es Jitka Klimkova ernst. Mit den Worten „Entweder Cricket oder Fußball!“ stellte sie Ellyse Perry vor die Wahl. Niemand in ihrem Team könne zwei Sportarten gleichzeitig ausüben, meinte die tschechische Trainerin zur damals 21-jährigen Defensivspielerin. Canberra United setzte Perry also ein Ultimatum, doch für die Verteidigerin war es keine Option entweder ihre Fußballschuhe an den Nagel zu hängen oder von ihrem Cricket-Schläger Abschied zu nehmen. Beide Sportarten betrieb die junge Frau nämlich nicht nur auf Vereinsniveau, sondern auch in der Nationalmannschaft. Sie entschloss sich schließlich schweren Herzens den amtierenden australischen Fußballmeister zu verlassen und wechselte zum Sydney FC, wo man ihr erlaubte auch weiterhin ihren Verpflichtungen im Cricket nachzugehen.
Von Anfang an: Zwei Herzen in einer Brust
Die Außenverteidigerin ist eine der wenigen SportlerInnen, die ihr Land in zwei Disziplinen bei internationalen Wettkämpfen vertreten hat. Das bedeute ihr unendlich viel, sagte Perry in einem Interview vor mehreren Jahren. Dass sie jedoch heute für viele Australiens beste Cricket-Spielerin ist, hat sich nicht von Anfang an abgezeichnet, obwohl die 1,76 Meter große Athletin schon als Windelprinzessin eine richtige Sportskanone war.
Perry wurde am 3. November 1990 in Sydney geboren und wuchs in einem Vorort der Millionenmetropole auf. Während ihrer Kindheit betrieb sie Tennis, Golf und Leichtathletik. Ihre wahre Leidenschaft galt jedoch Fußball und Cricket sowie der harten Version von Rugby, Touch Football. „Ich war wie einer von den Buben, mit denen ich spielte; ein ‚Tomboy‘. Aber, dass man mich so nannte, habe ich immer als Kompliment verstanden.“, lacht die Nationalspielerin, wenn sie in Erinnerungen schwelgt.
Obwohl Ellyse Perrys erste Versuche mit einem Cricketball unter der Aufsicht ihres Vaters im elterlichen Wohnzimmer erfolgten, sahen die Eltern die sportlichen Ambitionen ihrer Tochter gelassen: „Wir waren nie die typischen Sporteltern, die auf und abspringen, wenn Ellyse toll gespielt hat.“, erzählt Mr. Perry, ein High School-Mathematiklehrer. Dabei verfügt seine Tochter über ein außergewöhnliches Talent, das nur wenige Menschen haben. Im Cricket glänzt sie bis heute als Allrounderin: schlägt gut, wirft gut, fängt gut. Dabei kommt ihr ihre Größe und Schnelligkeit zugute. Heute gilt sie als zweitschnellste Werferin weltweit, ihr Schlagstil ist technisch perfekt.
Cricket wurde in Australien erstmals gespielt, als jene Cambridge-Studenten, die 1848 die ersten Fußballregeln festschrieben noch nicht einmal geboren waren. Bald etablierte sich der Wettkampf, der natürlich von britischen Siedlern mitgebracht wurde, als Nationalsport in Down Under. Cricket wird in zwei Teams zu je elf Teilnehmern gespielt. Sieger ist, wer die meisten Schlagpunkte („Läufe“) erzielt. Der „Bowler“ („Werfer“) wirft den Ball auf bestimmte Art um das „Wicket“ (eine Holzkonstruktion) zu zerstören und der davorstehende „Batter“ („Schläger“) versucht den Ball ins Feld zu schlagen, wo er von den gegnerischen Spielern gefangen werden kann. Es gibt verschiedene Austragungsformen wie „Test Cricket“ oder „One-Day Cricket“.
Perrys Cricket-Laufbahn begann in der High School, als sie Kapitänin ihrer Schulmannschaft wurde. Im Alter von sechzehn Jahren entdeckte man sie schließlich bei einem landesweiten Turnier für Unter‑19-jährige. Für „Pez“, wie Perry gerufen wird, ging es von da an Schlag auf Schlag: Auf das Debüt für die U 19 Australiens folgte eine Einladung zu einer Neuseelandtour, bei der sie ihr Länderspieldebüt am 22. Juli 2007 feierte. Die jüngste australische Cricket-Nationalspielerin löste damit einen regelrechten Hype aus. 2009 war sie im Kader der WM auf heimischem Boden und holte 2010 die Weltmeisterschaft im „Twenty20-Cricket“ der Frauen.
Parallel dazu startete die Athletin auch als Fußballerin durch und feierte im Sommer 2007 – nur zwei Wochen nach ihrem ersten Spiel im Cricket-A-Team – ihr Debüt für die australische Nationalmannschaft, die Matildas, wobei sie in der zweiten Minute gleich ein Tor erzielen konnte. Trotz ihrer Position als Verteidigerin verfügte Perry über eine gute Technik sowie einen strammen Schuss. 2008 unterschrieb sie beim Central Club Mariners in der australischen Liga und wurde in der kommenden Spielzeit zur besten Spielerin sowie zur besten Newcomerin der Saison gewählt.
Bei der WM-Endrunde 2011 in Deutschland zog Perry nach einem kurz gespielten Eckball von der rechten Strafraumgrenze einfach ab und erzielte das wohl schönste australische WM-Tor aller Zeiten. „Sie ist nicht einmal Linksfüßerin!“, japste die Kommentatorin, während die Nummer 6 auf dem Platz geherzt wurde. Der Kreuzecktreffer war letztendlich wertlos, da Australien in diesem Viertelfinale mit 1:3 gegen Schweden ausscheiden sollte, doch „Pez“ konnte ihre Klasse unter Beweis stellen, die sie sich ohne großartige Fußballförderung erarbeitet hatte.
Die Beste Australiens
Ellyse Perry koordinierte jahrelang Cricket- und Fußballtraining auf höchstem Niveau. „Wir müssen alle zusammenarbeiten, damit das klappt und damit sie uns allen helfen kann.“, sagte ihre Cricket‑Trainerin Joanne Broadbent. Um in beiden Sportarten zu glänzen, brauchte Perry ein straff organisiertes Leben und ausbalanciertes Training, das von einem eigenen Team erarbeitet wurde. Für sie sei es jedoch einfach, lachte die Spielerin: Sie müsse einfach nur nach den vorgegebenen Plänen trainieren. Zugute kam ihr dabei, dass es nur zwölf Ligaspiele in der australischen Fußballfrauenliga gab.
Aufgrund der großen Beliebtheit im ehemaligen Commonwealth ist Cricket heute die zweitmeistgespielte Sportart der Welt, trotzdem teilen Cricketerinnen weltweit dasselbe Schicksal: Sie werden nicht ernstgenommen. Die elffache australische Cricketmeisterin Perry sagte selbstbewusst: „Es ist ein großer Teil unserer Kultur und ich sehe nicht ein, warum Mädchen es nicht spielen sollen.“ Bald arbeitete sie als Analytikerin für das australische Fernsehen und wurde auch als Werbefigur entdeckt. Die große Blondine mit den feinen Gesichtszügen war wohl der Traum jeder Agentur, denn schon bald häuften sich die Anfragen und Perry gab zu, dass sie ebenso viel Zeit wie für ihre Sportarten auch für Marketingzwecke aufwenden musste. Selbst ihr späterer Ehemann, ein Rugbyspieler, wollte ursprünglich nur ein Foto mit ihr schießen.
Ab 2014 begann sich „Pez“ als Schlagfrau zu etablieren, zur gleichen Zeit wurden Einberufungen ins australische Fußballnationalteam seltener. Hesterine de Reus, die damalige Trainerin der Matildas, berücksichtigte sie nicht für eine Asienmeisterschaft und begründet dies damit, dass es andere gute Außenverteidigerinnen gebe. Perry würde zu wenig internationale Auftritte aufgrund ihrer Crickettermine absolvieren. Knackpunkt war schließlich, dass die Defensivspielerin im Jänner 2016 kurzfristig ihre Teilnahme am Finalspiel der australischen Frauenliga absagte, um in einem unbedeutenden Spiel für die Cricket-Nationalmannschaft aufzulaufen. „Ellyse ist ein Vollprofi und hat ihr Engagement mehrmals unter Beweis gestellt.“, meinte ihr damaliger Fußballtrainer zu dem Vorfall lapidar. Doch Perry beendete schließlich ihre Fußballkarriere und gab im Rückblick zu: „Beide Sportarten sind so rasch gewachsen und haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt, dass es nur mehr ‚Vollzeit-Profis‘ geben kann. Ich habe mich für Cricket entschieden, obwohl ich meine Zeit im Fußball sehr geliebt habe.“
Es war wohl die richtige Entscheidung, denn im Dezember 2020 wurde die studierte Wirtschaftswissenschafterin vom Weltverband zur Spielerin des Jahrzehnts gewählt. Heute ist Perry nicht nur australische Seriensiegerin im Cricket, sondern hat auch fünf „Twenty20“-Titel geholt. 2013 und 2022 wurde sie außerdem Weltmeisterin. Das und zahlreiche individuelle Auszeichnungen führten dazu, dass Ellyse Perry als beste Cricket-Spielerin Australiens gilt. Es gibt sogar eine eigene Briefmarke von ihr.
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