It‘s coming Home? Die Engländer träumen bei dieser WM vom ganz großen Coup und befinden sich auf einer Euphoriewelle. Zum ersten Mal seit... Is it really coming home?

 

It‘s coming Home? Die Engländer träumen bei dieser WM vom ganz großen Coup und befinden sich auf einer Euphoriewelle. Zum ersten Mal seit 1966 scheint ein Gewinn des goldenen Pokals im Bereich des Möglichen und das junge Team hat mit ihrer stabile Leistung große Erwartungen geweckt. Nachdem man sogar ein Elfmeterschießen im Achtelfinale gegen Kolumbien für sich entscheiden konnte, scheint bei den Engländern nichts mehr unmöglich. Im Viertelfinale wartete auf die „Three Lions“ Schweden, die sich sensationell in ihrer Gruppe als Tabellenerster für die K.o. Phase qualifizieren konnten und im Achtelfinale die Schweiz besiegten. Nun träumen auch die Schweden vom ersten Einzug ins Halbfinale seit 1994 und wittern den großen Coup.

Schweden und das patentierte 4-4-2

Dass die Defensive einen großen Faktor bei der WM ausmacht, dem würden die wenigsten widersprechen. Dass diese These nicht gänzlich falsch sein kann, kann man auch sehr gut an den Schweden festmachen. Den Skandinavier gelang der Sprung ins Viertelfinale vor allem aufgrund der guten Arbeit gegen den Ball und den gefährlichen Kontern, mit denen man dem Gegner das Leben schwer machte. Darunter hatten auch schon spielstarke Teams wie Deutschland, Mexiko oder eben zuletzt die Schweiz zu knabbern, die sich an den Schweden die Zähne ausbissen. Die Schweden agieren aus einer 4-4-2-Anordnung heraus und das ohne Abweichung oder Ausnahmen. Der Fokus wird dabei ganz klar auf das Spiel gegen den Ball gelegt, wo man zwei engmaschige Viererketten auf das Feld schickt, die sehr ballorientiert Verschieben und kurze Abstände zueinander haben, um in erster Linie mit dem Ziel zu agieren, das Zentrum & den Zwischenlinienraum zu verschließen und den Gegner auf den Flügel zu drängen. Die beiden Stürmer versuchen dabei bei Spielaufbau des Gegners relativ eng beieinander zu stehen und den Passweg ins Zentrum bzw. zu dem Sechser zu verhindern, um den Gegner zum Spielaufbau über den Flügel zu drängen. Alles geht also über die Kontrolle des Mittelfeldzentrums und darauf baut sich also die Defensivstrategie der Schweden auf, wie man anhand des ersten Bildes gut sehen kann:

England im Spielaufbau, Schweden verteidigt die eigene Hälfte aus einer 4-4-2 Formation heraus mit dem klaren Fokus, das Zentrum dicht zu machen und den Gegner auf den Flügel zu leiten.

Auch gegen die Engländer änderte sich an dieser Vorgehensweise gar nichts und man trat wie gewohnt auf. Die Pressinglinie verlegte man in die eigene Hälfe, wobei man mehr versucht die Räume zuzulaufen und den Gegner aus diesen zu drängen, als direkten Druck auf die Gegenspieler zu machen. Interessant ist dabei der Mechanismus, sobald der Gegner rundum den Strafraum auf dem Flügel angekommen ist. Dann schiebt nämlich der Außenverteidiger raus, während einer der beiden Sechser die Viererkette auffüllt und den Strafraum zusätzlich absichert. Dadurch soll eine hohe Stabilität in der Strafraumverteidigung gewährleistet werden und der Gegner kann ruhig rund um den Block herum agieren, jedoch ist spätestens dann innerhalb der Box endgültig Endstation. Dabei agieren die Skandinavier äußerst diszipliniert und alle elf Spieler beteiligen sich an der Arbeit gegen den Ball, weshalb , man auch immer wieder die beiden Stürmer tief in der eigenen Hälfte verteidigen sieht . Die Schweden sind also nicht mehr das Team, dass sich auf die individuelle Qualität eines Ibrahimovic verlässt, sondern über das Kollektiv zum Erfolg kommen möchte.

Dies sieht man dann auch in der Offensive, wo es zwar an individueller Klasse fehlt und wo viel Last auf den Schultern des besten Spielers Emil Forsberg liegt. Allerdings können die Schweden sehr gut kontern und haben ihre Spielweise auf das Material angepasst. Ein gepflegtes Ballbesitzspiel mit kontinuierlichem Spielaufbau bekommt man dabei von den Schweden nicht zu sehen, im Gegenteil. Oft wird die Formation nämlich zu einem 4-2-2-2/4-2-4 im Ballbesitz, da die beiden Flügelspieler Forsberg und Claesson recht früh sehr weit einrücken und sich im Umkreis der Stürmer positionieren. Dies natürlich mit dem klaren Hintergrund, bei langen Bällen entweder in die Tiefe zu starten oder im Kampf um den zweiten Ball sofortigen Zugriff herzustellen und das Spielgerät zu sichern, um dann mit wenigen Kontakten und einer hohen Direktheit vor das Tor zu kommen. Dies sieht dann ungefähr so aus:

Die Schweden im Spielaufbau, der Rechtsverteidiger am Ball, jedoch orientieren sich beide Flügelspieler sofort ins Zentrum und wird die 4-4-2-Formation de facto zu einem 4-2-4. Die einzige Lösung für den Spielaufbau lautet hier: der lange Ball.

Diese Spielweise der Schweden ist zwar unspektakulär und recht bieder, also eher nichts für das Auge, dafür allerdings mit viel Stabilität ausgestattet, pragmatisch und unangenehm für den Gegner zu bespielen. Man versuchte gegen die Engländer speziell die Schnittstelle zwischen dem Halb- & Flügelverteidiger zu attackieren und so die Briten zu überraschen. Doch die waren auf diese Spielweise recht gut vorbereitet.

England um Kontrolle bedacht

Dass es gegen die Engländer nicht zum Duell der beiden „4-4-2 Teams“ gekommen ist, hängt in allererster Linie mit dem Trainer Southgate zusammen. Seit dessen Amtsübernahme lässt dieser seine Mannschaft nämlich mit einer 5-3-2-Formation agieren, die im Ballbesitz zu einer 3-1-4-2-Anordnung wird. Die Engländer sind also mit einer Priese Flexibilität ausgestattet, wobei sie auch versuchen, spielerische Lösungen zu forcieren und über einen kontinuierlichen Spielaufbau nach vorne zu kommen. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei Sechser Henderson ein, der für die Verbindung nach vorne sorgen soll. Gegen die Schweden gab es in der Hinsicht relativ wenig Neuerungen zu sehen, wobei man sichtlich versucht hat den Sechserraum etwas variabler zu besetzen. Gegen Kolumbien wurde Henderson nämlich durch konsequente Manndeckung quasi aus dem Spiel genommen und hatten die Engländer so Probleme, für einen passenden Übergang zu sorgen und Verbindungen nach vorne zu kreieren. Gegen Schweden sah man interessanterweise Fallbewegungen von Sterling, der versuchte sich ballfern freizuschieben und diagonal anspielbar zu sein. Doch nachdem die Schweden durch die beiden Stürmer versuchten, Zuspiele durch das Zentrum zu unterbinden, war Henderson erneut schwer anspielbar, weshalb man ihn sekundär über die Flügelverteidiger einbinden musste, um den beiden Stürmer quasi zu entgehen. Im Spielaufbau hatten die „Three Lions“ allgemein ihre Probleme, die Räume im Zentrum erfolgsstabil zu bespielen, da die Halbverteidiger meist nur effektiv zwei Anspielstationen hatten, nämlich entweder einen Halbraumspieler Alli/Lingard, oder es ging in die Breite auf die aufrückenden Flügelverteidiger.

Da das Zentrum gut verschlossen war und die Engländer nur selten diagonale Passoptionen schufen, ging der Spielaufbau meist über die Flügelverteidiger, also um den schwedischen Block herum, um dann im Anschluss dann oft horizontal wieder nach innen zu gehen und zu versuchen dynamisch die Seite zu wechseln, um den gegnerischen Block in Bewegung zu setzen. Dadurch hatten die Engländer zwar weitestgehend die Kontrolle über den Gegner und viel Ballbesitz, doch Lösungen im letzten Drittel schuf man dadurch nicht wirklich und man spielte oft um die schwedische Abwehr herum. Nur gelegentlich versuchte man mit dynamischen Aktionen und direkt gespielten Ballstafetten durch den Abwehrblock des Gegners zu kommen, jedoch blieb man da meist hängen. Lobenswert war dafür das Gegenpressing nach Ballverlust, dass sehr griffig war und so die meisten Konterangriffe der Schweden bereits im Ansatz unterbinden konnte.

Da das Zentrum wie erwähnt zu war, gingen die meisten Aktionen der Engländer über den Flügel und die beiden Flügelverteidiger Trippier und Young, die sehr weit aufrückten und quasi als Flügelstürmer agierten. Dementsprechend viele Flanken schlugen die Briten auch in den Strafraum, wobei dies durchaus auch einstudiert war. Da die Schweden den Flügel bewusst offenlassen und meist nur Doppeln, ergeben sich da Chancen, wenn man ein Dreieck aufbaut, dass zumindest ein Spieler freigespielt wird und viel Zeit zum Flanken hat. Dann bekam man immer mal wieder folgendes Bild zu sehen:

Szene aus der ersten Halbzeit, England im Ballbesitz und mit einem Angriff über den Flügel, man bildet ein Dreieck auf Außen und hat dadurch eine Überzahl, weshalb der Spieler viel Zeit hat eine Flanke in den Strafraum zu bringen, wo der zweite Pfosten gezielt überladen wird.

Die Engländer versuchten also gezielt einen Spieler freizuspielen und dann mittels Flanken den zweiten Pfosten zu attackieren, wo man sich gemeinsam versammelte. Dieses Muster sah man einige Male und man münzte es sogar in einen Treffer um, denn das 2:0 fiel quasi in einer identen Szene. Abgesehen von Flanken tat man sich jedoch schwer, in den Strafraum zu gelangen und zu guten Torchancen zu kommen, da man zu eindimensional agierte und kaum über das Zentrum durchkam. Man ging dann dennoch quasi mit der ersten guten Torchance in Führung, als Maguire nach einem Eckball den Ball wuchtig im Kasten zum 1:0 unterbrachte. Das war zu diesem Zeitpunkt übrigens der achte von insgesamt zehn Treffern der Briten, der nach einer Standardsituation zustande kam. Auf diese Stärke konnte man sich auch da verlassen und so trotz stotternder Offensive in Führung gehen. Danach stand man natürlich nicht mehr so unter Zugzwang einen Treffer erzielen zu müssen und konnte etwas behutsamer agieren. Die Schweden machten ihrerseits kaum Anstalten, etwas an ihrer Spielweise zu verändern, geschweige  denn offensiver zu werden. Das einzige Anzeichen etwas mehr Risiko zu gehen war jenes, dass man etwas mehr mit dem Block herausrückte und nicht ganz so tief stand. Das wurde jedoch kurz vor der Halbzeit beinahe bestraft, als Sterling mit zwei einfachen langen Bällen bedient wurde und die schwedische Abwehr damit relativ trivial knackte. In diesen Szenen zeigte sich, dass die Defensive der Skandinavier de facto nur das tiefe Verteidigen versteht, sich jedoch sofort Möglichkeiten ergeben, sobald man etwas weiter aufrücken muss.

An dem Bild änderte sich auch in der zweiten Halbzeit wenig. Trotz des Rückstandes blieben die Schweden stur beim 4-4-2, wechselten nur positionsgetreu und gingen viel zu wenig Risiko ein, weshalb man die gute Defensive der Engländer auch nur vereinzelt beschäftigen konnte und folgend am starken Torhüter Pickford scheiterten. Das Spiel plätscherte daher weitestgehend dahin, da die Engländer auch nicht bereit waren viel Risiko einzugehen und weiter versuchten das Spiel zu kontrollieren und zu entschleunigen. Mit dem oben beschriebenen 2:0 war das Spiel dann de facto erledigt und die „Three Lions“ spielten die Partie trocken heim.

Fazit

In einem eher unterdurchschnittlichen Spiel setzen sich die Engländer letztlich mit 2:0 durch. Dabei agierten die Briten zwar wenig spektakulär und risikoreich, dafür sehr fokussiert und auf Kontrolle bedacht. Dabei behalf man sich mal wieder mittels einer Standardsituation, um in Führung zu gehen, was der eigenen Ausrichtung natürlich in die Karten spielte und man so behutsamer und bedachter agieren konnte. Da die Schweden auch keine Anstalten machten, etwas an ihrer destruktiven Spielweise zu ändern, konnte man das Spiel verlangsamen und in Ruhe die Zeit herunter laufen lassen. So war es letztlich diese Aufgabe keine allzu schwere, weshalb man auch nach wie vor die Engländer nicht so wirklich einschätzen kann. Im Halbfinale wird gegen die guten Kroaten jedoch eine Leistungssteigerung vonnöten sein, wenn man tatsächlich den Sprung ins Finale schaffen möchte.

Die Schweden hingegen können mit dem Auftreten und der Spielweise ihrerseits letztendlich froh sein, überhaupt soweit in diesem Turnier gekommen zu sein. Zwar zeigte man sich erneut speziell was die Strafraumverteidigung anbelangt als sehr stabil und lobenswert, allerdings hatte man in vielen anderen Aspekten dafür Defizite und agierte insgesamt zu bieder, um tatsächlich den Sprung unter die letzen Vier zu schaffen. Dennoch kann man erhobenem Hauptes die Heimreise antreten, denn die wenigsten hätten den Skandinaviern überhaupt das Überstehen der Gruppenphase zugetraut, geschweige denn einen Einzug ins Achtelfinale. Und das alle ohne den großen Zlatan Ibrahimovic.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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