Iran gegen Spanien wurde zum echten Geduldsspiel für die Spanier, welches sie schlussendlich nach mühsamen 90 Minuten durch einen in der Entstehung glücklichen Treffer... Spaniens Probleme mit ultradefensivem iranischem Abwehrbollwerk

Iran gegen Spanien wurde zum echten Geduldsspiel für die Spanier, welches sie schlussendlich nach mühsamen 90 Minuten durch einen in der Entstehung glücklichen Treffer von Diego Costa knapp mit 1:0 für sich entscheiden konnten.

Die Iraner machten es dem haushohen Favoriten mit einer vom Handball bekannten massiven Defensivstaffelung um den eigenen Sechzehner herum äußerst schwierig und gaben den Iberern sowohl zwischen als auch hinter der Abwehrlinie äußerst wenig Platz für Durchbrüche und Kombinationen. Die Spanier spielten gegen diese Mauer vor allem in der ersten Halbzeit zu viel horizontal um den gegnerischen Block herum und brachten dadurch wenig Tempo und Schärfe in ihr Angriffsspiel, wodurch ein ziemlich eintöniges Spiel entstanden ist. Eine kurze Analyse des iranischen Defensivkonzepts sowie der spanischen Angriffsmittel und -variationen.

Grundordnungen und Personal

Spanien-Trainer Fernando Hierro änderte im Vergleich zur Auftaktpartie gegen Portugal an der 4-1-4-1 Grundordnung nichts, personell veränderte er seine Mannschaft auf zwei Positionen. Lucas Vazquez, wendiger Flügelspieler von Real Madrid, rückte anstatt von Koke in die Anfangsformation. Er spielte natürlich nicht auf der Acht, sondern sortierte sich wie gewohnt auf der rechten Flügelposition ein. Die vakante halbrechte Achterposition nahm David Silva ein, er bildete zusammen mit Busquets und Iniesta das zentrale Mittelfeld der Spanier. Und auch Daniel Carvajal kehrte nach überstandener Verletzung in die erste Elf zurück, Nacho musste deshalb wieder auf der Bank Platz nehmen.

Im iranischen Team finden sich natürlich nicht die großen und bekannten Namen, trotzdem haben sie einen äußerst homogenen Kader mit anpassungsfähigen Akteuren und spielerischem Potential. Gegen die Spanier stand aber natürlich zuerst das Spiel gegen den Ball und die eigene Strafraumverteidigung im Mittelpunkt. Trainer Carlos Queiroz setzte dafür auf eine 4-1-4-1 Grundordnung, die erzeugten Staffelungen auf dem Rasen sollten aber wesentlich defensiver aufgezogen werden.

Ultradefensive Iraner mit guter Detailarbeit

Wie bereits erwähnt, stand das Spiel gegen den Ball ganz dick im iranischen Matchplan gegen die individuell überlegenen Spanier. Queiroz griff gegen diese so pressingresistente und spielstarke Mannschaft wohl auf das einzig mögliche und realistische Mittel zurück, sich nämlich vor dem eigenen Tor zu verbarrikadieren. Dabei praktizierten dies die Iraner nicht plump oder ausschließlich passiv, stattdessen versperrten sie die bevorzugten spanischen Zonen sehr geschickt und verleiteten die Spanier so zu einem häufig diagonalen Passspiel, was wenig Durchschlagskraft und Esprit in die ganze Angelegenheit brachte.

Aus der 4-1-4-1-Grundordnung wurde immer wieder ein flaches 4-5-1 (eher selten), 5-4-1 oder 6-3-1 (war vor allem in der ersten Halbzeit am häufigsten zu sehen). Dafür ließen sich die beiden Flügelspieler Ansarifard und Taremi neben die Viererkette fallen und füllten diese so zu einer Sechserkette auf. Mit diesen zurückfallenden Bewegungen konnten sie die hoch positionierten spanischen Außenverteidiger mannorientiert verfolgen und erhöhten dadurch die horizontale Kompaktheit in der Abwehrkette enorm. Die Schnittstellen zwischen diesen sechs Spielern waren sehr eng und kaum bespielbar, genauso wie der Raum hinter der letzten Kette.

Eine Linie höher waren die Zuordnungen ähnlich klar. Die beiden Achter Amiri und Ebrahimi orientierten sich an den spanischen Achtern (bzw. am eingerückten Isco) und rückten dafür auch immer etwas nach vorne und lösten sich von der Kette. Besonders interessant in diesem Zusammenhang waren die Absicherungsmechanismen hinter diesen aufrückenden Bewegungen der Achter bzw. ganz grundsätzlich die Verteidigungsarbeit in den wichtigen Halbräumen. Grafisch aufbereitet sah dies wie folgt aus:

In dieser Szene sieht man einerseits das mannorientierte Verhalten der beiden Flügelspieler sowie die eingerückten Außenverteidiger, andererseits aber auch das Herausrücken des halblinken Achters auf den halbrechten spanischen Achter. Eingezeichnet ist ein Absicherungs-Diamant, der sich fast immer bei solchen Bewegungen gebildet hat. Der vorgerückte Achter bildete dabei den höchsten Punkt, der linke Außenverteidiger den tiefsten. Die zwei seitlichen Punkte setzten sich aus dem Außenverteidiger und dem Sechser Ezatolahi zusammen, der in diesen Situationen sehr gut zur Seite verschoben hat und dem ganzen Konstrukt die nötige Stabilität verleiht. Dieses Absicherungs-Netz in den Halbräumen hatte den großen Vorteil, dass für die Spanier Angriffsvorträge über die Halbräume selten möglich waren und stattdessen der Ball häufig horizontal oder nach hinten gespielt werden musste. David Silva, der ballführende Spieler in dieser Aktion, konnte entweder den Pass auf den isolierten Außenverteidiger spielen oder das Spiel wieder quer über die Innenverteidiger oder Busquets auf die andere Seite verlagern. Dort sah man sich allerdings mit den gleichen Problemen konfrontiert.

Wie knackt man ein solches Defensivbollwerk?

Das war natürlich die entscheidende Frage aus spanischer Sicht. Die gestellten Aufgaben in diesem Spiel waren ziemlich einseitig, es ging nahezu ausschließlich darum, aus dem geordneten Ballbesitz zwischen die Linien bzw. hinter die gegnerische Abwehrkette zu kommen, um dadurch Torabschlüsse kreieren zu können. Klar ist auch, dass es für jede Mannschaft der Welt schwierig ist, gegen einen solch tiefstehenden Gegner konstant zu Abschlüssen zu kommen. Oft passiert es in derartigen Spielen, dass man sich im eigenen Passspiel verliert und der Zug zum Tor verloren geht. Die Spanier mit ihrer Ballbesitzdominanz sind dafür natürlich auch gefährdet, auch wenn diesbezüglich in den letzten Jahren eine Entwicklung stattgefunden hat.

Die Spanier zogen ihre Angriffsbemühungen in der gegnerischen Hälfte meist in einer 2-1-4-3-Struktur auf. Sergio Busquets positionierte sich konsequent im Zentrum und fungierte so wie immer als Passmaschine und Verbindungsspieler zwischen den Halbräumen bzw. den Flügeln. Die Außenverteidiger Alba und Carvajal schoben weit nach vorne und stellten die Breite im 3. Drittel her. Die Achter Iniesta und David Silva agierten wie gewohnt aus den Halbräumen und sollten aus diesen Positionen für die kreativen und überraschenden Momente im Spiel der Spanier sorgen. Wie schon in der Auftaktpartie interpretierte der linke Flügelspieler Isco seine Position äußerst variabel und invers. Er war selten auf dem linken Flügel zu finden, stattdessen ließ er sich häufig in den linken Halbraum fallen und versuchte dort, mit Iniesta den Raum zu überladen und für Entscheidungskonflikte beim Gegner zu sorgen. Allerdings mit dem Ergebnis, dass dies äußerst selten gelang. Allgemein wirkten die vielen abkippenden Bewegungen von Isco in diesem Spiel überflüssig und schlecht getimt. Er ließ sich in Räume fallen, die bereits vorher besetzt waren und verlagerte so das Spiel der eigenen Mannschaft noch mehr in die Breite. Eine klarere und geradlinigere Rolle hätte gegen einen solchen Gegner vermutlich nicht geschadet. Ein Spieler, der die engen Räume in der Nähe des gegnerischen Sechzehners sucht und mit schnellen 1 gegen 1 Situationen für die notwendige Schärfe und Beschäftigung beim Gegner sorgt, wäre wohl eine effektivere Rolle gewesen. Mit Lucas Vazquez auf der rechten Seite brachte Hierro einen solchen Spielertypen, der konnte aber selten freigespielt werden und verblasste daher während der 90 Minuten. Die dominante Rolle von Isco hat dazu seinen Teil beigetragen.

Aufgrund dieser Struktur und der angesprochenen Positionsinterpretationen spielten die Spanier viel in die Breite und versuchten so, Lücken für Durchbrüche im gegnerischen Defensivverbund zu finden. Das Problem dabei war, dass es diese so gut wie nie gab. Die horizontale Kompaktheit war durch die Sechserkette zu hoch, die drei Mittelfeldspieler bewegten sich gut und schlossen die Halbräume hervorragend (Absicherungs-Diamant). Auch wenn der Raum hinter der gegnerischen Sechserkette verdammt klein war, wurde er zu wenig attackiert. Die iranischen Verteidiger mussten selten auf gegensätzliche Läufe (hoch positionierter Angreifer kommt kurz, ein zweiter Spieler aus der Etappe geht tief) reagieren und stabilisierten sich daher zunehmend in ihrer Ordnung. Die Außenverteidiger Alba und Carvajal waren die einzigen Spieler, die regelmäßig in diese Zonen vorstießen.

In dieser Grafik ist zu sehen, dass sich regelmäßig sieben bis acht Spanier vor dem Defensivblock der Iraner positionierten. Dadurch wurde das Spiel oft in die Breite getragen und es fehlte an Tiefe und Zug zum Tor.

Fazit

Spanien mühte sich im wahrsten Sinne des Wortes zu einem 1:0-Sieg. Der Siegtreffer durch Diego Costa war eine äußerst glückliche Konstellation, in der vorher schon zweimal ein offener Ball auf die Seite der Spanier fiel.

Die Iraner holten aus ihren Möglichkeiten das Maximum heraus und erledigten ihre Defensivaufgaben sauber und konzentriert. Kontermomente hätten sie in einigen Situationen mutiger ausspielen können, weil sie mit ihrer technischen Beschlagenheit in Ansätzen ein paar Mal gut über den ersten spanischen Gegenpressing-Impuls drüber gekommen wären. Spanien spielt nun im letzten Gruppenspiel gegen das punktelose Marokko, auf den Iran wartet ein echtes Endspiel gegen Portugal und Cristiano Ronaldo.

Sebastian Ungerank

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