WM-Teamanalyse Uruguay: Die letzte große Chance für die goldene Generation
WM 2018 11.Juni.2018 Daniel Mandl 0
Seit über 12 Jahren betreut Óscar Tabárez die Nationalmannschaft von Uruguay und einige tolle Erfolge und denkwürdige Spiele stehen auf der Habenseite des ersten Weltmeisters. Die WM 2018 ist für die Uruguayer wohl die letzte vor einem massiven, altersbedingten Umbruch, dem einige Stars zum Opfer fallen werden.
Uruguay testete vor dem Turnier recht wenig, besiegte zuletzt Usbekistan klar mit 3:0 und brachte dabei 17 Spieler zum Einsatz. Das kontrolliert-offensive 4-4-2-System scheint als Formation festzustehen, aber im Mittelfeld fehlen Kreativität und auch Intensität. Wir werfen nun einen Blick auf den Kader.
Langzeitkeeper von Galatasaray gesetzt
Fernando Muslera, seit sieben Jahren Stammtorhüter von Galatasaray Istanbul, ist im Tor der Uruguayer gesetzt. Der 97-fache Teamspieler ist aufgrund von Alternativlosigkeit konkurrenzlos und weder Campaña, noch Silva, die beide in Südamerika das Tor hüten, kommen am 31-Jährigen vorbei. Allerdings sind auch Musleras beste Zeiten bereits vorbei und allgemeine Formkurve zeigt eher nach unten. Er ist ein solider Rückhalt für Uruguay, mehr aber auch nicht.
Das Stammgespann von Atléti
Das Innenverteidiger-Gespann ist eines von zwei Prunkstücken bei den „Urus“. Der knallharte Diego Godín spielt auch bei seinem Verein Atlético Madrid mit seinem neun Jahre jüngeren Kollegen José Giménez zusammen und man darf davon ausgehen, dass das Duo perfekt eingespielt ist. Beide sind gute Aufbauspieler und extrem resolut in ihrer Zweikampfführung. Zusammen haben sie zudem 158 Länderspiele auf dem Buckel und machten mit ihren 13 Treffern auch offensiv von sich reden. Mit dem 196cm großen Sebastián Coates von Sporting Lissabon hat man zudem ein Backup, das bei vielen anderen WM-Teilnehmern unumstrittener Stammspieler wäre.
In die Jahre gekommene Außenverteidiger
Aufgrund seiner großen Erfahrung wird sich auf der linken Seite Martín Cáceres von Lazio Rom durchsetzen. Der 76-fache Teamspieler hat Gastón Silva und Diego Laxalt als Konkurrenten, punktet aber mit seiner physischen Stärke und einer guten Ausgeglichenheit im Offensivspiel. Ein Außenverteidiger der modernsten Prägung ist Cáceres aber nicht. Auf der rechten Seite bestreitet der laufstarke Maxi Pereira seine wohl letzte Weltmeisterschaft. Der 34-Jährige kann eine richtige Klette sein und ist ein wichtiger Führungsspieler im Team von Óscar Tabárez. Mit Routine kann Uruguay an den Seiten also aufwarten, viel Esprit und technische Finessen oder unwiderstehliche Flankenläufe durch die Außenverteidiger darf man sich aber nicht erwarten.
Umstrittene Mittelfeldzentrale
Im 4-4-2 der Uruguayer gibt es nur zwei zentrale Mittelfeldspieler, nämlich die Doppelsechs. Dass hier Vecino und Bentancur spielen werden, gilt weithin als gesichert. Der 26-jährige Matías Vecino von Inter Mailand ist in der Mittelfeldzentrale der Chef und zugleich abkippender Sechser, der den Spielaufbau übernimmt und auch bei Ballverlusten aufgrund seiner Physis eine wichtige Rolle einnimmt. Etwas offensiver agiert Juventus-Youngster Rodrigo Bentancur, der aber eher ein Zielspieler in der Mitte ist und sich zwischen den Linien bewegt. Viele würden lieber ein Gespann aus Vecino und Sampdoria Genuas Lucas Torreira sehen, allerdings würde das der uruguayischen Zentrale ein wenig an Physis nehmen. Unterm Strich ist die Zentrale der „Urus“ in Ordnung, aber im internationalen Vergleich keine Wucht.
Flügelspieler, die nicht wirklich welche sind
An den Flügeln spielen zwei Akteure, die stark zwischen Außenposition und Mitte pendeln, teilweise also mit diesen Bewegungen das System der Uruguayer situativ verändern. Der 22-jährige Nahitan Nández von den Boca Juniors nimmt den Part auf der rechten Seite ein, wird aber durchschnittlich die Halbposition besetzen und gilt als flinker, technisch starker Spieler. Auch Georgian de Arrascaeta spielt in Südamerika: Der linke Part des Flügelgespanns kickt in Brasilien für Cruzeiro und ist nominell ein Zehner, der allerdings zumindest von Teamchef Tabárez zum Flügel umfunktioniert wurde. Die beiden sind unangenehme Gegenspieler, allerdings eher ineffizient, oft nicht konkret genug und vor allem sehr unerfahren. Zusammen kommen die beiden nur auf 26 Länderspiele und einem Großturnier sind sie über die Vorrunde hinaus nicht gewachsen.
Weltstars bilden die Doppelspitze
Der Angriff der Uruguayer erklärt sich von selbst. Luis Suárez und Edinson Cavani erzielten zusammen 93 Länderspieltore und sind absolute Weltklassespieler. Für ebenfalls gute Ersatzspieler wie Gómez oder Stuani bleibt da natürlich kein Platz. Die Stars von Barcelona und PSG sind mittlerweile jeweils 31 Jahre alt und haben wohl die letzte Chance ein Turnier mitzuprägen. Angesichts ihrer weitgehend unspektakulären Hinterleute wird es naturgemäß an ihnen hängenbleiben und wir erwarten ein holpriges „Zielspiel“ auf einen der beiden, um sie in Einzelsituationen zu bringen.
Ein Haudegen auf der Trainerbank
Óscar Tabárez führte die uruguayische Nationalelf bereits in 135 Länderspielen aufs Feld und gibt der Mannschaft des einwohnerarmen Landes seit 2006 ein Gesicht. Heuer stand Tabárez aber wegen seiner Kaderauswahl ein wenig in der Kritik und wirkt vor allem im Mittelfeld und auf den Außenpositionen nicht mutig genug. Im Vergleich zur starken Innenverteidigung und dem eindrucksvollen Sturm ist der Rest des Teams nicht gut genug ausbalanciert, obwohl teilweise die Spieler hierfür vorhanden wären. Natürlich kennt Tabárez seine Mannschaft aber bestens und speziell „in-game“ kann er in dieser ansonsten nicht von Top-Trainern gesegneten Gruppe vieles zum Guten verändern.
Die abseits.at-Einschätzung
Uruguay ist aufgrund seiner starken Einzelspieler für uns Gruppenfavorit. Stilistisch könnten die Südamerikaner gleich im ersten Gruppenspiel gegen Ägypten die größten Probleme bekommen. Der Aufstieg ins Achtelfinale sollte allerdings machbar sein. Dort wird es bereits hart; zu unausgewogen ist die Mannschaft, zu wenig innovativ die Ausrichtung. Sobald einer der beiden Offensivstars mal keinen guten Tag erwischt, wird es für Uruguay auch schon vorbei sein.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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