Der 1. Simmeringer SC entstand ursprünglich nicht in Simmering, sondern in Erdberg. In der Arbeitersiedlung des Wiener Bezirkes Landstraße, dem lange verschrienem „Pücherviertel“, das... Anekdote zum Sonntag (71) –  Zwei linke Schuhe

_Retro Alter FußballDer 1. Simmeringer SC entstand ursprünglich nicht in Simmering, sondern in Erdberg. In der Arbeitersiedlung des Wiener Bezirkes Landstraße, dem lange verschrienem „Pücherviertel“, das über eine gemeinsame Grenze mit dem 11. Bezirk verfügt, traf sich um die Jahrhundertwende der harte Kern der Vereinsgründer.

Die bloßhaperten Burschen stammten aus einer der ärmsten Gegenden: 30 Prozent der Simmeringer Bevölkerung bestand damals aus Hilfsarbeitern und Tagelöhnern, die in der Maschinen- und Waggonbau-Fabriks-AG, in der Mautner-Markhof’schen Erzeugung von Malz und Hefe oder in der Kerzenfabrik bis zu zwölf Stunden täglich schufteten. Manche arbeiteten auch in den städtischen Gaswerken, die nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt von der Bauernwiese lag, wo sich die Arbeiterjugend zum Fußballspielen zusammenrottete. Hinter dem St. Marxer Viehmarkt spielten Burschen, die sich bald Simmeringer Sportclub nannten, regelmäßig Fußball. Bis zur offiziellen Konsolidierung des Vereines sollten allerdings noch Jahre vergehen.

Abgeschaut hatten sich die Simmeringer Buben das Fußballspielen von den „Cricketern“ im Wiener Prater. In der Ur-Form des Vereines war an eine offizielle Gründung noch nicht zu denken, stattdessen suchten die Burschen einfach nur einen Platz um nach dem Fetzenlaberl zu treten. Am sogenannten „Eisteich“, einer in Quadrate gegliederten Wiese, die im Winter genutzt wurde um Eisblöcke zur Kühlung zu stechen, kickte man solange, bis man von der nahen Wasenmeisterei hinausgeschmissen wurde. Die Burschen übersiedelten dann auf die Simmeringer Had – nicht zu verwechseln mit der Simmeringer Heide. Die erste provisorische Umkleidekabine wurde im ehemaligen Blatternspital begründet. In der Vereinschronik wird die erste „Schutzpatronin“ des Vereins  lobend erwähnt: Eine ehemalige Krankenschwester, die auf ihre alte Tage als runzeliges Weiblein in der verlassenen Baracke lebte, nahm sich den Arbeiterkindern fürsorglich an.

Die Burschen, die sich nachmittags mit anderen wildgewachsenen Klubs aus der Gegend maßen, hatten ehrgeizige Ziele. Unter ihnen befand sich auch einer, der aus begütertem Elternhaus stammte: Eiermann, so der Nachname des Burschen, penzte bei den Eltern um Geld um sich per Versand „Original Fußballschuhe“ aus Berlin schicken zu lassen. Als die Lieferung ankam, öffnete Eiermann das Paket vor versammelter Mannschaft. Sanfter Ledergeruch stieg den Kindern in die Nase, als Eiermann das braune Packerl aufschnürte. Alle waren aufgeregt wie zu Weihnachten. Eiermann zog einen nagelneuen, linken Schuh aus dem Paket. Beifälliges Raunen machte sich breit. Als er jedoch einen zweiten Linken zu Tage förderte, brach Gelächter aus. Ab diesem Zeitpunkt spielte Eiermann mit einem Fußballstiefel und ein beliebiger Spieler mit dem anderen. Ein erster Gönner konnte auch bald gefunden werden. Der Bierbrauer von Dreher, der mit seiner Kutsche Simmering auf dem Wege nach Schwechat durchquerte, händigte dem Neo-Klub spontan zwanzig Gulden als Prämie aus. Die Burschen spürten, dass es Zeit war den nächsten Schritt zu tun: Im Café Syrowatka fand man einen volljährigen Obmann, der die behördlichen Wege erledigte. Der Chef persönlich Johann Syrowatka meldete am 18. Februar 1901 den Ersten Simmeringer Sportclub bei der zuständigen Behörde an. Wenige Tage später, am 8. März, wurde der Verein im Vereinskataster eingetragen.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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