Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (20): Lieber Virgil van Dijk!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren Brief an einen niederländischen Profi.

Lieber Virgil van Dijk!

Wer hätte das gedacht. Ein Abwehrspieler wird zu Europas Fußballer des Jahres gekürt. Tolle Sache! Das ist selten der Fall, denn meistens werden diese Preise den Zidanes und Messis dieser Welt verliehen. Nicht einmal Andrea Pirlo war es vergönnt den UEFA-Preis zu bekommen. Dabei hat dieser die Wichtigkeit von guter Defensivarbeit einst mit dem schönen Satz Erfolge werden hinten geboren.“ auf den Punkt gebracht. Lieber Virgil, ich wette, viele, die glauben, sie kennen sich gut mit Fußball aus, konnten mit deinem Namen vor dem Wechsel zum Liverpool FC wenig anfangen und sind jetzt überrascht, welche Ehre dir zuteilwurde.

Als Defensivmann stehst du naturgemäß nicht so im Mittelpunkt wie Zaubermäuse oder Torjäger.  Selbst das erfolgreiche CL-Finale verbindet man als Null-Acht-Fünfzehn-Fußballfan eher mit Motivationsmaschine Jürgen Klopp oder Mo Salah. Du stehst nicht im Mittelpunkt. Heute aufgrund deiner Position und früher wegen deines Könnens. Deswegen ist es umso schöner zu sehen, wie weit du es gebracht hast. In deiner Jugend hast du als limitierter Verteidiger gegolten. In der Akademie von Willem II Tilburg warst du nur einer von vielen Durchschnittskickern. Trotzdem hast du dich durchgekämpft und bist über Groningen zu Celtic gekommen. Jede Saison kamst du der Weltklasse näher und bist jetzt ein Teil von ihr.

Lieber Virgil, mich freut besonders, wenn ich höre, wie du über deine Jugend sprichst. Da gibt es kein Nachtreten, kein Sauer-Sein auf einen Coach. Nein, du hast in einem Interview mit dem Guardian einfach gesagt: „Vielleicht hatten sie [Anmerkung: Van Dijks damaliger Verein] damals recht. Vielleicht hat es so sein sollen, dass sie es mit mir nicht versuchen wollten.” So etwas sagt nur ein Mensch für den Reife kein Fremdwort ist. Reife kommt aber nicht von allein und auch du warst nicht immer ein Musterprofi. Du hast einen Aufstand gemacht, wenn dich der Trainer links liegen gelassen hat. Oder wenn er dich kritisiert hat, weil du manchmal einfach ein fauler Hund gewesen bist. Und genau deshalb ist der Titel „Europas Fußballer des Jahres“ ein gutes Signal. Es ist eine Botschaft an alle „Supertalente“, die sich zu schade sind Gras zu fressen und an diejenigen, die zwar weniger Talent aber mehr Verbissenheit mitbekommen haben. Und auch an die, die glauben, es ist alles schon vorbei. Vorbei ist es erst, wenn es vorbei ist. Auch diese leidvolle Erfahrung hast du selbst machen müssen: 2012. Als du nicht nur um deine Karriere, sondern auch um dein Leben gebangt hast.

Und auch wenn dir die Messi-Ronaldo-Doppelconference gestern wieder die Show gestohlen hat, Virgil. Mach dir nichts draus und adaptiere einfach Franz Beckenbauers Worte. Der Kaiser hat über deinen Landsmann Cruyff gesagt: „Johan war der bessere Spieler, aber ich bin Weltmeister.“ Und du bist jetzt „Europas Fußballer des Jahres“. Der Portugiese und der Argentinier wollen nur zusammen essen gehen.

Alles Gute wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag