Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (24):  Liebe „Marca“!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren Brief – nachdem wir uns letzten Sonntag an ein heimisches Wochenblatt wandten – an eine spanische Sport‑Tageszeitung…

Liebe „Marca“!

Das Leben ist kein Ponyhof und ich persönlich finde jegliche Schönfärberei ziemlich fad. Kritik ist notwendig um sich weiterzuentwickeln. Außerdem muss man auch einmal aussprechen, wenn eine Leistung nicht gepasst hat, darf nicht immer einen Eiertanz aufführen. In „unserem“ Sport sind wir geneigt über „fehlende Qualität“ und Co. zu reden, anstatt unterirdische Misserfolge klar und deutlich als solche zu bezeichnen.

Dennoch, liebe „Marca“, ich finde, eure Wahl der schlechtesten Spieler der Saison war ein Griff ins Klo. Dass ihr eure User zur Abstimmung genötigt habt, ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Alleine die Auswahl zeugt von Schadenfreude XXL und das gehört sich einfach nicht. Viele der lieben Kollegen reproduzieren diesen Nonsens auch noch und titeln beispielsweise „Keiner ist schlechter als Loris Karius“. Na klar, wenn‘s die „Marca“ sagt.

Bei „The Worst“ habt ihr den schlechtesten Torhüter, Abwehrspieler, Mittelfeldspieler und Stürmer der abgelaufenen Saison wählen lassen und euch dabei als ballesterische Jury der goldenen Himbeere gefühlt. Eure Vorauswahl zeugt bereits nur von Schadenfreude XXL: Karius ‑ dem (zugegeben: sau schwere) Patzer in einem (zugegeben: sau wichtigem) Spiel passiert sind, noch einmal mit diesen unrühmlichen Vorkommnissen zu konfrontieren und ihn somit darauf festzunageln, ist frech. Mittlerweile gilt es als erwiesen, dass der Deutsche aufgrund eines Ellbogenchecks vor dem 1:0 eine Gehirnerschütterung, die eine visuelle räumliche Dysfunktion zu Folge hatte, erlitten hat. Konkludent unerwähnt bleibt bei so einer Nominierung auch die Tatsache, dass der 26-jährige bis zum CL-Finale 2018 in sechs Spielen ohne Gegentor geblieben ist. Auch Coutinho, der bei Barça eine durchwachsene (zugegeben: unter jenen Ansprüchen, die man an ihn stellen kann) Saison abgeliefert hat, zur Wahl zu stellen, beweist nur mit welch‘ gekränktem Lokalpatriotismus ihre eure Vorschläge getroffen habt.

Sicher, auch die offizielle FIFA-Weltfußballerwahl kommt nicht als absolutistische Wahrheit in weißem Gewand daher, aber euer Internet-Voting erinnert ausschließlich an den mittelalterlichen Pranger. Nur eben weltweit und virtuell. Was ist der Sinn?

Das fragt sich und euch

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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