Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (38): Lieber Video Assistant Referee!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an den kontroversen Co-Schiedsrichter…

Lieber Video Assistant Referee!

Man kann es ihnen einfach nicht recht machen. Einst schrien Fans und Experten Zeter und Mordio, forderten lautstark: Man solle doch die moderne Technik für die schönste Nebenbeschäftigung der Welt nutzen. Kamerabeweis statt Pfeife mit Pfeife. Nie wieder Wembley-Goals. Nie wieder Abseits, das nur eine Rasenspiegelung war. Keine Phantomtore mehr.

Jetzt gibt es dich, lieber VAR, – unter anderem – in den renommiertesten Ligen der Welt: Deutschland, Italien, England. Und was ist das Ergebnis? Klagen, überall Klagen. Trainer und Spieler raufen sich regelmäßig die Haare, wenn der Bildschirmtyp angefunkt wird. Sobald sich der Unparteiische am Platz anschickt ein Viereck in die Luft zu malen, gellen Pfiffe von den Tribünen.  Zwar besteht die Möglichkeit Szenen mosaikartig auseinanderzunehmen und danach „fair“ zu entscheiden aber kaum jemand ist glücklich. Die Dauer der Entscheidung und die Nicht‑Nachvollziehbarkeit für die Stadionbesucher wird besonders heftig kritisiert. Lieber VAR, das ist wirklich grotesk. Denn vor deiner Einführung wurden jene, die darauf plädierten, Schiedsrichterentscheidungen seien Tatsachenentscheidungen und auch als Fehler Teil des Spieles, als Pharisäer, die Retro-Fußball konservieren wollen, abgekanzelt.

Im Endeffekt steht jetzt weltweit die Grundsatzentscheidung an, inwiefern man den Fußball „vertechnischen“ möchte. Man sieht an dir gut, dass selbst eine ausgereifte Technologie auf einige Aspektes des Spieles nicht anzuwenden ist. Jetzt muss entschieden werden, wie es weitergeht. Du bist bei Abseits-Fragen regelmäßig unzuverlässig. IFAB-Generalsekretär Lukas Brud meinte vor kurzem: „Wenn man mehrere Minuten braucht, um herauszufinden, ob es Abseits war oder nicht, dann ist das Ganze nicht eindeutig und offensichtlich – dann sollte die ursprüngliche Entscheidung Bestand haben.“ Die International Football Association Board überlegt jetzt eine Änderung. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin schlägt in dieselbe Kerbe und fordert eine Toleranzgrenze von „10 bis 20 Zentimeter“. Abseits mit Fehlerkalkül quasi.

Doch, lieber VAR, ist das wirklich die Lösung? Oder nur das Ersetzen einer Frage durch eine andere. Denn vermutlich wird man den Schiri vor dem Schirm in Zukunft mit der Frage belästigen, ob es noch ein „Light-abseits“ oder eben ein richtiges „Abseits“ war.

Das fragt sich

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag