Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an eine Fußballreporterin, die sich nun in den Ruhestand verabschiedet…
Liebe Sabine Töpperwien!
Ich bin mir sicher, dass du vielen unserer abseits.at-Lesern relativ oder gänzlich unbekannt bist. Selbst ich konnte mit deinem Namen nur bedingt etwas anfangen. Deswegen möchte ich dich zunächst kurz vorstellen: Seit 1989 kommentierst du für den WDR im Radio die deutsche Bundesliga, 2001 wurdest du Sportchefin des Radiosenders WDR 2. In über 35 Berufsjahren bist du um die Welt gejettet, warst bei einem Dutzend olympischer Spiele im Einsatz, hast neben Fußball unter anderem auch bei Kampfsport-und Eiskunstlaufübertragungen mitgewirkt. Jetzt hast du bekannt gegeben aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Pension zu gehen.
Liebe Sabine, für dich wird es sich nicht so anfühlen, aber du bist tatsächlich eine Pionierin, eine Vorreiterin für Frauen, die sich in der Männerdomäne Fußball behaupten wollen. Dein erster Chef hat noch vorgeschlagen, dass du dich mit rhythmischer Sportgymnastik beschäftigst, du aber meintest lapidar, dass du davon keine Ahnung hättest. Geworden ist es zunächst Hockey. Als es endlich zum Fußball ging, musstest du dir von den lieben Zuschauern (kein generisches Maskulinum) natürlich anhören, dass du lieber hinter den Herd (Verstehe eigentlich nicht, wie das funktionieren soll. Die Knöpfe sind doch vorne.) oder Strümpfe stopfen sollst. Dabei wolltest du nur eine gestandene Sportjournalistin mit Schwerpunkt Ballsport werden. Manche hatten damit ein Problem und so war es ein steiniger Weg: Du musstest dich ab und an mit Machos wie Basler, Daum oder Rehhagel herumschlagen.
Respekt für dein Knowhow hast du dir hart erarbeiten müssen. Es wurde dir nichts geschenkt. Und du selbst musst zugeben, dass du glaubst noch immer nicht von allen ernst genommen zu werden. Getreu deiner Lebensmaxime bist du deinen Träumen gefolgt, hast nie dein Ziel aus den Augen verloren, gegen Widerstände angekämpft und trotzdem nie aufs „Fairplay“ vergessen. An deinem Werdegang sieht man, dass es sich lohnt zielstrebig und selbstbewusst vorwärts zu gehen. Leider begreifen immer noch viel zu wenig Frauen (aber auch manche Männer), dass man gewisse Dinge einfach fordern muss und nicht klein beigeben darf. Du selbst hast dazu gesagt: „[…] in meiner ganzen Laufbahn hat sich keine einzige Sportjournalistin vor mich gestellt und gesagt: „Ich will Live-Reportagen machen. […] den allerletzten Schritt zur Live-Berichterstattung: Den traut sich nach wie vor keine Frau zu.“ Auch deine Einschätzung zur Zukunft ist leicht melancholisch: Auf die Frage, ob du es noch erleben wirst, dass das Finale einer Europa- oder gar Weltmeisterschaft im Fernsehen von einer Frau kommentiert wird, hast du gesagt, dass du das für absolut ausgeschlossen hältst. Liebe Sabine, ich hoffe, da irrst du dich. Danke für den Weg, den du bereitet hast, indem du ihn einfach gegangen bist.
Einen schönen Ruhestand wünscht dir
Marie Samstag, abseits.at
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