Vor etwa drei Jahren war die Welt im beschaulichen Hoffenheim noch in Ordnung. Die TSG 1899 befand sich in ihrer ersten Bundesliga-Saison in einer Tabellenregion, die für den Start im internationalen Geschäft berechtigt. Ralf Rangnick ließ den attraktivsten Fußball in der Bundesliga spielen, die Mannschaft war jung und entwicklungsfähig und dank des allmächtigen, aber doch so sympathischen Mäzens Dietmar Hopp schien Geld im Überfluss vorhanden zu sein – ja manche sahen in dem Verein sogar eine echte zukünftige Konkurrenz für den FC Bayern.
Der Absturz in der Liga
Dementsprechend stiegen die Erwartungen im Kraichgau in den Himmel. Doch es folgte der rasante Abstieg: Nach einer schwachen Rückrunde und dem größten Absturz in der Tabelle, den je ein Herbstmeister in der Bundesliga hinnehmen musste, fand man sich im Mittelmaß wieder. Zu wenig für die Ansprüche des ehrgeizigen Trainers Ralf Rangnick – so wurde die Situation zumindest nach dem Rücktritt des Trainers zwei erfolglose Jahre später von Dietmar Hopp geschildert.
Der Rücktritt Rangnicks und das Pezzaiuoli-Debakel
Nach dem bereits Manager Jan Schindelmeiser gegangen wurde, trat Ralf Rangnick, nach dem Verkauf von Luiz Gustavo an den FC Bayern, zurück. Laut Hopp sah Rangnick dadurch seine ehrgeizigen Ziele gefährdet – später machten jedoch Gerüchte die Runde, dass der im Tagesgeschäft angeblich so zurückhaltende Hopp, den Transfer in Eigenregie mit seinem Freund Uli Hoeneß aushandelte. Ein Affront gegen die sportliche Souveränität Rangnicks und eine Aktion von Hopp, die eigentlich mit der deutschen 50plus1-Regel nicht vereinbar ist. Dies störte aber in der DFL und beim DFB, zudem Hopp exzellente Kontakte pflegt, niemanden und so drehte sich das Trainer-Karussell in Hoffenheim – nächster Halt der Mann mit dem für Stadionsprecher und Journalisten wohl feindseligsten Namen aller Zeiten: Marco Pezzaiouli. Sein exotischer Nachname war aber auch das einzige, was diesem wenigstens etwas Farbe verlieh. Pezzaiuoli war für den Posten des Trainers einer Bundesligamannschaft einfach viel zu wenig charismatisch, langweilig und außerdem mit dem Führen einer durchaus schwierigen Mannschaft wie Hoffenheim überfordert. Das Ende vom Lied: Nach einer wiederholt erfolglosen Rückrunde entließ man Pezzaiuoli, während der angeblich perfekte Nachfolger schon feststand.
Kurz aber heftig – die Stanislawski-Ära
Ex-St. Pauli Holger Stanislawski schien in den Augen von Dietmar Hopp und Manager Erich Tanner der ideale Trainer für die TSG Hoffenheim zu sein, eilte ihm doch der Ruf des exzellenten Fußballfachmanns voraus, der zudem charismatisch und authentisch ist. Beides Attribute die der TSG in der Öffentlichkeit doch ziemlich abgehen. Hopp nahm auch gleich zu Beginn der Saison Druck von der Mannschaft und dem Trainer, indem er behauptete, man erwarte keinen bestimmten Tabellenplatz, sondern, dass man aus der Ansammlung von sehr jungen und sehr talentierten Spielern ein homogenes Team formiere, das die deutsche Öffentlichkeit wieder für sich gewinnt. Nach einem erfolgreichen Saisonstart schienen für Hopp die Bäume aber doch wieder in den Himmel zu wachsen und so wurde es nach einer doch eher durchwachsenen Hinrunde wieder unruhig in Hoffenheim, was schließlich mit der Entlassung Stanislawskis nach nur einem halben Jahr endete.
Das Problem Dietmar Hopp
Dietmar Hopp liebte es am Anfang der Hoffenheimer Profifußballzeit sich als gutmütiger Großvater zu inszenieren, der nicht viel Ahnung von Fußball hat und deswegen lieber die Experten mal machen lässt. Im Laufe der folgenden erfolglosen Jahre kam aber in der Öffentlichkeit immer mehr das Bild des Unternehmers durch, der um seine Investitionen fürchtet. Auf seinen Geheiß hin sollten nun Leistungsträger abgeben werden, damit deren Ablösesummen, die Kassen der TSG füllen und diese sich irgendwann von selbst tragen kann. Dies ist natürlich kein unvernünftiger Gedanke – was dabei aber sauer aufstößt ist die Tatsache, dass Hopp – ein ausgewiesener Fußball-Laie – sich immer mehr in das Tagesgeschäft einzumischen begann. Damit vergraulte er Ralf Rangnick und verspielte sich so viele Sympathien. Komplett lächerlich hat er sich aber nun im Fall Stanislawski gemacht: erst beteuerte er, mal wieder öffentlich, dass er größtes Vertrauen in die Arbeit des Trainers habe und er hoffe, das dieser noch viele Jahre in Hoffenheim arbeite. Trotzdem gab man gegen den Wunsch Stanislawskis Vedad Ibisevic an den VfB Stuttgart ab und holte dafür den Wolfsburger Bankdrücker Srdjan Lakic für die Ausleihgebühr von einer Millionen Euro ohne Klausel zur Weiterverpflichtung – Felix Magath wird sich ins Fäustchen gelacht haben. Hopp soll diesen Transfer mit VW-Chef Winterkorn übrigens mal wieder höchstpersönlich eingefädelt haben. Als wäre das alles noch nicht genug, lies Hopp nur wenige Tage nach seinen Treueschwüren verlautbaren, der Mannschaft fehle die spielerische Linie. Jeder wusste nun, dass Stanislawskis letzte Stunde geschlagen hat.
Nach dem Pokalspiel gegen Fürth
Nach der Pokalniederlage gegen Zweitligist Fürth konnte man die Stimmung im Verein an der Reaktion von Torhüter Tom Starke ablesen. Dieser meinte, die Mannschaft und Trainer wären ein verschworener Haufen, es aber Wahnsinn wäre, was gerade im Verein abgehen würde. Näher wollte er sich aber nicht dazu äußern, da er Angestellter der TSG Hoffenheim sei und es für ihn gefährlich werden könne, wenn er sich konkret äußern würde – keine zwölf Stunden später wurde Holger Stanislawski entlassen. Die Ironie dabei: Dietmar Hopp, der das Projekt Hoffenheim erst möglich gemacht hat, schafft dieses durch seinen Dilettantismus praktisch selber ab.
Ral, www.abseits.at
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