Hier prämieren wir die schlagfertigsten und  einfallsreichsten Sager von Kickern, die nicht nur auf dem Platz sondern auch verbal Spielwitz zeigten. Sprüche à la... Der „Willi-„Ente“-Lippens-Preis“ oder „Frechheit siegt“ (1) – Jan Åge Fjørtoft

SK Rapid WienHier prämieren wir die schlagfertigsten und  einfallsreichsten Sager von Kickern, die nicht nur auf dem Platz sondern auch verbal Spielwitz zeigten. Sprüche à la „Der FC Tirol hat eine Obduktion auf mich.“ oder „Wir dürfen nicht den Sand in den Kopf stecken.“ bleiben außer Konkurrenz. In unserer achtteiligen Serie stellen wir euch Herren vor, die auch als Satiriker gute Figur gemacht hätten. Prickelnde Spitzzüngigkeiten haben schließlich immer Saison.

Wer hat sich „Ente“ Lippens zum Vorbild genommen? Der „Urvater“ der ballesterischen Schmähbruder schleuderte dem Schiedsrichter einst auf dessen Drohung: „Ich verwarne Ihnen“ ein geistreiches „Ich danke Sie“ entgegen. Lippens flog daraufhin vom Platz, aber auch direkt in die Geschichtsbücher der kecksten Fußballeraussprüche. Viele andere folgten. Nachstehende Herren lieferten mitunter das Beste, das die deutschsprachige Kickerwelt je gehört hat…

Wir beginnen unsere Serie mit ….

Jan Åge Fjørtoft  –   Das personifizierte Augenzwinkern

Jan Åge Fjørtoft wird zwar morgen 47 Jahre alt, trotzdem wirkt er nach wie vor wie ein Lausbub. Sein freundliches Gesicht und seine spöttischen, bissigen und selbstironischen Sprüche gleichen seiner frechen Art Fußball zu spielen: Der Norweger war während seiner aktiven Zeit ein lauffauler Stürmer mit Torriecher und positiver Ausstrahlung. Ihm gelingt die große Kunst schlagfertig und sarkastisch zu sein und trotzdem nie ins Niveaulose oder Vulgäre abzurutschen. Im Gegenteil: Der Ex-Stürmer mit dem Blitzen in den Augen gab stets eine Kostprobe seines Scharfsinnes zum Besten.

„Satire ist jemandem so auf den Fuß zu treten, dass er es merkt, aber nicht aufschreit.“, sprach Helmut Qualtinger und das hat Fjørtoft wohl beherzigt, obwohl sein tatsächlicher Job eigentlich darin bestand Tore zu schießen.

Geboren wurde der ehemalige Stürmer am 10. Jänner 1967 in Ålesund, Norwegen als Sohn eines Seemanns und einer Hausfrau. 800 Menschen leben in seinem Heimatdorf Gursken, die meisten Erwerbstätigen arbeiten im Fischereibereich. Der größte norwegische Exporthafen für Stockfisch liegt in Ålesund und trotzdem brachte die Kleinstadt viele Kicker hervor. Auch Fjørtoft erzählt über seine Kindheit: „Ich habe immer Fußball gespielt.“. Jeden Samstag sitzt er vor dem Fernseher, denn das norwegische Fernsehen überträgt dann das jeweilige Premier League-Spiel. In seiner Jugendzeit ist  die Frohnatur Leeds-United-Anhänger.

Nikos Babysitter

Als 22-Jähriger kommt Fjørtoft nach mehreren Stationen bei Vereinen in seiner Heimat (HamKam, Lillestrøm) nach Österreich zu Rapid Wien. Aufgefallen ist er den Hütteldorfern, als er bei einem Länderspiel dem ÖFB-Team ein Tor geschossen hatte. Als teuerster norwegischer Spieler wechselt Jan nach Wien und begeistert vier Jahre lang das Wiener Publikum auf und neben dem Platz. Der junge Spieler kennt seinen Trainer Krankl noch aus seiner Jugendzeit, als sich „Hanseee“ zum goldenen Schuh ballerte. Trotzdem haben sich die beiden – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht immer in Grün. „Hans und ich haben ein Vater-Sohn-Verhältnis gehabt. Am einen Tag haben wir uns sehr lieb gehabt, und am anderen war er böse auf mich. Aber irgendwie haben wir zueinander gefunden, und ich habe ihm sehr viel zu verdanken.“

Dem „Goleador“ platzt einmal beim Training der Kragen. „Jan, du spielst wie ein Homosexueller!“, wirft er seinem Schützling vor. Nun ja, wir glauben, dass er sich volksnäher ausgedrückt hat, aber egal. Am nächsten Tag entschuldigt sich die Rapid-Legende jedenfalls beim zukünftigen grünweißen Kultstar für die Unangebrachtheit seiner Aussage. Fjørtoft gibt sich cool: „Ich habe, dass letzte Nacht mit meiner Frau besprochen. Sie findet es auch.“ Spätestens jetzt war klar, dass der 190cm große Stürmer ein wandelndes Pointenfeuerwerk ist. Für viele Fans war Fjørtoft auch einer der wenigen Spieler, die den Rapidgeist lebten. Er verbrachte seine (Frei)Zeit in Wien unter anderem als Babysitter von Zlatko Kranjcars Sohn: Jenem Niko, der heute für die Queens Park Rangers spielt.

„Einmal komme ich zurück nach Wien. Ich werde Zeit meines Lebens Rapid-Anhänger sein!“, sagt der Norweger heute. Sein schwarzer Humor und die Eigenschaft Ereignisse kritisch und bissig zu kommentieren, passten perfekt zur Welthauptstadt der Morbidität und des „Suderns“. Aber auch in England fühlt sich Jan später pudelwohl, dorthin wechselt der Offensivspieler nach vier Saisonen beim österreichischen Rekordmeister. Mit Rapid kann er keinen einzigen Titel gewinnen und verliert gleich drei Pokalfinalspiele. Dennoch kann Fjørtoft spielerisch überzeugen und wechselt schließlich.

Schon damals sieht sich Jan auch als Entertainer, sein „Vorbild“ aus der Zeit in Wien ist ausgerechnet der violette Topstürmer Toni Polster. „Ich habe den Wiener Schmäh schon immer sehr gerne gehabt.“, sagt Fjørtoft. Auch die Rapid-Fans haben und hatten ihn gerne, heute gilt der norwegische Stürmer als Kultspieler unter den Anhängern des Rekordmeisters. Selbst als Jan 1989 einen Elfer gegen Lüttich verschießt und so das Ausscheiden aus dem Europacup besiegelt, heißen ihn die Fans beim Cupspiel gegen den FAC mit Sprechchören willkommen. Der schlitzohrige Stürmer bedankt sich artig mit vier Toren.

Bemerkenswert ist, dass Fjørtoft zwar mit schlagfertigen Frechheiten nicht spart, er aber dennoch nicht vergisst, wofür er bezahlt wird. Am Platz ruft er brav seine Leistung ab und witzelte erst bei den abschließenden Interviews: „Fußball und Lächeln, das sind die beiden Weltsprachen.“, sagt der Mittvierziger. Selbst über seine Langsamkeit machte sich der Stürmer gerne lustig, er begegnete den Irrungen und Wirrungen des Lebens mit Humor.

Der Kuss

Schließlich wechselt Fjørtoft nach England, von 1993 bis 1998 ist der Angreifer für Swindon Town, den FC Middlesbrough, Sheffield United und den FC Barnsley tätig. Seine anständige Karriere (219 Spiele/87 Tore) wird wieder einmal von einer kuriosen Einlage getoppt. Am 30. September 1995 geraten Fjørtoft  und Blackburn-Goalie Tim Flowers in einem Ligaspiel aneinander: „Der Torhüter war sehr böse auf mich, und ich habe gesagt, dass er sich beruhigen soll und dass ich ihn direkt auf den Mund küsse, wenn er weiter flucht. Daraufhin hat er dann „Fuck off!“ zu mir gesagt und ich habe ihn direkt auf den Mund geküsst. Und ein Fotograf hatte gute Sicht und hat genau in diesem Moment abgedrückt, worauf das Foto um die Welt gegangen ist. Für mich gehört das dazu.“

So schnell ist man auf dem englischen Foto des Jahres und auch eine Londoner Schwulenzeitschrift veröffentlicht den Schnappschuss als Titelbild. Eine Geschichte, die zum norwegischen Stürmer perfekt passt. Gerade in der oft homophoben Fußballwelt erlaubt sich das ausgekochte Schlitzohr aus Ålesund mal wieder eine Frechheit über die man ordentlich schmunzeln muss.

Später äußert sich Jan als Frankfurt-Spieler zum Thema Zweisamkeit: „Sex vor dem Spiel lehne ich strikt ab. Schließlich teile ich vor den Spielen immer das Zimmer mit Salou.“

Auch eine mögliche Vaterschaftsklage räumt er vorab augenzwinkernd aus dem Weg: „Eines möchte ich noch kurz anfügen. Auf der Homepage meines Kollegen Thomas Sobotzik habe ich gelesen, dass ich seinem Sohn so ähnlich sehe. Mit Frau Sobotzik habe ich aber schmunzelnd ausgemacht, dass an dieser Geschichte nichts dran ist.“

Ebenso wie in Wien erfreut sich der Stürmer auch in England großer Beliebtheit. Es kann schon vorkommen, dass Jan während seiner Zeit bei Swindon Town mit deren Hardcore-Fans in ihrer Stamm-Bar ins Plaudern gerät. 1998 sagt Fjørtoft Großbritannien aber „Good Bye!“ und verabschiedet sich in die Bankenmetropole am Main.

Während seiner Zeit bei der Frankfurter Eintracht erfolgt ein neuerlicher Karrierehöhepunkt, der sein freches Gemüt unterstreicht:  Fjørtofts Tor zum 5:1 gegen Freiburg am 24. Mai 1999 entscheidet den Abstiegskampf. Der Norweger zeigt dabei, dass er nicht nur abseits des Feldes ein cooler Hund ist. Ein Übersteiger kurz vor dem Torschuss soll den Goalie nochmals verwirren, während er mit dem linken Fuß abzieht und sich zu einem der beliebtesten Eintracht-Profis aller Zeiten machte. Denn aufgrund der besseren Tordifferenz bleibt die Eintracht in der Bundesliga.

Nur 51 Spiele und 14 Bundesligatore in vier Saisonen bei den Hessen stehen auf seinem Konto, dennoch hat er sich dank diesem Tor in den Herzen der Fans verewigt. Auch das haben die Anhänger nicht vergessen, 2007 gründet sich eine Initiative zur Umbenennung des Walther-von-Cronberg-Platzes in den „Jan-Aage-Fjørtoft-Platz“. Eigentlich wäre es ja nur als Aprilscherz geplant gewesen, doch einige eingefleischte Schwarz-Weiße griffen die Idee tatsächlich auf. Mittlerweile ist der Plan jedoch wieder eingeschlafen. Der Norweger ist sich schon während seiner aktiven Zeit seines Status‘ bewusst: Selbstironisch bemerkt er nach einem verschossenen Elfmeter: „Jetzt bin ich der ex-beliebteste Spieler der Eintracht.“

Fjørtoft ist in ganz Deutschland wegen seines legendären Tores bekannt. Er selbst gibt an, schon seit frühester Jugend auf solche Goals hintrainiert zu haben: „Wenn man frontal auf den Keeper zuläuft, ist der Winkel für einen Torschuss nicht so gut und ich habe mich gefragt, wie man in so einer Situation am effektivsten abschließen kann. So habe ich dieses Übersteiger-Tor zum ersten Mal gemacht, als ich etwa zwölf Jahre alt war.“ Auch im „Frankfurter Jahrhundertspiel“ musste sich das Schlitzohr also von seiner kecken Seite präsentieren.

Während seiner Zeit in der Mainmetropole wird aus dem Rechtsfuß ein wirklicher Maulheld. Er schießt Pointen aus der Hüfte, die man einem Kicker gar nicht zutrauen würde.

„Die Entscheidung fiel zwischen mir und dem Busfahrer. Leider hatte der seinen Fußballstiefel nicht dabei“, so kommentiert Fjørtoft eine überraschende Einwechselung seiner Person. Nach seinem Übersteiger-Tor lobt er den damaligen Eintracht-Trainer: „Jörg Berger ist so ein guter Trainer, der hätte auch die Titanic gerettet.“ Zwei Jahre später berichtet er folgendes über Bergers Nachfolger Magath: „Ob Felix Magath die Titanic gerettet hätte, weiß ich nicht. Aber die Überlebenden wären topfit gewesen.“

„Du, Felix…“

Der knallharte Übungsleiter ist überhaupt eines von Jans „Lieblingsopfern“. „Wir hatten viel Spaß miteinander.“, sagt der heute 46-Jährige über seinen Ex-Trainer. „Und ich habe ihn immer geduzt und hatte keine Angst vor ihm, weswegen wir auch ein ziemlich gutes Verhältnis miteinander hatten.“

Sportlich gesehen ließ ihn Magath aber auch oft auf der Bank schmoren, nur 17 Spiele spielte der Norweger unter seinem Trainer. Dennoch widmete ihm Fjørtoft oft „Verbalerotisches“: „Das Training von Felix Magath ist wie ein Zahnarzttermin. Man fürchtet sich vorher, aber hinterher geht’s einem besser.“ oder „Demnächst werden wir wohl auf Alcatraz unser Trainingslager abhalten.“

Der Ex-Rapidler erzählt, er habe Magaths eiserne Trainingsmethode später mit nach Norwegen genommen. Allerdings kombinierte er alles mit Humor: „Wir sollten alle viel mehr lachen. Gut, wir müssen zwei Stunden laufen oder dreimal am Tag trainieren, aber wir sollten Spaß dabei haben […] Spaß ist doch kein Schlendrian!“ Schon in Frankfurt fehlt Jan oft die notwendige Lockerheit: „Man muss sich doch mal freuen dürfen!“ So sagt er nach einem 4:0-Sieg der Eintracht unter Felix Magath: „Der Trainer wird uns schon auf den Boden zurückholen. Morgen wird es den längsten Waldlauf der Geschichte geben!“

Ernst sein ist alles

Körperlich geschadet hat dem Stürmer die Zeit unter „Quälix“ aber nicht, doch jede Laufbahn geht auch einmal zu Ende. Also kehrt Fjørtoft 2001 nach Norwegen zurück und spielt für Stabæk Fotball. Bei Lillestrøm SK lässt er ein Jahr später seine Karriere schließlich ausklingen. Dort steigt er als Manager ein und ist bis Ende 2008 beschäftigt, seit 2011 ist er Experte beim Bezahlsender Sky. Diese Rolle steht Jan hervorragend, schließlich macht er hier, was er neben seinen ballesterischen Künsten wohl am besten kann: Sprüche klopfen. So kann er als Co-Kommentator Lothar Matthäus aufziehen: „Ich weise ihn immer freundlich daraufhin, dass er mit all seinen Titeln gegen meine Nichtabstiegsfeier (in Frankfurt, Anm.) nie ankommen wird.“

Ab und zu wird Jan aber auch ernst: So mahnte er Marko Arnautovic zur Vorsicht: „Es gibt Spieler, … wie man in England sagt: No brain, no headache.“ oder er tadelt Arsenal-Stürmer Nicklas Bendtner: Seit 2005 hat Bendtner 41 Liga-Tore geschossen. Das sind im Schnitt 5,1 pro Saison. Das schaffe ich selbst jetzt noch. Und ich bin 46.“

„Ich finde es lustig, dass Rummenigge und Hoeneß auf Kritik an ihren Spieler sagen, dass man nur eifersüchtig sei. Das ist ja Blödsinn.“, sagt er, als er die Schwächen des Bayern-Stars Schweinsteiger anspricht.  Auch wenn er kritische Töne anschlägt, kann man dem Norweger nicht wirklich böse sein. Es mag das Geheimnis seines Charismas sein, aber bei Fjørtoft spürt man, dass er es ehrlich meint.

Delikaterweise hat es Jan zwar bei fast allen seiner Klubs zu einer Art Kultfigur gebracht, in seinem Heimatland ist er aber nicht grenzenlos beliebt. Er war zeitweise als Querulant verschrien: „[…] direkt zu sein und die ehrliche Meinung zu sagen, das kommt in Norwegen nicht immer so gut an im Vergleich zu anderen Ländern.“ 71-mal spielte Fjørtoft im Nationalteam und führte es auch bei 15 Spielen als Kapitän aufs Feld. Der Familienvater durfte auch an der WM 1994 in den USA teilnehmen, wo Norwegen denkbar knapp ausschied.

Jetzt nach seiner aktiven  Zeit erfreut uns Fjørtoft nur mehr mit seinen Analysen, mit Unterhaltung kennt er sich schließlich aus. Nebenbei betreibt er eine Firma, die sich mit Kommunikationsstrategien befasst. Trotzdem fällt sein Name immer wieder, wenn Sportdirektoren gesucht werden. Trainer möchte der Norweger nicht sein, aber im Managementbereich zu arbeiten, damit hätte er kein Problem.

Und die Frage, was er mit 85 Jahren zu machen gedenkt, hat Jan auch schon beantwortet: „Dann lebe ich in Oslo, spiele immer noch Fußball und bin immer noch so langsam.“ Ein Mann, ein Wort.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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