Am Anfang war das Wort – und ist zu einem Problem geworden. Die deutsche Faninitiative „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ wollte vom deutschen Fußballverband... Deutsches Eigentor in Pyrotechnikdebatte – eine Ursachenforschung

Am Anfang war das Wort – und ist zu einem Problem geworden. Die deutsche Faninitiative „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ wollte vom deutschen Fußballverband in Bezug auf Pyrotechnik in etwa die Lösung, wie sie in Österreich derzeit gilt: Geplantes Abbrennen der Bengalen durch einzelne, bekannte Personen. So etwas versprachen Vertreter der deutschen Fußballliga DFL und des DFB. Doch sie blieben nicht bei ihrem Wort.

Ganz wichtig bei dieser Problematik ist die Annäherung an die Materie aus der Distanz. Denn einerseits wollen DFB und DFL eine ausgelassene, mitunter euphorische Stimmung, andererseits wollen sie der Fanszene ein wichtiges Instrument dafür wegnehmen. Ob Pyrotechnik, so schön das Lichtermeer zugegebenermaßen in Videos aus Südamerika und Südosteuropa dargestellt wird, ein so wichtiger Bestandteil des modernen Fußballs ist, bleibt eine Frage, die hier nicht beantwortet werden kann.

Pyrotechnik ist in Deutschland ein Verbrechen

Angefangen hat alles im Oktober des letzten Jahres. Führende Vertreter der aktiven Fanszene Deutschlands, insgesamt ungefähr 160 verschiedene Ultrà-Gruppierungen, schlossen sich zur Initiative „Pyrotechnik legalisieren“ zusammen. Der Ansatz:

* Schluss mit Böllern, Kanonenschlägen und sonstigen Knallkörpern. Die Dinger sind klein und fies, weil niemand auf den Schlag vorbereitet ist. Und Feierstimmung schaffen sie auch nicht.
* Pyrotechnik gehört in die Hand, auf keinen Fall in die Luft und nach Möglichkeit nicht auf den Boden. Leuchtspurgeschosse sind ebenso tabu wie die „Entsorgung“ von Bengalischen Feuern im Innenraum, auf dem Spielfeld oder in Nachbarblöcken.

Dazu verpflichten sich die Unterzeichner. Ungeachtet der Tatsache, wie der normale Fan zu Bengalen steht, muten diese Vorschläge als sinnvoll an. Die Forderung der Initiative fordert Räume und Straffreiheit, in Worten:

* Schaffung von Rahmenbedingungen für legales Abbrennen von Pyrotechnik in den Kurven

Eigenverantwortung für Fanszenen und Vereine

Auf der einen Seite stehen also die aktiven Fans, die eigenverantwortlichen Umgang mit Pyrotechnik verlangen, auf der anderen Seite steht das Gesetz. Dennoch kam es im Frühjahr 2011 zu Gesprächen zwischen der Initiative und Vertretern von DFL und DFB. Dem Spiegel wurden interne Protokolle zugespielt, in welchen die Verbände, in Person von Helmut Spahn (Ex-Sicherheitschef DFB), Gerald von Gorrisson (Leiter der Fananlaufstelle des DFB) und Thomas Schneider (Fanbeauftragter DFL), Treffen ansetzen wollten, “ unter welchen Bedingungen der Abbrand möglich ist.“ Das war am 7. Juni.

Versprechen gebrochen

Ein Pilotprojekt sollte gestartet werden, wenn die Ultràs an den ersten drei Erst- und fünf Zweitligaspieltagen die Feuerzeuge daheim lassen würden. Die aktive Fanszene hielt sich ihrerseits an diese Vorgaben. Durch eine Pressemitteilung, in der es hieß, dass eine Legalisierung „nicht in Frage“ komme, wurden alle Hoffnungen zunichte gemacht. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung zeigte sich DFL-Präsident Rainhard Rauball später überrascht: „Es gibt da eine Geisterdebatte, dass DFB und Liga die Pyros doch ‚legalisieren‘ könnten. Schon die Gesetzeslage verhindert das!“ Jannis Busse, Sprecher der Faninitiative, quittierte das Vorgehen des DFB mit folgenden, harten Worten: „Für uns waren die Gespräche reine Zeitverschwendung, die Verbände haben uns verarscht.“

Deutliche Reaktion

Ab dem fünften Spieltag, dem zweiten Septemberwochenende, legten die aktiven Fans dann los und brannten Hundertschaften von bengalischen Feuern ab. Am zehnten Spieltag, Mitte Oktober, wurde in allen Stadien gezündelt, was die Fackeln hergaben, immer begleitet von den bekannten Spruchbändern. Busse kündigte für die kommenden Wochen „wohl größere Pyrotechnik-Choreos“ an, um „damit zu demonstrieren, dass man weder sich selbst noch andere mit Pyrotechnik verletzt.“ Dabei kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Unfällen, wie beispielsweise in Nürnberg in der letzten Saison. Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge hatte schon zuvor in der Augsburger Allgemeinen betont, dass „der Schwarze Peter ein bisschen einigen Leuten beim DFB und bei der DFL zugeschoben werden muss“. Denn zunächst Zugeständnisse machen und dann diese als nichtig zu bezeichnen, ist nicht die feine englische Art.

Gefährliche Vermischung

Den Boulevard kümmert es nicht, ob ein Fan „Ultrà“ oder „Hooligan“ ist. Auch der Einsatz von Pyrotechnik und Gewalt rund um das Stadion werden immer wieder gleichgesetzt. Das ist gerade derzeit gefährlich, da in der öffentlichen Wahrnehmung die Gewalt um Stadien in Deutschland zunimmt. Das stimmt nicht, wie die jährliche Information der Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) aussagt: „Gewalttätige Ausschreitungen durch Fußballfans bewegen sich seit Jahren auf einem seit der Spielzeit 1999/2000 saisonal schwankenden, jedoch tendenziell konstant hohen Niveau.“

Zwei Paar Schuhe, Herr Bruchhagen!

Wenn nun in diese, nur gefühlte, Erhöhung der Fangewalt die Pyrotechnik mit einbezogen wird, kommen Sätze wie „Die Ultrabewegung übt auf junge Menschen eine Faszination aus, die man nicht erklären kann. Sie entsteht aus der Ermangelung von katholischer Jugend, von Pfadfindern, Gesangvereinen, aktiven Sportvereinen, in Ermangelung der Vereinskultur der sechziger, siebziger Jahre, der beruflichen, emotionalen und familiären Bindungen. Da geraten viele Beobachter in die Spur der Ratlosigkeit.“ oder „Sie sind aggressiv, zum Teil gewaltbereit und verletzen Gesetze, belästigen den normalen Zuschauer aber nicht.“ dabei raus. Diese Aussprüche tätigte Eintracht Frankfurt-Präsident Heribert Bruchhagen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die aktive, deutsche Fanszene steht also am Scheideweg. Auslöser sind unbedachte Aussagen einzelner Vertreter von Verband und Liga. Wichtig ist, dass jeder, der sich im Fußball auskennt, weiß, dass das Ausleben des Anfeuerns und Gewalt in und um das Stadion zwei verschieden Paar Schuhe sind. Und statt mit den Fans zu reden, reden die Offiziellen lieber mit der Polizei. Dabei ist genau das der falsche Weg. So merkte Sebastian Kiss von der österreichischen Initiative „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ vor Monaten im Ballesterer an, dass das Reden „das Einzige war, was vonseiten der Bundesliga bisher noch nie mit Fans gemacht worden ist“. Ob dies ohne „Verarsche“ berücksichtigt wird?

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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