„Sie sind praktisch draußen gewesen und jetzt sind sie praktisch drinnen.“, hat Thomas König postulationswürdig festgestellt.Dem tapferen Sneijderlein (Wesley Sneijder) und „Hunter“ (Klaas-Jan Huntelaar), dem treffsicheren Jägermeister ist es zu verdanken, dass sich die niederländische Elf ins Viertelfinale retten konnte. Miguel Herrera, der Ätna unter den Trainervulkanen, haderte nach dem Match mit Gott, dem Schiedsrichter und Arjen Robben. Nicht nur, dass, laut Herrera, in allen Spielen mit mexikanischer Beteiligung spielentscheidende Aktionen gegen diese gefällt worden seien, habe sich der niederländische Flügelspieler überdies dreimal „im Strafraum hingeworfen, um einen Elfmeter zu schinden.“ Herrera, der so aggressiv werden kann, dass sich Hooligans gar nicht mehr ins Stadion trauen, übte sich fleißig als „Suderantenmusiker“ und spielte post-lusum auf der Klaviatur des Verlierers: Die Bösen: Sportlich-unfaire Gegner, ungemütliche Referees und überhaupt alles andere.
Kalt/Warm
Schon Max Merkel wusste über den spanischen Fußball zu berichten: „In Spanien gibt’s für eine Niederlage drei Gründe: Entweder war der Wind zu stark oder die Sonne zu heiß – oder die gestifteten Kerzen in der Kirche waren zu kurz.“ Das gilt offensichtlich nicht nur dort. Herrera schwieg über die Versäumnisse seiner Mannschaft in der zweiten Halbzeit den Sack zu zumachen. Das 1:0 gab den Niederländern die Möglichkeit ins Spiel zu finden. „El Tri“ begann zu verwalten und war bald mit der orangen Offensive überfordert, ohne dass es jedoch zwingende Torchancen gab. Kommentator König meinte volksnah: „Kuyt hat längst einen fetten Sonnenbrand.“ Doch trotz feuchter Hitze steckten die Europäer nicht auf und es war wirklich heiß, heiß, Baby: 30 Grad im Schatten, dazu 70% Luftfeuchtigkeit. Man möchte sich nicht vorstellen, wie es in Katar abLAUFEN wird. Solche klimatischen Verhältnisse sind nicht nur für die Spieler unzumutbar sondern auch für den gesamten Sport unnütz. Wie sollen Höchstleistungen, die das Spiel ja schließlich auch reformieren und revolutionieren, in derartigen Zuständen vollbracht werden? Da hilft es nur auf Omas alte Philosophie zu bauen: „Es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht.“
Viele werden Herrera trotz allem Recht geben, denn großteils haben die Mexikaner wirklich „super gearbeitet und sind verdient in Führung gegangen.“ Zwar konnten sich die Holländer keine zwingenden Möglichkeiten herausspielen, spätestens ab Minute 70 gaben sie jedoch den Ton an. „Noch müssen die Tequilaflaschen zu bleiben.“, warnte damals ORF-König. Tatsächlich bracht „El Tri“ seine Führung nicht über die Zeit und konnte mit dem Agavenbrand nur noch sein sechstes Achtelfinale-Ausscheiden en suite hinunterspülen. Am bitteren Nachgeschmack des 29. Juni 2014 war jedoch nicht nur der FLIEGENDE Holländer Robben Schuld.
Der FALL Arjen R.
Der Flügelspieler vom FC Bayern steht immer wieder in der Kritik, wenn es um seine mangelnde Standhaftigkeit geht. Nach dem Spiel sagte der 30-Jährige, er habe sich beim Foul, dem der Elfmeterpfiff folgte, „einfach clever verhalten.“ Auch nach der tausendsten Wiederholung sieht man: Für ein Elferfoul zu wenig, für eine Schwalbe zu viel. Márquez tritt kurz auf Robbens Fußspitze – der Kontakt ist da – doch der Niederländer hebt theatralisch ab, als hätte man ihn weggegrätscht.
Schon in Minute 67 setzte Robben zum Bauchfleck an – inklusive Schrei und nach vorne gestreckten Armen. Zunächst versuchte er bei Reyes einzuhaken, bevor er dann über die Beine von Layun lief. Nach dem Match gab der Deutschland-Legionär eine Schwalbe zu, allerdings sei diese in der ersten Halbzeit außerhalb des Strafraumes passiert.
Da aller guten Dinge drei sind, küsste Robben bereits in Hälfte Eins den mexikanischen Strafraum. Kurz vor der Pause fiel Robben nach einem Tackling von Márquez und Moreno. Márquez tangierte Robbens Knöchel, während Moreno ihn von den Beinen holte, dabei brach sich der Mexikaner das linke Schienbein. In diesem Fall wäre ein Elferpfiff für die Holländer angebracht gewesen. Die vielzitierte ausgleichende Gerechtigkeit hat diesem Spiel also die notwendige Wendung beigefügt. Damit könnte es ja genug sein und Herreras Vorwürfe wären entkräftet. So einfach ist es jedoch nicht.
Robbens „subjektive“ Ehrlichkeit nach dem Schlusspfiff kann nicht nur einfach zur Kenntnis genommen werden. „Das war dumm von mir.“, kommentierte er seinen Versuch einen Pfiff zu schinden. Niemand weiß genau von welcher Szene der Linksfuß spricht. Eines ist jedoch festzuhalten: Ehrlichkeit schützt vor Strafe nicht.
Suarez, der Beißer, wurde wegen wiederholtem Zahneinsatz gesperrt. Robben, dem Faller, passiert (noch) nichts. Sein „Geständnis“ ist eine Außerstreit-Stellung des problematischen Sachverhaltes: Robben versuchte ein Eingreifen des Unparteiischen bewusst zu provozieren. Die FIFA, die weltweit für „fair play“ und sportliches Verhalten „kämpft“, toleriert offensichtlich eine derartige Vorgehensweise.
Man braucht sich nichts vorzumachen: JEDER Kicker weltweit rackert mit ALLEN Mittel für einen Sieg seiner Mannschaft. Diese Herangehensweise wird wohl auf ewig dem Wettkampf beiwohnen. Allerdings könnte man mit handfesten Reaktionen auf Einzelfälle (wie in diesem Beispiel) das Zurückgehen gewisser Praktiken erzwingen. Um solchen unsportlichen Praktiken Herr zu werden, genügt es nicht eine „fair play“-Aufschrift aufs Trikot zu pinnen. Aber angesichts widriger Umstände rund um Organisation und Vergabe der letzten Großereignisse, ist ein derartiger „Etikettenschwindel“ wieder einmal nicht verwunderlich. Der Fisch beginnt beim Kopf zu stinken.
Marie Samstag, abseits.at
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