Happy Holland! So oft, wie die Elftal gestern an die Torbegrenzung geschossen hat, war der Einzug ins Halbfinale mehr als verdient. Ein Wunder, dass... Die WM und ich – Viertelfinale: Niederlande gegen Costa Rica

Louis van Gaal - NiederlandeHappy Holland! So oft, wie die Elftal gestern an die Torbegrenzung geschossen hat, war der Einzug ins Halbfinale mehr als verdient. Ein Wunder, dass das Tor nicht zusammenkrachte, nachdem Sneijder zwei Mal nur Metall traf. Die überlegenen Niederländer schafften es nicht in 120 Minuten ein Tor zu erzielen, immer wieder schoben sie den Ball auch nur hin und her. Die Fans der Costa Ricaner feierten den „Einzug“ ins Elfmeterschießen schließlich, als ob sie bereits gesiegt hätten. Doch es wurde noch ein bitterer Abend für die „Ticos“: Oranje-Schlussmann Tim Krul parierte zwei Elfmeter und sorgte so für das Weiterkommen des Vize-Weltmeisters von 2010.

Die Bekenntnisse des (Hochstaplers) Tim Krul

Jetzt dreht sich alles um den 26-jährigen Newcastle-United-Goalie, der nach 120 Minuten extra für das Penaltyschießen eingewechselt wurde. Louis Van Gaal, der sich mit seinen destruktiven taktischen Ansätzen bei den Liebhabern des schönen Spieles ohnehin wenig Freunde gemacht hatte, schüttelte mit dem erstmaligen Austausch eines Torhüters um eine Änderung beim Elferschießen einer WM-Endrunde zu erwirken, ein besonderes Ass aus dem Ärmel. Krul nahm sich seinen knorrigen „Chef“ zum Vorbild und verhielt sich dreist und selbstbewusst.

„Ich habe Ruiz, der holländisch versteht, gesagt, dass ich weiß wohin er schießt.“, erzählte der Keeper nach dem Spiel unverblümt. Ruiz traf darauf nicht. ZDF-Experte Oliver Kahn beurteilte dieses Verhalten später als „ein wenig unsportlich“, betonte aber auch, dass solche Psychospiele „im Profisport dazu gehören“. Auch Kahn selbst fixierte Schütze und Ball mit seinem „Todesblick“, um in den letzten Sekunden noch eine unsichere Atmosphäre zu schaffen. Krul ging noch weiter: Der Englandlegionär stellte sich vor den jeweiligen Schützen, redete auf ihn ein und berührte diesen sogar.

Besonders in Deutschland fragen nun Medien und Fans, ob so ein Verhalten nicht bestraft werden solle. Wie steht es dann um den „Faller“ des Thomas Müller beim Freistoß gegen Algerien? Wie kann man „mentalen Fouls“ Herr werden? Und wo fängt überhaupt die unsportliche Provokation an?

Agent Orange

Van Gaal hat seinen Schachzug über Monate lang geplant. Bereits im Trainingslager hatte er Krul in seine Pläne eingeweiht, dieser trainierte fortan vermehrt „Elferhalten“. Der zukünftige Manchester-United-Coach hat seinem Schützling kurz vor dem Show-Down auch noch geraten, in die rechte Ecke zu springen. Woher Van Gaal das nun wieder wusste, wird sein Geheimnis bleiben. Das Gegenüber des Holländers an diesem Abend, Jorge Luis Pinto, zeigte sich erstaunt: „Ich muss dieses Vorgehen akzeptieren, aber ich habe es auf der ganzen Welt noch nicht gesehen.“

Diverse Tricks und Kniffe kurz bevor es zum Elfmeterschießen geht, sind bekannt. So soll auf Jens Lehmanns Zettel, aus dem er kurz vor der Entscheidungsfindung im Viertelfinale Deutschland gegen Argentinien 2006 letzte Infos bezogen hat, wenig Brauchbares gestanden sein. Dem eigenen Schlussmann geheimnisvoll vor den Augen des nächsten Schützen etwas ins Ohr flüstern, ist auch eine altbewährte und oft wiederholte Praktik.

Tim Kruls Ansprechen und Berühren der gegnerischen Spieler soll nun von der FIFA untersucht werden. Zwar haben sich die „Ticos“ nach dem Match als gute Verlierer erwiesen und Kruls Verhalten nicht getadelt, dennoch muss festgehalten werden, dass ein mögliches „Trikotzupfen“ nicht mehr tolerierbar ist. Die Antwort hierfür liegt auf der Hand: Die psychologische Kriegsführung, die Teil des Elfmeterschießens ist, erfährt hier eine manifeste Ausgestaltung. Genaugenommen ist dies auch schon beim Ansprechen des Spielers durch den Tormann der Fall.

Welche Entscheidung der Weltfußballverband auch immer treffen wird: Am Samstag war Tim Krul der holländische Held – er alleine hat das Spiel aber nicht gewonnen: Da waren noch die eiskalt verwandelten Elfmeter der Oranje-Kicker, das satte Chancenplus während der 120 Minuten, der sichere Rückhalt des Einser-Goalies Cillessen und – last but not least – der „Vater“ des Erfolges: Louis Van G(eni)a(a)l und sein ausgefuchstes Konzept!

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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