Herbert Prohaska erklärt Woche für Woche den Bier-trinkenden und Chips-essenden Fans in Österreich in deren Wohnzimmern den Fußball. Er macht das mit der ihm... Fankurve | Der verrottete Kern der österreichischen Fußball-Seele

Herbert Prohaska erklärt Woche für Woche den Bier-trinkenden und Chips-essenden Fans in Österreich in deren Wohnzimmern den Fußball. Er macht das mit der ihm eigenen, schrulligen Art, nicht um den einen oder anderen Grammatikfehler oder “Schmäh” verlegen und immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Inhaltlich ist seine “Analyse” eigentlich nicht mehr, als eine Zusammenfassung der Geschehnisse, selten bis nie wird auf das taktische Konzept der jeweilig spielenden Teams eingegangen. Seine ihm zur Seite gestellten Rundfunkmitarbeiter machen es ihm dennoch immer wieder leicht, seine 08/15-Plattitüde als Expertise zu verkaufen. Sie machen das mit der in ihren Sätzen gänzlichen Abwesenheit von irgendwelchen relevanten Meinungen zum sportlichen Geschehen. Ob das in ihrem Naturell liegt oder von höherer Stelle so diktiert wird, ist nicht bekannt.

Und was machen die Fans vor den Fernsehapparaten? Sie lassen es sich gefallen. Jahrelang wurde der gemeine Fußballfan von der in diesem Land vorherrschenden, seichten Sport-Berichterstattung zu einem dankbaren Abnehmer der Berieselung hinkonditioniert.

Doch Zeiten ändern sich. Und mit ihnen auch der Anspruch an Journalisten, Zeitungen, Funk und Fernsehen, uns, den Fans, das von uns geliebte Spiel so darzustellen, dass es über einen Volkschul-Erlebnisbericht hinausgeht.

Der 7. Oktober 2011 bietet sich nun an, eine Zäsur in der österreichischen Medienlandschaft zu markieren. Was sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit der Bestellung der “Expertenrunde” zum Thema “Neuer Teamchef Marcel Koller” erlaubt hat, ist ein Stich ins Herz eines jeden halbwegs intelligenten Fußball-Fans. Wenn einem das österreichische Nationalteam nicht so ein wichtiges Thema wäre, man hätte Tränen gelacht ob der mehr als skurrilen Darbietung, die kurz nach dem 4:1-Auswärtserfolg des ÖFB-Teams in Aserbaidschan im extra dafür gestalteten, neuen Studio stattgefunden hat.

Kritik war bis vor kurzem in Verbindung mit Sportlern ein Fremdwort in Österreichs Medien. Hat man einmal etwas, auch wenn es noch so unbedeutend war, für das Land erreicht, und versucht auch nicht ansatzweise, beim Boulevard und dem Staatsfunk anzuecken, ist man auf der sicheren Seite. Unantastbar, sozusagen. Und im Mantel dieser Unantastbarkeit gediehen Egos, die nun am Freitag ihre grausamen Auswüchse öffentlich zur Schau stellten. Manche Leute wurden in der Vergangenheit großgeredet und großgeredet, obwohl ihre ihnen nicht abzusprechenden Leistungen schon Ewigkeiten zurücklegen. Und das ist auch eins der Kernprobleme.

Ich bin Jahrgang ’79. Also im Jahr eins nach dem bis zum ewigen Erbrechen strapazierten Cordoba geboren. Auch jüngeren Leuten ist der Mythos, den diese argentinische Stadt mit dem österreichischen Fußball auf alle Zeiten verbindet, ein Begriff. Das allein ist ja kein Problem. Jedes Land hat seine sportlichen Wunder, auch abseits des Fußballs. Deutschland hat ihr Team von der WM ’54, die USA haben ihre Eishockey-Mannschaft von Lake Placid, … Nur zehren andere nicht über 30 Jahre lang an einem einzigen Ereignis und belasten nachfolgende Generationen mit sinnfreien Vergleichen.

Herbert Prohaska hat bei einigen Fans mit seiner Rolle als “Revolutionsführer gegen Marcel Koller” viel von seinem Standing verspielt. Seine Erfolge als Spieler und Trainer in allen Ehren, aber die Geiselhaft, mit der Cordoba ’78 eine Entwicklung im österreichischen Fußball verhindert hat, sollte nun zu Ende gehen. Es ist an der Zeit, den alten Ballast abzuwerfen, und sich der Zukunft zuzuwenden.

Cordoba und seine Helden haben zu Recht ihren Platz in der Fußballgeschichte unseres kleinen Landes verdient. 30 Jahre später sollte man aber langsam davon absehen, uns die damaligen Protagonisten als allwissende Fußball-Gurus zu verkaufen.

Die Welt und der Fußball haben sich seitdem weitergedreht. Hoffentlich kommt das langsam auch in Österreich an.

(have.heart)

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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